IX. HAMMER OF DOOM - Würzburg, Posthalle

Festival vom 14./15.11.14
Bands: J.A.T.A.O., Trouble, Kadavar, Avatarium, Orange Goblin, SaintVitus etc.

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HAMMER OF DOOM  

Bei unserer Ankunft herrscht typisches Novemberwetter. Wolkengrauer Himmel. Es ist kühl. In der Nähe vom Bahnhof befindet sich das Hostel Babelfish, (umgangssprachlich gern als 'Babbelfisch' bezeichnet). Gerade noch sprechen wir darüber, weil bislang nur wenige Metaller auf Sichtweite erkennbar sind, stehen Markus, Peter und ein weiterer Kumpel bereit als hätten sie nur auf uns gewartet. Im nächsten Augenblick gesellen sich direkt aus der Tür vom Hostel heraustretend Jana, Astrid, Christian und eine Gruppe weiterer hinzu, deren Ziel ebenfalls Hammer of Doom lautet, nach freundlicher Begrüßung und manch lockerem Spruch machen wir uns gemeinsam auf den Weg. - Perfektes Timing!!!

 

Noch ehe es losgeht treffen wir auch schon weitere uns bekannte Gesichter. Ein kurzer Plausch, das Bändchen an der Eingangskasse besorgt und auf geht’s. Vor der bewährten Location Posthalle Würzburg tummeln sich bei Weitem nicht so derart viele Doomlunatics wie noch im Vorjahr. Das Warten in langer Schlange erübrigt sich zu unserer Überraschung quasi von selbst. Wir betreten die Halle pünktlich einige Minuten vor Konzertbeginn. Musik von Pagan Altar lockert unser Stimmungslevel zusätzlich auf. Spannung und Vorfreude auf's H.O.D. steigen. Die Jacken erleichternder weise an der Garderobe abgegeben, ist das Erste, was uns auffällt, das im hintersten Gang viele aus Holz geflochtene Sitzgelegenheiten auch Stühle genannt, herumstehen. Ein Anblick, der gefällt. Diese locker gepflegt eingerichtete Chillecke entpuppt sich nicht nur rein optisch gesehen als Hingucker, sondern als positive Festival-Neuerung, die schon lange in der ohnehin angenehm fanfreundlichen Location völlig fehlte. Drinnen ist es warm und beheizt, schnell die erste Cola gezogen und geschaut, was sich auf der Bühne tut. Gegen 18:00 Uhr startet Phase Eins des H.O.D.

Freitag, 14.11.2014 (Phase 1)

Hippies, Okkultmessen , viel Trouble und etwas Abra Kadabra

WOLVE SPIRIT

 

Eröffnen das H.O.D. 2014 mit einer locker vorgetragenen Mischung aus GIRLSCHOOL trifft DEEP PURPLE, LED ZEPPELIN sowie einigen anderen permanent vorhandenen 70er-Einflüssen, die mit kauzigem Hippieflair und etwas Frühachtziger Spirit verschmelzen. Vergleichsweise zum Vorjahr haben sich diesmal nicht so viele Fans in der Halle eingefunden, was möglicherweise am nicht ganz so sehr am aktuellen Trend orientierten Billing liegen kann. Der Sound der Würzburger Lokalmatadoren WOLVE SPIRIT weckt Interesse, wobei die quirlig im besten Hippieoutfit über die Bühne hüpfend singende, stampfende und auch mal schreiend ins Mikro brüllende Sängerin Debbie im Mittelpunkt steht, während ihre Bühnencrew im Hintergrund operierend, sehr mannschafts dienlich agiert. Stimmlich erinnert sie etwas an eine Mischung aus HELLION-Frontfrau Ann Boleyn und Ex-ZED YAGO/ J.W.B.-Initiatorin) Jutta Weinhold.

WOLVE SPIRIT hinterlassen hörbar angenehmen Eindruck, die Band hat, wie ihr jederzeit anzumerken ist, sichtlich Spaß auf der Bühne und sorgt für lockere Stimmung in der Halle, wobei sich vor allem das kleine aber umso begeisternder auf DEEP PURPLE/LED ZEPPELIN Sound alter Schule und anderer 70er-Helden sowie unverkennbarem Hippie/Krautrockfaktor und des Öfteren zu Tage tretenden Touch flotten GIRLSCHOOL-Beat schwörende Fanklientel dankbar zeigt. Am Ende ihres Gigs ernten die Lokalmatadoren WOLVE SPIRIT etwas verdienten Höflichkeitsapplaus. Immerhin schon mal ein passabler Auftakt.

Das Getränkeangebot liegt im gewohnt fanfreundlichen Rahmen. Neben Bier, diversen Softdrinks und Wasser werden auch alkoholfreies Bier, Weizen, Malzbier, Fruchtsäfte, sogar auch wieder Bionade und Kaffee angeboten. Der Hotdogstand im hinteren Bereich empfiehlt sich als sinnvolle Alternativlösung, wenn kein Appetit auf Pommes oder Pizza besteht. Das breit gefächerte Angebot der Händlermeile bietet ebenfalls wieder für jeden etwas egal ob Tonträger, Band- T- oder Kapuzenshirt, Patches, sogar Vinylsingles werden angeboten!

REINO ERMITANO

Nie gehört. Dieser südamerikanische Geheimtipp aus Peru offeriert eine krude Mischung aus mit Dark- und Black Metal Anleihen gekreuzten Funeraldoomtrip, der weitaus mehr Leutchens in die bei Wolfspirit zu Beginn noch etwas zu leere Halle zieht. An der Band spalten sich die Gemüter. Geschwindigkeitsmäßig wird neben schleppender Langsamkeit regelmäßig oft das Gaspedal kräftig bis zum Anschlag durchgetreten. Die Frontfrau der Band schreit, brüllt, kreischt wie eine Furie und lässt reichlich Düsteremotionen frei. Melissa und ich ziehen den Gang zur Metalbörse vor, um einige Kostbarkeiten zu ergattern, da uns die Band nicht all zu sehr bewegt, andere sind schlichtweg neugierig oder vom Start weg so derart gefesselt, dass sie den kompletten Gig der Südamerikaner am Stück verfolgend ihre Performance in überschwänglichen Lobeshymnen preisen!?!

In der Umbaupause geht’s auf die Schnelle mal kurz gepflegt chinesisch Essen, Nudeln und Litschisaft tun gut, um die Grundlage im Magen für das anstehende Programm zu schaffen. Anschließend zieht es uns gleich wieder direkt zurück zur Posthalle. Der folgende Act des Abends, dessen Auftritt wir unter gar keinen Umständen zu verpassen gewillt sind, interessiert uns dafür umso brennender:

JESS AND THE ANCIENT ONES

Diesem Auftritt fieberten wir schon im Vorfeld mit reichlich viel Spannung entgegen. Weißer Nebel schafft die passende Umrahmung für die Show. Das die Finnen erst kürzlich mit KING DIAMOND auf US-Tour gingen, spricht dafür, das auch der ohnehin schon immer ein starkes Faible für Okkulte Thematiken hegende King reichlich Gefallen an JESS AND THE ANCIENT ONES findet, deren Musik fesselt und zugleich leidenschaftlich rockt. Neben heroischer Melodieführung und mystischer Facettierung gesellt sich in recht ansprechend besuchter Halle, die immer noch so manche Lücken offenbart, ständig ein für solche Musik unverzichtbarer Schuß klassischen Hardrocks hinzu, dessen wilde, deftig in den Hintern tretenden Ausbrüche das Publikum immer zur passenden Zeit aus den Träumen reißen, damit sich nicht allzu sehr viel Trägheit ausbreitet. Die Gitarristen machen ihren Job tadellos, das auf Orgel getrimmte Keyboard liefert ein paar interessante Duelle mit den Sechssaitern, Yussuf's knallig fetter Schlagzeugbeat macht der Vordermannschaft gewaltig Dampf unterm Hintern. Passend zu ihrem Outfit einem im 70er Stile genähten bis zu den Füßen herab reichenden Kleid bewegt sich Frontsängerin JESS leichtfüssig tanzend auf der Bühne. Ihr weder mit genreverwandten Kolleginnen wie Jessica Thoth, Uta Plottkin oder Emily Kopplin vergleichbares Organ gibt der Düsterokkultorgie von J.A.T.A.O. eine völlig einzigartige Stilnote. Das mit viel Hingabe, Mimik und Gestik vorgebrachte Material sowie ihre Bemühungen die Fans zu pushen, führen nach einer knapp viertelstündigen Schnupperphase schließlich zum gewünschten Erfolg. Eine Woge relaxter Glückseligkeit breitet sich zunehmend mehr in der Posthalle aus, der locker ins Gehör dringende immens detailreich gestaltete Okkultrock der siebenköpfigen Formation, die mit drei Gitarristen antritt, verbreitet urige Stimmung (wozu der gelungen abgemischte Topsound einen sehr dicken Anteil beiträgt), mit psychedelisch angehauchtem Flair in der Halle. Bei Hohenpriesterin JESS, die von in ihrer separaten Welt eingenommen barfuß auf der Bühne tanzt (!), überkommt mich das Gefühl, dass sie neben klassischen Hardrockeinflüssen (sowohl mit Proganteilen) Marke RUSH, und BLUE ÖYSTER CULT als auch ohne u. a. THIN LIZZY, RAINBOW, UFO SCORPIONS und eine als jederzeit völlig unbedenklich einzustufende Brise JANIS JOBLIN, PAVLOV’s DOG, COLLOSSEUM oder KING CRIMSON, sowie früher End60er/Anfang 70er-Proto-Okkultwelle der Strömung COVEN, BLACK WIDOW, THE MAIDEN VOYAGE oder zeitlosen, experimentiell ausgerichteten ALAN PARSON'S PROJEKT-Mystikrockklassikern in sich eingesaugt hat. Die kleine, zierliche Frau wirkt nicht nur immens quirlig auf der Bühne, sie zieht die Masse mit ihrem zwischen Hypnotisch, herausfordernd, liebevoll verträumt und Psychopathischen Wechselblickspektrum regelrecht in ihren Bann. Soviel Charisma, Leidenschaft und Hingabe für okkult-spirituell dunkel gefärbte Musik suchen häufig ihres gleichen vergeblich. Ähnlich sieht es wohl auch das bei umfangreich vertontem die fünf Minuten-Grenze locker sprengendem Düsterzeremonien Marke „Prayer for Death and Fire", "Sulfur Giants" (Red King), "13 th Breath of the Zodiac" oder „Astral Sabbath“ (ein Genuss!) auf Wolke 7 schwebend blutstreue Fanklientel der Band. Nach und nach lässt sich auch ein zunächst ungläubig staunender, die Band zunächst  argwöhnisch beäugende Teil des Auditoriums ab der Hälfte des gespielten Sets verstärkt zu Beifallskundegebungen und Jubel hinreißen. Komischerweise verkauft die Truppe zur Verwunderung ihrer Fans trotz kräftigem Beifall zum Ende ihrer Darbietung heute in der Halle überhaupt kein Merchandise. Keine Ahnung, woran es liegt, bzw. welch besonderen Umständen dies auch immer geschuldet sein mag. Möglicherweise war bereits alles während der US-Tour ausverkauft. Damit würde sich dieser Umstand hinreichend von selbst erklären. Unabhängig davon: JESS AND THE ANCIENT ONES (kurz: J.A.T.A.O.) haben ihr Soll erfüllt, das erste kleinere Ausrufezeichen am H.O.D.-Freitag gesetzt, ihre Duftmarke beim Publikum hinterlassen und es soll noch dicker kommen...

TROUBLE

Gab das bisherige Programm zumindest einen abwechslungsreich gestreuten Vorgeschmack auf das Festivalbilling, geht es anschließend weiter mit klassisch traditionellem 80er-Doom. Die erste und einzige Heavy Metalband des Abends agiert als Co.Headliner vor überraschend zahlreich versammelter Kulisse. Mit dem (u-. a. ehemals in Reihen der Thrashcombo EXHORDER stehenden Sänger Kyle Thomas antretend, der seinen legendären Vorgänger Eric Wanger beinahe vollständig ersetzt, präsentiert sich eine vom Start weg amtlich mörderisch drauflos rockende Combo einem hungrigen Publikum, das nur eines will, worauf es schon viel zu lange warten musste: Heavy Metal in traditioneller Form,- gebraut nach dem echten Reinheitsgebot, knallhart groovend, ausnahmslos pur!

Dass er sich auf den Festival wohlfühlt, zeigt auch die Bühnennahe Präsenz des neuen Fronters, Kyle Thomas, der häufig Faust ballend jeden Meter Bühne effektiv nutzt, mit den Gitarristen Luftgitarrenduelle austrägt, wild den Kopf schüttelt und „Hammer of Dooooom!“ rufend der Fanschaar mitteilt, wie erfreut die Band über die ihr entgegen schlagende Resonanz ist. Obwohl er nicht über das Charisma seines Vorgängers verfügt, gleicht der TROUBLE-Frontmann das Manko durch enormes Engagement verbunden mit intensiv ehrlich auf der Bühne gelebter Leidenschaft aus. Wer so topmotiviert auftritt, hat es sich verdient. Kyle Thomas entpuppt sich als würdiger Nachfolger des bekannteren Kollegen. Manche vermissen Eric Wagner, weil sie in ihm den einzig wahren TROUBLE-Sänger sehen, und können sich nur schwer von der für sie reichlich traumatisierenden Vorstellung lösen, das die Band nun ohne ihren lange Zeit etatmäßigen Frontleader auftritt, der mit seiner TROUBLE-Nachfolgeband The Skull eigene Wege beschreitet, wobei der Unterschied zu seinen früheren Mitstreitern kein allzu großer ist. Diese Fraktion ist heute in der Minderheit. Es gibt überhaupt keinen Anlass, sich auch nur über irgendetwas bezüglich der Kapelle zu ärgern. Mit dem heute gefahrenen Gesamtprogramm werden sämtliche Zweifel vom Tisch gewischt: TROUBLE sind auch live noch immer eine Macht, wie der Gig in der Posthalle unzweifelhaft beweist. TROUBLE servieren ein schwungvoll auf’s Geweih drückendes Brett klassischer Doomgrooves. Das Gitarrenduo Wartell/Franklin lässt die Axt herrlich nach allen Regeln der Kunst sägen, quietschen, röhren und kreischen. Die beiden seit Bandgründung aktiv in der Band verbliebenen Ur-Mitglieder kennen ihr Metier von der Pike aus dem FF, brillieren mit rasiermesserscharfen Grooveriffs und rasanten Soli. Mark Lira hinterm Schlagzeug und Rob Hultz am Viersaiter legen ein sauber, enorm druckvoll hinter den Gitarren sich entfaltendes Grundgerüst. Die Halle ist ordentlich mit Leuten gefüllt, zahlreich ausklinkende Fans rocken zu Kultklassikern der frühen TROUBLE-Alben („Bastards will Pay“) wie auf Teufel-Komm-Raus, selbst jüngeres Material aktuelleren Datums (When the Sky Comes Down“ ) wird begeistert vom heftig abgehenden Publikum angenommen. Mit „Supernaut“ wird eine gelungenermaßen BLACK SABBATH gehuldigt. Im Publikum das kräftig headbangend reihenweise ausrastet, gibt’s kein Halten mehr, das ist echter Heavy Metal, direkt von der Quelle! TROUBLE feiern ein nicht unbedingt erwartetes, dafür umso intensiverer in Erinnerung zurück bleibendes Erfolgserlebnis. Zahlreiche Metalheads haben Freude an dem Gig.

Neben uns wünscht sich eine blondgelockte Metallerin kurz bevor TROUBLE die Bühne verlassen „R. I. P“, und fast so, als hätte die Band ihren Wunsch erhört, wird es im nächsten Augenblick tatsächlich zum krönenden Abschluß eines ungemein mitreißenden Sets vor hochmotiviertem Publikum als Zugabe von der Band gebracht. Wir erblicken Szenekapazität Götz Kühnemund im Publikum, der sich öfters ein breites Grinsen nicht verkneifen kann, während er sich mit bierseliger Mine im Takt mit dem Kopf nickend am Treiben auf der Bühne erfreut. Damit sollte auch dem letzten Zweifler bewusst sein, dass TROUBLE nach wie vor zur absoluten Crémé dé lá Crémé jener unentbehrlichen das Genre beeinflussenden Combos gehören, mit denen die Traditionsdoomfangemeinde rechnen muss! Die alten Recken haben einen Wahnsinns-Auftritt in der Posthalle hingelegt, der ihr treues Fanklientel komplett überzeugte und belegt, das sie es immer noch mächtig drauf haben. - Toll! Fazit: Ein Top-Auftritt, der alle drei Vorgängerbands in den Schatten stellte.

KADAVAR

Warum ausgerechnet das derzeit auf Tour befindliche Berliner Trio KADAVAR den Headliner-Slot vor Trouble bekam, ist mir ein wenig unverständlich. Es könnte möglicherweise damit zusammen hängen, das hinter dieser Ansetzung im Billing die Befürchtung steckt, Trouble würden ohne Eric Wagner weitaus weniger Leute als erhofft vor die Bühne ziehen. Noch sind zahlreiche Plätze in der Chill-Ecke belegt. Dieser Zustand ändert sich rapide als KADAVAR auf die Bühne kommen. Gitarre und Drums hallen in ohrenbetäubender Lautstärke durch den Raum. Nun verlassen auch die letzten hardcore-chillig im Stuhl abhängenden Besucher ihren Platz. Die Band hat den mit Abstand lautesten Sound des ausgeprägt retrolastigen Hammer of Doom-Freitags. Bis in den letzten Winkel dröhnen Gitarre und Schlagzeug, der näselnde Gesang kommt weiter hinten zum Teil etwas leise und extrem schwankend in der Lautstärke rüber. In der Mitte der Posthalle ändert sich das Bild gravierend. Der Gesang ist endlich besser zu verstehen. Das irgendwo in direkter Schnittmenge zwischen DEEP PURPLE, BLACK SABBATH, URIAH HEEP (und vereinzelt BLUE ÖYSTER CULT) liegende auf 70er-Hardrockwurzeln fußende Gebräu des Berliner Bärtetrios wird von einem zu späterer Stunde obschon sich die Reihen zu späterer Stunde tatsächlich etwas gelichtet haben) noch einigermaßen zahlreich anwesenden Publikum nach kurzer Aufwärmphase dankbar angenommen. Groover wie „Come Back Live“, „Doomsday-Machine“, „Liquid Dream“ und „Abra Kadabra“ bekommen gebührenden Zuspruch. Zum Ende hin wirkt die teilweise wie eine intensiv genutzte Proberaumsession zelebrierte Bühnenorgie des jammenden Lang Bärtetrios etwas stark ausufernd, ansonsten gibt’s am Gig so gut wie nichts auszusetzen. KADAVAR haben spürbar Eindruck beim HAMMER OF DOOM hinterlassen und sind ihrer Position durchaus gerecht geworden, wenngleich der eigentliche Tagesheadliner eindeutig die trotz zwiespältiger Meinungen im Vorfeld ungemein stark auftrumpfenden Traditionsdoomer TROUBLE waren!

Samstag, 15.11.2014 (Phase 2)

Hexenberge,  und ein oranger Kobold vor dem lädierten Kreuz

WUCAN

kommen aus dem Bundesland Sachsen, genauer Tharant. Zumindest laut Augenzeugenberichten soll die Band vor gut gefüllter Halle einen Hammergig abgerissen haben, der verstärkt Zugaberufe forderte. WUCAN werden sogar als einzige der ersten vier Bands zur Zugabe gebeten. Zeitweise fühlte man sich wie mir einige Leutchens erzählen, an JETHRO TULL erinnert, zumal Frontfrau Francis beeindruckende Kostproben ihrer Fähigkeiten an der Querflöte gibt. Dazu gesellen sich ein lockeres Bluesfeeling, sowie indirekte vorhandener Nähe zu stilistisch ähnlich gelagerten Acts wie BLOOD CEREMONY und 70er-Jahre Hardrockeinschlag Marke RAINBOW & Co. . Während ihres Gigs zeigte sich die gesamte Band inklusive Frontsängerin sehr überrascht und hocherfreut, vor ungewohnt zahlreicher Kuttenträgerschaft aufzutreten. (O-Ton des Verfassers dieser Zeilen mit einem direkten Augenzwinkern zu den Schilderungen der Berichtenden: „Na, haben wir da nicht zumindest ein wenig übertrieben?“)

Wie auch immer, davon ausgehend haben WUCAN einen Topstart in den Samstag hingelegt, womit die nachfolgenden Bands einiges leisten müssen.

MIST

sind kein Mist, outen sich als solider BLACK SABBATH / CANDLEMASS-Klon, in weiblicher Besetzung plus männlichem Bandmitglied. Die Slowenen combo kämpft sich passabel durch ihr Material, bekommt immerhin Applaus und anerkennendes Kopfnicken für einen zumindest in Ordnung gehenden, zur Kenntnis genommenen Gig. Bezeichnendermaßen darf ein zum Ende ihrer Performance gebrachtes CANDLEMASS-Cover („Bewitched“) nicht fehlen.

DOOMOCRACY

Wortspiele und Griechenland. Welch passende Kombination. Direkt aus dem Ursprungsland der Demokratie sind DOOMOCRACY in die Residenzstadt gekommen, um einige Kostproben ihres Könnens zu geben. Die Burschen aus Heraklis zelebrieren emotional schwerblütig düster beladen harte Doomkost im beschwörerischen Dunkelgewand, wobei deren Hauptaugenmerk in erster Linie zwischen CANDLEMASS/SOLITUDE AETURNUS liegend allen voran die Anhängerschaft genannter Epic-Lavastrom-Aushängeschilder überzeugt. Das Team von Shouter Michael Stavrakakis und Gitarrist Harry Dokos gibt eine zuweilen respektable Visitenkarte ab, zwar nicht überragend, doch immerhin grundsolide, wobei sich spätestens danach die Frage stellt, warum diese Band in unseren Breitengraden so wenig Bekanntheitsgrad besitzt. Ein Zustand, an dem sich infolge des engagierten Auftretens beim Hammer of Doom vielleicht etwas geändert haben dürfte. Im Gedächtnis bleibt das Wort „Geheimtipp“ zurück!

EPITAPH

spalten das Publikum, was in erster Linie an Fronter Emiliano Cioffi liegt, der heftig derbe Grimassen schneidend auf der Bühne einen geradezu waschecht wirkenden Psychopath abgibt, wie er im Buche steht. Die Band kommt mit ihrer übertrieben reißerischen Show nicht so gut an, das Publikum wirkt stellenweise nachdenklich bis ratlos. Ähnlich bissig, hochgradig theatralisch veranlagt wie sein englisches Pendant in Gestalt von HELL Vocalist David Bauer gibt sich Cioffi's wilder Slalom zwischen Mikroständer, Grablichtern, Kreuz inklusive theatralisch mit einem Totenschädel gestikulierend exzentrischer Show. Immerhin weiß ein kleiner Teil des Publikums etwas damit anzufangen, der Groß schaut ratlos zu oder macht einen Gang zur Getränketheke, fährt sich etwas zu Essen rein, wandert zu den Verkaufsständen oder begibt sich zum Frische Luft Schnappen direkt nach draußen... und wenn die Gitarren noch so krachen! Das Italienische Kauzdoomquartett hinterließ, soviel ist sicher wie das Amen in der Kirche, fragende Gesichter in Serie und zwiespältigen Eindruck.

Danach wird’s verständlicherweise wieder um einiges leerer, während ein vielseitiger Metalmarkt (dessen Artikelauswahl für jeden etwas bereithält), Essensstände, Biertheke, Chill-Ecke und ein Besuch an der frischen Luft, um schnell mal eine zu qualmen oder gepflegten Plausch im freien zu führen, den überwiegenden Teil des anwesenden Besucherfanklientels vom Bühnenbereich weglocken. Dieser Eindruck muss sich zunächst einmal (gedanklich) setzen. Der Pausenaufenthalt zwecks Durchatmen wird demzufolge unumgänglich.

„Das Hammer of Doom ist sehr Frauenlastig, nicht nur das Publikum.“ (O-Ton: Jana), der Blick auf’s Billing bestätigt diesen Gesamteindruck: Das Hammer of Doom 2014 steht wie sich deutlich feststellen lässt, diesmal verstärkt im Zeichen der Frauen. Daneben weist es viele ungewöhnlich seltene Perlen auf - Gut so!

MOUNT SALEM

Rechtzeitig in der Halle zurück, wollen wir uns das Gastspiel der ebenfalls mit einer Frau an der Spitze agierenden Retro-Doomster MOUNT SALEM, nicht entgehen lassen. Die Band zeigt sich spieltechnisch einwandfrei. Frontfrau Emily Kopplin ist für den Gesang zuständig und bedient nebenbei die Orgel. Bedauerlicherweise gehen die 45 der Band zur Verfügung stehenden Minuten wieder viel zu schnell vorbei. MOUNT SALEM-Fronthexe Emily Kopplin setzt ihr hell tönend weiches, klares Stimmvolumen, das sich stimmlich kaum, allenthalben geringfügig nur unwesentlich schwächer klingend, von einer ihr artverwandten Sangeskollegin des Kalibers Jessica Toth unterscheidet effektiv ein. Obwohl häufig am Keyboard schafft sie es, sich auf ihren wunderschön reinen Klargesang zu konzentrieren. Musikalisch führt die Reise des Vierers zu den frühen BLACK SABBATH und PENTAGRAM, deren Spirit die Band permanent am Stück versprüht. Daneben kristallisieren sich Einflüsse zu genreverwandter Kollegenschaft wie JEX THOTH, UNCLE ACID & THE DEADBEATS, WITCH MOUNTAIN, AVATARIUM und ROYAL THUNDER heraus. Bei Düster zelebrierten Vintage- Psychedelic-Okkultmessen wie „The Tower“,, „Mescaline II“ und „Fullmoon“ laufen wellenweise wohlig warme Schauer über den Körper. Saitenakrobat Kyle Morrisson der halbnackt und tätowiert auf der Bühne steht (ist das nicht auf Dauer etwas kalt?) blüht vertieft in sein dynamisch fließendes LeadGitarrenspiel im 70er- Modus richtig auf. Die Rhythmussektion in Person von Mark Hendt (Bass) und Cody Davidson (Schlagzeug) spult ihren Part druckvoll und sicher ab. So geschmeidig elegant wie MOUNT SALEM rocken im derzeit restlos überlaufenen Retrosektor nur ganz wenige Combos. MOUNT SALEM rufen gespaltene Reaktionen hervor. Ihr düster okkult spirituelles Gebräu wird von einem Teil der anwesenden staunend beobachtet, im vorderen Bühnenbereich wird im Rhythmus gebangt.

Entsprechend geteilt fallen die Reaktionen aus, während und im Anschluß der Vorstellung beschleicht uns ein ums andere Mal das Gefühl, das nach MOUNT SALEM trotz guter Leistung eine kräftige Steigerung folgt. Nach Ende der Session sind wir uns einig, das MOUNT SALEM uns gefallen haben, obwohl heute noch etwas mehr geht, weil gerade mal zur Hälfte durch, ab dem Laufe des frühen Abends ein richtig heftiges Restprogramm folgt. Ein kunterbunt gemischtes Billing, das es laut bestehenden H.O.D.-Modus gewaltig in sich hat.

HAMFERD

spalten wie Mount Salem direkt zuvor die Publikumsreaktionen gravierend. Vom Start weg präsentieren sich die Musiker im konträr ihrer Musik entgegen wirkend grässlichem Bieder-Outfit mit Anzug, Schlips und Fliege, was erste Fragezeichen aufwerfend, längst nicht unbedingt eines jeden Geschmack trifft. Unabhängig davon lockt die Band ein bunt gemischtes Völkchen vor die Bühne. Neben der Funeraldoomfraktion finden sich vereinzelt Gothic, Dark, Black-, Deathmetaller und schwarz/weiß angepinselte Mondgesichter im Publikum. Die Faröer Funeral-Doom-Deather wissen mit ihrem Auftritt zu gefallen, wenngleich tiefe Deathgrowls nicht unbedingt eines jeden Sache sind. Dunkel und schwer suchen sich tiefergelegte Gitarren und kalte Dunkelheit erzeugende Soundwände sowie geisterhaft bizarres Geisterflair, Projektionen nebelumhüllter Eislandschaften auf hartem Gestein in tiefen Morast ihren Weg in der Posthalle. Dumpf dröhnend hämmert sich das Schlagzeug ins Gehör. Obwohl das nach ANATHEMA, MY DYING BRIDE und PARADISE LOST klingende von Folkanteil, Progeinschüben und heroischem Gesang begleitete Düsterdoomgebräu mit färöisch-kulturgeschichtlichem Inhalt nicht überall auf begeisterte Ohren stößt, kann der Band attestiert werden, das sie mittels ihrer couragierten Darbietung weitere neue Fans hinzugewonnen hat.

Nach einem kurzen Mahl beim Chinesen wird es Zeit, pünktlich in die Halle zu kommen. Düster, Majestätisch, erhaben und erlesen geheimnisvoll präsentieren sich die Lovecraft-beeinflussten Ambient-Dark/Doom/Death/Blackmetaller:

THE RUINS OF BEVERAST

und stoßen dabei auf reichlich Interesse, wobei sich der Großteil des bunt gemischt lauschenden Völkchens weitestgehend zurückhält. Selbst die Mondgesichter verhalten sich auffällig still. Wir werden Zeuge einer schwarz gefärbten Atmosphäre, deren Silhouette sich wie ein Schleier purer Dunkelheit in die Posthalle senkt. Der majestätische Düster-Ambient-Folk Horror/Dark/Blackmetal zieht zahlreich Neugierige in seinen Bann. Es ist überraschend mucksmäuschenstill, während die Band auf der Bühne steht. Niemand sagt etwas, einige ganz wenige bewegen sich zur Musik. Nach ihrer zeitweise extrem beklemmendes Düsterphärenlevel erreichenden Show ernten THE RUINS OF BEVERAST verdient heftigen Applaus. Einmalig, außergewöhnlich, erlebnisreich, mit echtem Seltenheitswert direkt aus dem Herz der Finsternis. Majestätisch, Erhaben!

AVATARIUM

Leif Edlings Zweitspielwiese neben CANDLEMASS entpuppt sich als voll und ganz eingespieltes Ensemble, wobei der Mastermind als Produzent (vertreten durch TIAMAT-Bass-Schwinger Anders Iwers) durch Abwesenheit glänzt, statt in eigener Person auf die Bühne zu gehen. AVATARIUM sind, wie schnell klar wird, (neben den ebenfalls ziemlich erfolgreich auf dem Markt eingeschlagenen Engländern Death Penalthy) zur Zeit vielleicht die Band der Stunde! Anders lässt sich die gewaltige Euphorie wohl kaum erklären, mit der AVATARIUM die Posthalle mühelos im Griff haben. Das Publikum ist völlig ergriffen von der Eleganz und effektiven Dynamik mit der sich immens kraftvoll fett rockende Nummern wie das episch-pathetisch verträumte Sahnehäppchen „Moonhorse“, „Pandora's Egg“,  "Tides of Telepathy" oder „Bird of Prey“ durch Mark und Bein grooven. Die Gitarre drückt ausnahmslos fett, der Bass pumpt schwerfällig, das Schlagzeug knallt heftig. Wellen permanent wohlige Schauer über den Rücken jagenden Düsterflairs breiten sich aus. Atmosphäerischer Epic-Melancholic-Doom-Wahnsinn vom Feinsten. Ganz großes Kino, was der Schwedentruppe vor einem komplett außer Rand und Band geratenden Publikum gelingt, das jeden auch noch so kleinen Takt förmlich inhaliert! Da wird der Spirit von JETHRO TULL, BLUE ÖYSTER CULT, BLACK SABBATH und RAINBOW in Verbindung zu Endsechziger Vibes auf abstrakt eigentümliche Weise lebendig!

Sobald die enorm das Publikum pushende Blonde Sängerin Jennie Ann Smith sich ins Theatralische hineinsteigert, wobei der Kosmos in und um die Band regelrecht explodiert, ehe sie zur Akkustikgitarre greifend in melancholisch verträumte Welten gleitet, verbreitet sich schaurig schöne Schummeratmospäre im Grußelformat. Hell Yeah! AVATARIUM sind ein wahrer Segen für die Epicdoomabteilung. „All I want“ von der aktuellen Mini-EP fügt sich problemfrei als weiteres Edeljuwel nahtlos in den Reigen ein. So ergreifend heavy groovend schön kann Düster(Melancolic)-Epic-doom sein!

Den gelungenen Schlussakkord einer Vorstellung, bei der die gesamte Halle tobt (!) setzt die von allen aus heißerer und klarer leise oder lauter Kehle inbrünstig mitgesungene Bandhymne „Avatarium“. Und wenn jetzt noch einer meint, Jennie-Ann Smith stünde namhafteren Kolleginnen auch nur in irgendetwas nach, dann hat er etwas verpasst oder den falschen Zug erwischt! Wer eine atemberaubend herzerfrischend auf's Publikum schielende Performance mit soviel Herzblut und Leidenschaft auf die Bühne bringt, wie diese Frau, kann eigentlich nur gewinnen, das ist Jennie Ann Smith und AVATARIUM (feat. Candlemass' Leif Edling), heute Abend nach allen Regeln der Kunst richtig superb gelungen!

Das bisherige Sahnehäppchen eines unglaublich vielseitigen Hammer of Doom-Festival-Samstages. Ebenso wie die stimm- und charakterlich vielseitige Sängerin wird auch ihre Band vollständig umjubelt und darf sich, - soviel steht bereits vor den zwei letzten Bands fest, unweigerlich als Gewinner des Hammer of Doom fühlen. Ein tiefgreifend berührender Auftritt auf oberstem Niveau, der in selten befahrenen Doom-Randgebietsbereichen schippernd, ein wenig Licht der Hoffnung ins Meer der Dunkelheit streute, unübersehbar Spuren hinterlassend, zum ultimativen Festivalhöhepunkt wurde. Phantastisch!

Alkoholfreies Bier und (Hefe)Weizen schmecken erfrischend. Weiter geht’s mit:

ORANGE GOBLIN

Der orange Kobold bittet 60 Minuten zum Tanz und startet zunächst ein wenig schwerfällig. Live präsentiert sich das 1995 gegründete seitdem bis heute in unveränderter Originalbesetzung agierende Stonermetalquartett (Respekt!) aufgrund seines räudigen Feelings in ähnlich rauer Intensität wie Lemmy’s Motörhead, was zahlreiche Besucher in die Halle lockt. Anfangs noch ein wenig schwerfällig, steigert sich die Truppe Schritt für Schritt beständig weiter, die Fans ballen massenhaft Fäuste, zeigen Hörnergabeln und bangen in der ab Song drei gegen 21:30 zunehmend einem Hexenkessel gleichenden Posthalle mit Shouter Ben Ward um die Wette! Frisch aktuell veröffentlichter Stonerkraftstoff vom Prägesiegel „Sabbath Hex“ „The Devil's Whip“ und „Heavy Lies the Crown“ erzielt live mindestens genausoviel effektive Breitenwirkung wie das gängige, stets unverzichtbare Material im ORANGE GOBLIN-Liveset. Bewährte Stonergroovewalzen älteren Semesters im puren MOTÖRHEAD trifft SPIRITUAL BEGGARS-Stil wie „Some You Win, some you loose“ oder „Getting High on the Bad Times“ sorgen für mächtig viel Kick im Publikum. Ein ganzes Heer eifrig rotierender Matten bedarf keiner weiteren Beschreibung! Das Publikum frisst den Briten völlig aus der Hand. Sämtliche Nummern in massiv heftig derb gefahrener Lautstärke dargeboten, werden gleichermaßen enthusiastisch abgefeiert, wobei das breite Sammelsurium aus Stoner, Doom, blueslastigen Wurzeln, Hardrock, Heavy Metal, Blues, Rock n‘ Roll, Thrash und noch so vielen Schattierungen mehr sich komplett in die Herzen eines restlos überzeugen Posthallenpublikums hinein spielt. Ben Ward ist eine Rampensau von echtem Schrot und Korn! Der Shouter besitzt das tiefstimmig kratzend rohe Gesangsorgan, vor dem sich noch immer zahlreiche Elterngenerationen um ihre zielstrebig von der Kirche zur Freiheit und Rebellion des harten Rock n' Roll-konvertierten Kinder sorgen. Seine Prachtmähne wild schwingend, kraftvoll ins Mikro bellend, häufig Kontakt zum Publikum suchend brüllt und röhrt sich der ORANGE GOBLIN-Frontkämpfer durch einen immer besser werdenden Gig. Joe Horare ist ein Ausnahmekönner an der Klampfe. Der kleine Gitarrist holt serienweise abgefahren quietschend schräge Leadsoli aus dem Instrument und posiert bei aller Kunst auch noch wie ein Großer, - da macht Zuschauen und Headbangen gleichermaßen Freude! Drummer Chris Turner und Bassist Martin Millard sind ein perfekt aufeinander abgestimmtes Duo, womit auch für einen jederzeit kompaktes Fundament gesorgt ist. So intensiv brachial druckvoll fett ausgesteuert voll auf die Ohren donnern nur echte Heavy Metal-Gitarren und Drums aus den Verstärkern! Auch meine Wenigkeit ist beeindruckt von den Fähigkeiten der Band, die sich trotz der Tatsache, das sie die Gemüter spaltet, ein weiteres Mal als ganz sichere Bank erweist. Entweder ja oder nein, ein „jein“ gibt es bei ORANGE GOBLIN definitiv nicht, und auch keine Debatte! Die Mehrzahl der Gäste steht deutlich auf der bejahenden Seite, was auch die spätestens zur Hälfte der Spielzeit regelrecht überschäumende Stimmung bestätigt. ORANGE GOBLIN erweisen sich nach dem zuvor noch feinfühlig in sensible Gefühlswelten eintauchenden Avatarium-Gig als der alles überrollende Kontrapunkt, den ein vielseitiges Festival wie das Hammer of Doom braucht!

Während ORANGE GOBLIN noch spielen, bekommt der Rezensent dieser Zeilen vor dem Gang zur Getränketheke die CD einer Doomband zum Reviewen geschenkt, was ihn besonders freut. Danke noch einmal dafür!

Nach der ausnahmslos knüppelharten Abfuhr (Stonermetal ist, - soviel sei an dieser Stelle angemerkt - nicht immer nur schleppend langsam; geschweige todlangweilig - dank ORANGE GOBLIN, geht es, wie deren Vorstellung zeigte, mitunter auch gewaltig flott zur Sache!) Nun wird es Zeit, letzte Kraftreserven zu schöpfen, ehe der mit einem nicht unerheblichen Makel belastete Headliner auf's Parkett kommt. ORANGE GOBLIN haben trotz bewegender Avatarium-Show die Bühne freigeblasen. - Alles richtig gemacht, Herr Weinsheimer!

Nachdem der Orange Kobold so mächtig in der Halle gewütet hat, steigt die Spannung nun auf dem vorab mit einem heftigen Makel belasteten Headliner.

Kurz vor dem SAINT VITUS-Gig spricht mich ein genervter Belgier an, der etwas angepisst wissen möchte, was ich vom Gastspiel der Chandler-Crew halte. Das sei ohne Frontsänger Vino für ihn kein Saint Vitus, wobei er es vorzieht, an der Theke kleben zu bleiben. Ich antworte ihm, das ich mir den Gig auch ohne Wino gebe; es zwar schade finde, was jedoch nicht zu ändern ist, und das dort immerhin dennoch Saint Vitus auf der Bühne stehen, wenn auch nicht ganz vollständig zu 100 %, womit ich ihm zu einem gewissen Grad zustimme und das es mich trotzdem reizt, mir den Gig zu gönnen. Er schüttelt nur mit dem Kopf, meint, das sei nicht Saint Vitus, ohne Wino. Der solcher Aussagen inklusive Murrens überdrüssige Rezensent denkt sich lächelnd seinen Teil. *Innerlich Kopfschüttel*, darüber, warum SAINT VITUS so häufig auf Wino reduziert werden. Wie oft musste ich mir solches Gesabbel heute schon anhören? Irgendwann hab' ich aufgehört zu zählen. Mit verstecktem Augenzwinkern sei müde grinsend am Rande bemerkt: Vor der Wino-Ära gab's schließlich noch einen Scott Reagers... (der bei Die Hard-Anhängern und SAINT VITUS-Fans erster Stunde in jeder Hinsicht unanfechtbaren Kultstatus genießt.)

SAINT VITUS

Beginnen wir zunächst mit einer simplen Rechnung: 100 – 25 = 75, das ergibt ¾ vom Ganzen = 75 %. Mit anderen Worten 25 % von 100 fehlen, in diesem Fall macht sich der Unterschied auf Dauer gesehen durchaus gewaltig bemerkbar, kann aber wenigstens immerhin noch einigermaßen kompensiert werden. Wie viele Leutchens kommen mir besorgt entgegen und mosern herum, ST. VITUS, ohne Wino, - geht das? Natürlich geht das, wenngleich nicht ganz so ausgeprägt wie gewohnt. Dave Chandler ist und bleibt die tragende Persönlichkeit hinter ST. VITUS. Fast alle ST.VITUS- Texte stammen aus seiner Feder. Trotz des Ausfalls von Wino, der nicht nur dem genervten ST. VITUS-Mastermind und den Fans verständlicherweise gewaltig stinkt, (wie war das noch mit dem ich-bin clean, keine-Drogen-mehr-Gehabe – um dann erneut rückfällig zu werden?) ist ein SAINT VITUS Gastspiel etwas Besonderes. Diesmal eben mit keines wegs erwünschten Begleitumständen: Der wegen Drogenbesitzes festgenagelte in die USA deportierte SAINT VITUS-Sänger wurde mit Einreiseverbot belegt. (Crucifix & Sch....e nocheins!!!) Wino, hör' auf mit den Faxen, finde endlich zu dir selbst!

Trotz der Tatsache, das er in einer schwerblütig langsamen Slo-Mo-Band seine Axt bearbeitet, spielt Dave Chandler wesentlich schneller als ganze Heerscharen von Thrash/Death-Gitarristen. Zunächst werden zwei Tracks rausgefeuert, die auch für SAINT VITUS-Verhältnisse ungewöhnlich gewaltig auf den Knüppel-Thrashsektor schielen, (wobei mir diesmal aufgrund solch ungewohnt heftiger Eile entfiel wie sie hießen, - ist auch egal), statt in zähfließender Lavastromstruktur monumentale Schwermut erzeugen! Die Musiker sind, was ihnen deutlich anzumerken ist, mit der Situation unzufrieden. Ohne ihren etatmäßigen Sänger zum Sondergig des 35-jährigen Bestehens der als Krönung mit Headlinerstatus auf dem HAMMER OF DOOM gedacht war, anzutreten, hat schon im Vorfeld die Stimmung der Fans gespalten, - eine ziemlich elektrisierende, keinesfalls immer freundliche Atmosphäre liegt in der Halle. Während der eine Teil der SAINT VITUS-Anhängerschaft headbangend Kräfte freisetzt um sich der Musik zu widmen, übt sich der andere im Trübsal blasen, Bierbecher stemmen, Seltsam-durch-die-Gegendglotz-Ästhetik und Däumchendrehen. Wie umwerfend ist das denn? Einsamkeit, Depressionen, Gesellschaftlicher Substanzverlust, erdrückende Grabesstimmung – passend zur Musik der Band senkt sich in dieser Nacht eine tiefschwarze Silhouette dunkel-negativer Gefühle und Empfindungen über das Publikum, obgleich Dave Chandler mit seiner Wortwahl direkt ehe der Auftritt von SAINT VITUS beginnt, den Nagel mitten auf den Kopf trifft: „This is a weird Show!“ Definitiv! Genauso verrückt wie das gesamte Drumherum, Punkt.

Drummer Henry Vasquez drischt so heftig brutal auf Becken und Felle, das es permanent donnert und kracht. Das Gesicht des mit frostiger Mine hinter seinem Drumkit sitzenden Hünen, spricht Bände. Am liebsten würde der massige SAINT VITUS-Drummer, dessen Stimmung sich nur unwesentlich bessert, sein gesamtes Arbeitsgerät im Boden versenken! Während des Gigs verbraucht der intensiv arbeitende Stöckeschwinger locker zwei Drumstickpaare. Wenn das mal reicht, vielleicht waren's gar doppelt so viele, die er flugs zum schnell reagierenden Bandroadie rüberwirft, um gleich darauf das nächste Paar Klöppel in Empfang nehmend gnadenlos weiterzumachen! Selbst dem Ruhepol des US-Vierers, Basser  Mark Adams, der sein Langholz bis zur Schmerzgrenze quält, ist die ziemlich unbefriedigende Situation anzumerken.

Allen drei Musikern gehört meine Anerkennung. Am allermeisten traurig ist es für Dave Chandler. Das hat einer wie er nicht verdient. Auch wenn viele nur die Oberfläche sehen, sollte folgender Fakt keineswegs unberücksichtigt bleiben: Hauptsongwriter von ST.VITUS ist Dave Chandler, ohne dessen harte und fleißige Arbeit die Band überhaupt nie den Status besitzen würde, den sie heute innerhalb der Traditionsdoomszene hat! Wer meckert, ist bloß zu faul, sich Gedanken zu machen. Soviel dazu. Dave Chandler wird, nachdem sich die Band ihren Anfangsfrust zunächst einmal von der Leber „gethrasht“ hat, zunehmend besser. Der Gitarrist übernimmt neben der Axt nun selbst den Gesang, jetzt kommt endlich die lang erhoffte Doomatmosphäre auf, zähfließende Schwere liegt in der Luft. Der Virtuose bearbeitet seine Axt mit den Zähnen, spielt über dem Rücken, zeigt einige Kostproben seines enormen Könnens. Er könnte sein Instrument mit verbundenen Augen bearbeiten und würde das Griffbrett immer noch traumhaft sicher beherrschen. Das zeigt, was für ein Top-Ass und echter Weltklassegitarrero Dave Chandler ist, der mir heute aufgrund der kurz vor dem Gig sich ergebenden Situation ziemlich leid tut. Überhaupt besitzt der Gig einige recht merkwürdige Nebeneffekte. Die Stimmung in der Halle wirkt aufgeladen, trotz ST. VITUS Klassikern wie "White Stallions" "I Bleed Black", "Living Backwards" und "Clear Window Pain", zeitweise auch etwas verkorkst. In der Halle lassen kleinere Die-Hard-Fanpulks eifrig ihre Mähne rotieren und tun somit das einzig richtige: Die Band trotzdem abzufeiern als wäre sie heute komplett. Im Gegensatz dazu bietet sich noch ein weiteres, völlig anderes Bild: In der Mitte bildet sich ein kleiner Pit, in dem blöd sinnigerweise gepogt wird, zwei Aushilfssänger (in Person von Sacred Steel/Dawn of Winter-Vocalakrobat Gerrit P. Mutz, der genauso wie SAINT VITUS Manager John Perez, zugleich auch Solitude Aeternus Gitarrist, der Band hilfreich unter die Arme greifend, nebenbei bemerkt, einen Wahnsinnsjob hinlegt)  trösten zumindest bedingt darüber hinweg. Dennoch: Wino ist ein heute fehlender nicht unerheblicher Bestandteil der Band; Daran gibt es schlichtweg nichts zu rütteln. Warum allerdings ein paar wirrköpfige Idioten aus dem Publikum mit zunehmender Spieldauer ständig „Free Wino“ rufen, leuchtet hingegen kaum ein, sondern schmerzt. Wie inkompetent dass es zum Schreien wehtut, muss man sein, um die Situation zu erkennen? Leidtragender ist Bandgründer, dies sei nocheinmal speziell betont: Hauptsongwriter Dave Chandler. Vor allem geht es kaum an ihm vorbei, der sich redlich müht, dem man den Frust jederzeit anmerkt, ist mit der Doppelaufgabe von Gitarre und Gesang belastet genug, da stellt sich die Frage: Müssen solch überflüssig dumme Aktionen sein? Wer die Band für das von Wino verursachte Malheur negativ kritisiert, sollte sich gerechterweise einmal mit folgender Frage beschäftigen: Was hätte derjenige an seiner Stelle getan?

Dave Chandler blieb in diesem Fall überhaupt keine Wahl. „Born too late“ und „Saint Vitus“ bringen den Die-Hardfanblock heftig zum Rübeschütteln, wobei zumindest ein kleines, umso treuer zur Band stehendes Fanklientel frenetisch die Haarmähne fliegen lässt, streichen SAINT VITUS eine halbe Stunde früher als erwartet zur Enttäuschung ihrer Fans abrupt die Segel, traurig aber nicht zu ändern. Der Blechgrammy für die schlechteste Performance geht an die gedankenlose „Free Wino“-Sektion. Welch ein Bullshit! Die Umstände waren einhellig bekannt. *Kopfschütteln*. Hoffentlich sind nächstes Mal die Voraussetzungen günstiger. Wenigstens wurde der Gig nicht bereits im Vorfeld gecancelt. SAINT VITUS sind schließlich nicht 'Cancelmass'.  Der Auftritt von SAINT VITUS, dem einzig wahren, vielleicht bis heute unbestreitbar legitimen BLACK SABBATH-Erben, so sehr wir echten Doomlunatics diesen genialen US-Kult-Vierer mögen, hat aufgrund früheren Abbruchs trotz Berücksichtigung unglücklicher Umstände nicht nur bei mir etwas faden, reichlich seltsamen Beigeschmack hinterlassen. Im Rahmen eines besonderen Anlasses wie diesem es handelte sich immerhin um einen Headlinerauftritt anlässlich des 35-jährigen Bandjubiläums!) hätte man sich wirklich ein anderes Bild gewünscht. Vielleicht holen SAINT VITUS den Auftritt bei passender Gelegenheit nach. Dafür wäre ein Headlinerslot auf der nächst anstehenden Tour (wann und wo immer das auch sein wird), erforderlich. Zurück bleibt das nur bedingt zufrieden stellende Gefühl eines zumindest noch einigermaßen soliden, knapp geretteten, um dreißig Minuten verkürzten Auftritts mit phasenweise verkorkster Stimmung, der zwischenzeitlich die Fanreihen extrem polarisierte, während sich unheilige Schleier von Finsternis ausbreiten. Abrupt folgt der Schluß: statt in einem lauten Knall zu explodieren mit einem stillen, wesentlich früher als vom Publikum erwünscht kaum in solcher Form erwartet vorgezogenen Ende. Unbeabsichtigt oder bewusst gewollt? Reichlich egal. Wer's genauer wissen will, darf sich entsprechend selbst einen Reim drauf machen.

Nachwort zum Festival:

Trotz des in dieser Form unerwarteten Abschlusses freuen wir uns auf’s nächste Hammer of Doom mit hoffentlich wieder ebenso kauzig schrägem Doomsalat. Unser Dank für einen Klasse-Event geht an Oliver Weinsheimer und sein gesamtes Team für ein fanfreundliches in jeder Hinsicht fair gestaltetes Festival mit reibungsloser Organisation und jeder Menge tollen Bands, das wieder ein komplettes Erlebnis-Wochenende wert gewesen ist. Nicht umsonst ist und bleibt das HAMMER OF DOOM neben dem KEEP IT TRUE, HEADBANGERS und METAL ASSAULT unser Lieblingsfestival!

Hießen die Sieger im Vorjahr: Ashbury, Orchid, Year of the Goat und Procession sind es anno 2014: AVATARIUM, ORANGE GOBLIN, TROUBLE, JESS & THE ANCIENT ONES, MOUNT SALEM und mit Abstrichen auch der Headliner SAINT VITUS (der Umstände geschuldet leider ein wenig zu kurz!) Halbgar solide bis durchwachsenen, teils auch extrem zwiespältigen Eindruck hinterließen MIST, EPITAPH, DOOMOCRACY und WOLVE SPIRIT.

Fotos: Melissa Hart

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