MARC STORACE - Interview

Krokus-Sänger Marc Storace über das Leben als Rockstar und die neue CD

«So war das mit den Nackten im Jacuzzi»

Im Interview erzählt Krokus-Sänger Marc Storace was er im Leben bereut, warum er nicht Sänger von AC/DC geworden ist und ob die 80er wirklich so wild waren.

BLICK: Mehr als 30 Jahre rocken Sie schon mit Krokus. Damit gerechnet, so lange durchzuhalten?

Marc Storace: Ich war nicht mal sicher, mit 60 überhaupt noch hier zu sein. Ich lebte damals nur von Tag zu Tag.

BLICK: Und heute?

M.S.: Ich bin seit 22 Jahren verheiratet und habe zwei Kinder im Teenageralter. Ich habe inzwischen natürlich ein anderes Pflichtbewusstsein.

BLICK: Trotzdem sind Sie noch immer in einer Rock-’n’-Roll-Band.

M.S.: Und stolz darauf! Es gibt nicht mehr viele in unserem Alter, die sich die Leidenschaft für ihren Beruf bewahren konnten. Egal, ob Banker, Pöstler oder Rocksänger – nach einigen Jahrzehnten erlischt in den meisten Menschen das Feuer. Das ist mir bis anhin nicht passiert. Halleluja!

BLICK: «Dirty Dynamite» ist das 17. Krokus-Album. Ist die Veröffentlichung überhaupt noch speziell?

M.S.: Aber sicher! Weil niemand – auch wir nicht – daran geglaubt hat, nach all der Zeit noch da zu sein und Freude am Rock ’n’ Roll zu haben. Irgendwie sind wir Kinder geblieben. Eigentlich erstaunlich.

BLICK: Konkret, bitte?

M.S.: «Dirty Dynamite» haben wir in den berühmten Abbey Road Studios aufgenommen, wo auch die Beatles ihre Hits fabrizierten. Ich bin da reingekommen mit glänzenden Augen, Herzklopfen, fühlte mich wie im Himmel. Solange ich solche Euphorie verspüre, mache ich das Richtige.

BLICK: Welche Rolle spielt Produzent Chris von Rohr da?

M.S.: Er ist der Motor der Band, die Driving Force.

BLICK: Mit der neuen CD sind Sie zu Ihren Wurzeln zurückgekehrt. Dreckig, rotzig, melodiös. Keine Lust auf Veränderung?

M.S.: Wir sind, wie wir sind. Wir müssen und wollen das Rad nicht neu erfinden. Warum sollten wir irgendwelchen Firlefanz ausprobieren? Wir wissen, was wir können. Solange ich die Kraft habe, bleibe ich meiner Reibeisenstimme treu. Das Alter macht den Menschen wohl auch etwas stur (lacht).

BLICK:Was bereuen Sie?

M.S.: Nichts. Und das ist nicht mal gelogen. Ich schaue auf mein Leben zurück und spüre eine grosse Genugtuung. Es gab Schlappen, klar. Aber nichts, was mir heute kein Lächeln auf die Lippen zaubern würde. Shit happens!

BLICK: Sie hätten 1980 Sänger von AC/DC werden sollen, heisst es. Wahr?

M.S.: Ja, ich war im Gespräch. AC/DC suchten damals ­einen Nachfolger für den verstorbenen Bon Scott. Eines Tages kam ein Typ aus Birmingham in England nach Solothurn geflogen und meinte, ich solle vorsingen kommen. Ich hatte keine Lust drauf.

BLICK: Sie wären heute Millionär?

M.S.: Mag sein. Aber ich war glücklich in der Schweiz, Krokus starteten gerade international durch – das Echo kam sogar aus den USA. Wir waren überall Nummer eins. In der Band gab es diese super Kameraderie. Ich wollte nicht weg. Ich war hier zu Hause. Ich bin ein treuer Hund.

BLICK: Sie stammen aus Malta.

M.S.: Ja. Ich kam Anfang der 70er-Jahre in die Schweiz und fühlte mich sofort daheim. Ich wusste schon als Kind, dass ich kein Baum bin, also nicht auf Malta Wurzeln schlagen werde.

BLICK: Die Krokus-Kameradschaft dauerte nicht lange.

M.S.: Wir wurden gegeneinander ausgespielt von unserem damaligen US-Manager. Er war wie Cäsar, sein Motto: Teile und herrsche. Am Ende war nur noch Hass da.

BLICK: Und heute?

M.S.: Es ist ein Wunder, dass wir wieder Freunde geworden sind. Wir wissen mittlerweile, was wir an uns haben. Und wir wissen vor allem, was wir ohne einander wären: nichts.

BLICK: Wie schafft man das?

M.S.: Das hat auch mit dem Alter zu tun. Man verzeiht besser, sieht grosszügiger über die Macken des anderen hinweg. Wir haben alle grosse Egos, aber können sie heute besser im Zaum halten.

BLICK: Ihre irrsten Erlebnisse?

M.S.: 1982 in Texas vor 80000 Fans zu spielen. Oder in irgendeinem Kaff bei Atlanta vor 20000 Fans von der Bühne zu stolpern. Die Ischias-Verletzung spüre ich noch heute.

BLICK:Waren die 80er wirklich so wild?

M.S.: Ja. Man sitzt im Jacuzzi hat ein paar nackte Mädels im Arm und raucht einen Joint. Himmel, wir waren jung und crazy!

BLICK: Haben Sie noch heute Groupies?

M.S.: Die meisten von ihnen sind wie wir älter geworden. Da ist die Versuchung nicht mehr ganz so gross (lacht). Ich bin seit 22 Jahren treu – das ist wahr!

BLICK: Wie halten Sie sich fit?

M.S.: Ich achte auf die Ernährung. Anfang Jahr wollte ich Vegetarier werden, habe es aber nur ­einen Monat durchgehalten. Bis man mir ein feines Steak vorsetzte. Ich versuche, genug zu schlafen, mache etwas Sport. Das Geheimnis eines gesunden Lebens? Man darf alles machen, aber nichts übertreiben.

BLICK: Ihre Träume?

M.S.: Ein grosser wird bald wahr: Wir werden wieder eine Welttournee machen wie in den 80ern. Wir spielen erneut in Japan und wohl auch in den USA. Nur Gott weiss, ob dies unsere letzte Runde sein wird. Wir werden sie geniessen. Das ist das Schöne am Alter: Man denkt zunehmend positiv. Man weiss, dass die Zeit zu kostbar ist, um sich mit Idioten zu beschäftigen.

Quelle: KROKUS Newsletter