20 Jahre Jazzkantine: Das Beste - ohne Stecker
Mit kleinem Besteck, akustisch, ganz nah zum Anfassen. Im kleinen Club, wo mal alles angefangen hat, spielt die Jazzkantine das Beste aus zehn Alben und zwanzig Jahren Bandgeschichte.
"Was ist Jazz?" war 1994 die gescratchte Frage von Joachim-Ernst Berendt im Intro des Debüt-Albums "Jazzkantine". Eine Antwort haben die Köche aus der Löwenstadt Braunschweig auch nach zwanzig Jahren Forschungsreise nicht gefunden. Weil es wohl auch keine gibt. Das würde auch Stillstand bedeuten. Vielmehr gilt es, in dem Verstehen um die Verwandtschaft von Jazz, Funk und Hip Hop, immer wieder neue Klangfarben zu entwickeln.
Hier spielt eine Band, die eigentlich gar keine sein sollte - war doch das Projekt "Jazzkantine" vor allem der Versuch, Musiker, Rapper, DJs aus unterschiedlichsten Lagern im Studio zu vereinen. Deutsch-HipHop-Pionier Matthias Lanzer ("Rap Nation Records") hatte die Kontakte zur Rap-Szene, Christian Eitner die zum teutonischen Jazz.
Erst auf Anfrage der Plattenfirma "RCA/BMG" kam es zu einer ersten kleinen Tournee, weitere folgten, weil die bunte Groove-Mischung einfach direkt ins Blut ging. Die Band erspielte sich einen hervorragenden Namen - mehr Abwechslung geht nicht, das hat sie zu einem der meist gebuchten Acts in ihrem Genre gemacht. Gutes Handwerk meets Entertainment, HipHop den Jazz. Auch in den deutschsprachigen Nachbarländern kommt der Sound gut an, bis heute ist die Band regelmäßig zu Gast in den Clubs der Alpenländer Österreich und Schweiz.
Überhaupt haben sich die Echo-Preisträger wohl vor allem durch ihre Vielseitigkeit ausgezeichnet, neben unterschiedlichsten Konzept-Alben von Big-Band-Jazz bis Metal-Cover gab es aber auch viele Theaterarbeiten: als "Tiffanys" in "Fleisch ist meine Gemüse", als "Tanzzkantine" mit Ballettensemble und dann wieder eine blau-gelbe Fußball Revue zur Braunschweiger "Eintracht".
Vielleicht sagen aber auch die Gäste viel über die Mentalität dieser außergewöhnlichen Kapelle aus: auf der einen Seite Jazz-Allstars wie Till Brönner, Gunter Hampel, Joo Kraus, Bill Evans, Nils Landgren - auf der anderen Rapper wie ODB und RZA (Wu-Tang Clan), Smudo, Such a Surge, Aleksey. Aber dann auch wieder Kollegen irgendwo aus der Mitte: Edo Zanki, Selig, Xavier Naidoo, Götz Alsmann, Tom Gaebel.
Immer dabei: eine Prise Selbst-Ironie. Man hat sich nie zu ernst genommen auf der Gratwanderung zwischen "Jazz-Jazz" und eingängigen Radiosingles, so sprach der just mit dem Deutschen Jazzpreis ausgezeichnete Posaunist "Nils Wogram" beim Soundcheck gerne von den "Popsäuen" - zurück gab´s den Spitznamen "12-Toni". Aber dennoch ist der gebürtige Braunschweiger gerne mit in den Tourbus gestiegen, ist ja auch mal was anderes, vor 10.000 bei einem Open-Air zu spielen als vor 100 im bestuhlten Jazzklub. "Die Jazzpolizei hatte uns von Anfang an auf dem Kieker, wir haben zur Kontrolle meist unseren Saxofonisten George Bishop (Gott hab ihn selig) geschickt. Der hatte Jazz studiert und sprach schlecht Deutsch, da haben sie uns meist weiterspielen lassen."
So war es auch nicht verwunderlich, dass die Phono-Akademie den angekündigten Jazz-Award für über 10.000 verkaufte Einheiten des Albums "Heiß und fettig" wieder aberkennen wollte, als die 100.000er Marke erreicht war. Dann kann es ja kein Jazz mehr sein?
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