Sticky Fingers - Göteborg

Interview vom 27.09.15
Interviewpartner: Elias Leijon ("Mädchen für Alles" im Klub "Sticky Fingers")

Homepage:
Sticky Fingers

Im Vorfeld des Korpiklaani Konzerts (siehe Bericht unter Live-Reviews) hatte ich die Möglichkeit Elias dem „Mann für alle Fälle“ im Sticky Fingers zu treffen. Das Sticky Fingers ist ein Klub, in dem viele gute Konzerte und andere Events stattfinden und dem eine sehr nette und entspannte Atmosphäre herrscht. Für all diejenigen, die demnächst mal in Göteborg sind, informiert euch gerne auf der Homepage über anstehende Konzerte und andere Events und stattet dem Laden einen Besuch ab.

FFM-Rock: 
Hallo Elias, schön, dass du Zeit hast und wir uns ein wenig über Sticky Fingers, Musik und Göteborg unterhalten können. Willst du vielleicht zunächst einmal unseren Lesern mitteilen, wer du bist?

Elias:
Absolut. Elias Leijon heiße ich und arbeite seit 4 Jahre hier im Sticky Fingers. Ich habe Event Produktion studiert und Musikmanagement, hab u.a. für Getaway Rock Festival gearbeitet, habe Bühnen aufgebaut und war immer schon an Musik interessiert. Früher habe ich auch selber Gitarre in einer Band gespielt. Ich habe viele gute talentierte Bands kommen und vor allem auch wieder gehen sehen, was schade ist, aber mich zu der Erkenntnis gebracht hat, dass es heutzutage sehr schwer ist, als Musiker zu überleben.

FFM-Rock:
Deine Favoritbands?

Elias: 
Zzt. Höre ich viel Killing Joke und Rush… aber auch Type O Negative, Sentenced, Amorphis, aber natürlich auch Iron Maiden und Metallica bis hin zu No Doubt.

FFM-Rock: 
Wie sieht denn dein Arbeitsalltag aus?

Elias: 
Sehr unterschiedlich. Ich arbeite ja einerseits im Büro meistens Montag, Mittwoch, Freitag tagsüber und dann andererseits die Abende bis in die Nacht hinein im Club.

Büroalltag sieht im Großen und Ganzen so aus, dass ich über Soziale Medien und/oder Freunde versuche neue lokale Bands aufzutun, die dann hier im Sticky Fingers auf der kleinen Bühne im Paterre auftreten. In der Regel haben wir 5 Bands pro Woche, eine am Donnerstag und je 2 am Freitag und Samstag. Dabei gibt es immer 2 Aspekte zu beachten, die leider nicht immer Hand in Hand gehen: zum einen sollte die Band gut sein, aber andererseits eben auch genug Publikum ziehen. Die Bands spielen ja für eine kleine Gage und das muss sich für uns rechnen. Die erste Stundenach Öffnung der Türen haben wir freien Eintritt und danach Kosten die Tickets zwischen 60 und 100 Kronen (Anmerkung des Redakteurs: 100 SEK sind zum Zeitpunkt dieses Interviews ca 10,70 EUR) und auch wenn wir da keine großen Gagen zahlen, müssen die ganzen Nebenkosten wieder reinkommen.

Wenn es um größere Bands geht, die im obersten Stock auf der großen Bühne auftreten haben wir 50% Gigs, die wir selber arrangieren und 50% wo sich eine andere Agentur im Sticky Fingers einmietet. Letzteres bedeutet natürlich weniger Arbeit für mich.

Bei den eigenen Gigs bin ich Mädchen für alles, von der Promotion über Catering und sich um die Bands kümmern bis hin zum letzten Mann der in der Nacht die Tür abschließt.

Was auch vorkommt ist, dass ich Agenten von Bands kontaktiere und nachfrage, ob demnächst eine Tour ansteht und ob es interessant sein könnte hier im Sticky Fingers aufzutreten wie zB im Fall Killing Joke. Die bringen noch dieses Jahr eine neue CD raus und wer weiß, vielleicht bekommen wir sie ins Sticky Fingers nächstes Jahr. Ich bin da auf jeden Fall dran. Aber das ist auch immer eine Frage der Gage… idR bezahlen wir nicht mehr als 60.- 70.000 Kronen, da wir die Ticketpreise auf einem vernünftigen Niveau halten wollen. Selten liegen wir da über 300 Kronen und noch nie hatten wir 400 Kronen als Eintritt. Bei einer Kapazität von 400 Personen sind da schnell die Grenzen der Gage erreicht.

Hat man Glück, dann bekommt man große Gigs, wie zB vor 2 Jahren Bad Religion, die aufgrund von konkurrierenden Events kein großes Konzert in Göteborg spielen durften und so spielten sie im Sticky Fingers. Das Konzert war innerhalb von 4 Stunden ausverkauft, was für uns Rekord ist. Ein anderes Beispiel waren Machine Head letztes Jahr. Die hatten zu dem Zeitpunkt keine neue CD zu promoten und spielten hier vor ausverkauftem Haus.

FFM-Rock: 
Ich habe Sister Sin hier im kleinen unteren Club gesehen und war darüber etwas verwundert?

Elias: 
Ah ja, Sister Sin sind so ein wenig in der Mitte und nächsten Mal wird es wohl Zeit, die Band oben auftreten zu lassen. Das ist halt auch immer eine Kostenfrage, da wir unten immer aufhaben und oben bedeutet das immer gleiche zusätzliche Kosten für Techniker, Security und die ganze Produktion und das muss sich alles rechnen.

FFM-Rock: 
Stimmt es, dass manche Bands etwas kuriose Wünsche haben rund um das Konzert?

Elias: 
Ja klar. Zunächst einmal muss die technische Seite abgestimmt werden, sowohl was Sound als auch Licht angeht. Catering inkl. Alkohol sind natürlich auch von Band zu Band unterschiedlich. Mustasch wollten zB einen Karton voller Bilder mit David Hasselhoff. Eine schwedische Punkband wollten Klobürsten, eine Waffenzeitung, Gay-Pornohefte und eine Bibel. Andere Bands wie Skid Row sind da ganz einfach zu handhaben, die wollen einfach ein paar Brote und alkoholische Getränke.

FFM-Rock: 
Schaust du dir die Konzerte selber an, die hier stattfinden?

Elias: 
Ehrlich gesagt wird das weniger und weniger. Hat damit zu tun, dass es mehr und mehr zum Job geworden ist und seinen Reiz verloren hat, was natürlich schade ist.

FM-Rock: 
Wie lange gibt es das Sticky Fingers schon?

Elias: 
Seit 1998 der untere Teil und der obere ist dann 2002/2003 dazugekommen. Früher war da oben die Heilsarmee. Hier haben seitdem viele berühmte Bands gespielt, die damals eben kaum einer kannte. Vollbeat sind hier mal in den 90ern vor 10 Leuten aufgetreten. Beim nächsten Mal, war der große Saal ausverkauft und danach mussten wir das Konzert dann in eine größere Halle verlegen. Motörhead haben hier gespielt, mein Chef ist nämlich zusammen mit Mickey Dee aufgewachsen. Queen of the Stone Age sind 1999 im Erdgeschoss aufgetreten. In Flames haben hier gespielt und haben auch eine Live DVD (Anmerkung des Redakteurs: „In Flames - Used & Abused / In Live We Trust") aufgenommen. Das Sticky Fingers ist im Grunde eine legendäre Institution im Bereich Konzerte.

 FFM-Rock: 
Gibt es Erlebnisse im Zusammenhang mit Konzerten, die du so schnell nicht mehr vergessen wirst?

Elias: 
Das ein oder andere Komische ist da schon vorgekommen. Urizen aus Texas waren vor ein paar Wochen hier und hatten einen Riesenwurm oder Schlange mit dabei, die sich mit einem Roboter auf der Bühne geprügelt hat. Oder was die Bloodhound Gang geliefert hat war wohl nicht immer ganz jugendfrei. Der Sänger hat zB dem Bassisten erst in den Mund und dann auf den Boden gekotzt. Der Bassist hat auch eine Kette um seinen Penis gebunden an der ein Koffer hing.

Und dann ist es natürlich einfach toll, wenn man Zeit mit Künstlern verbringt zu denen man als 10jähriger aufgeschaut hat. Mit Sebastian Bach habe ich sehr lange in meinem Büro gesessen und erzählt. Er war da nicht besonders gut drauf, da er nach dem Konzert noch ein Meet and Greet abhalten sollte. Der Tourmanager hatte da keinen Überblick und hat die Leute einfach nach oben durchgeschleust und Sebastian Bach hatte nicht mal geduscht. Mickey Dee kam auch zu mir ins Büro da er mal ein wenig Privatsphäre brauchte. Oder David Vincent von Morbid Angel… da dachte ich erst uahh Morbid Angel, aber der war einfach nur super nett.

FFM-Rock: 
Gibt es denn eine Band, wo du sagst, nein danke, die wollen wir lieber nicht noch mal hier haben?

Elias: 
Nein, bisher Gottseidank nicht. Klar gibt es welche, die etwas anstrengend sind, oder sich vollaufen lassen, aber bisher ist dies nicht ausgeartet. Darüber hinaus, will man vielleicht lieber nicht die eine oder andere Black Metal Band hierhaben, die dann ein Blutfest auf der Bühne veranstalten und Rasierklingen ans Publikum verteilen… ich weiss nicht, ob du von der schwedischen Black Metal Band Shining gehört hast? Deren Konzerten arten häufiger mal in Chaos aus und wir wollen, dass das Publikum sicher ist und sich gut aufgehoben fühlt.

Und dann gibt es ja sehr viel Bürokratie in Schweden in Bezug auf Sicherheit, Brandschutz und vor allem auch Alkohol-Ausschank-Genehmigung. Wir haben zB Genehmigung für Alkohol im ganzen Haus aber nicht im Treppenaufgang. Und dann kannst du dir vorstellen, wie anstrengend das sein kann, einem Ami zu erklären, dass er in der Lounge trinken darf und in der Halle auch, aber nicht im Treppenhaus.

FFM-Rock: 
Und dennoch schaffte es vor 2 Wochen ein Polizist ins U2 Konzert in Stockholm mit seiner Dienstwaffe, die er wohl aus Versehen von der Arbeit mitgenommen hat. Die Security ließ ihn erst hinein und musste dann die ausverkaufte Halle räumen lassen und das Konzert um 2 Tage verschieben, da es der Security im Nachhinein wohl doch komisch vorkam irgendwen mit einer Pistole ins Konzert zu lassen.

Elias: 
Ja, manchmal passieren seltsame Dinge.

FFM-Rock: 
Und was hältst du von Göteborg als Musikstadt?

Elias: 
Ja, Göteborg ist natürlich eine sehr wichtige Musikstadt. Schon von den Anfängen des Göteborg-Sound mit At the Gates, Dark Tranquility, In Flames und vielen mehr. Im Bereich Hardrock ist Göteborg wohl eine Weltmetropole. Auch im schwedischen Indie (pop) Bereich gibt es viele interessante Bands. Es war immer schon eine sehr lebendige Musikkultur hier in Göteborg. Selbst Hipp-hopp und elektronische Musik gibt es hier viel. Ich mache mir auf jeden Fall keine Sorgen um die musikalische Zukunft in und um Göteborg.

FFM-Rock: 
Vielen Dank Elias für dieses sehr aufschlussreiche Gespräch!

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