Das Scheit: das neue Album: schwärzer als Schwarz: A Darker Kind Of Black

Schwärzer als Schwarz
Seit Jahr und Tag versucht uns die Waschmittelindustrie einzureden, ihre neuesten Produkte wüschen weißer als weiß. Das ist natürlich Mumpitz. Ganz anders verhält es sich mit dem besonders schwarzen Schwarz, das uns Das Scheit mit dem Titel ihres neuen Albums versprechen: „A Darker Kind Of Black“. Zum einen gibt es das besonders dunkle Dunkel tatsächlich: Herkömmliches Schwarz reflektiert immer auch eine bestimmte Menge an Licht. Nanotechniker haben inzwischen allerdings ein Rekordschwarz entwickelt, das 99,96 Prozent der Strahlung absorbiert. Es kommt unter anderem in der Weltraumtechnik zum Einsatz.
Am Rande des Wahnsinns
Jetzt haben auch die Schöpfer der „Superbitch“ (2005) ihr eigenes Superblack am Start, das nicht nur in der schwarzen Szene aufhorchen lassen dürfte: Das fünfte Werk führt mit dem Opener „Sick“ direkt in eine Finsternis einer zerrissenen Seele, die gar nicht daran denkt in düsterem Selbstmitleid zu schwelgen, sondern schwer angepisst keift: „I need a world without you“! Kein Zweifel: Hier wird jemand von seinen Dämonen zum Äußersten getrieben. Vielleicht ist die versteinerte Wesenheit auf dem Cover ja einer dieser Plagegeister, die in unseren Abgründen lauern, um uns in den Wahnsinn zu treiben? Timo Würz, der neben Comics und Plattenhüllen auch für etliche John-Sinclair-Cover und Illustrationen zu H. P. Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“ verantwortlich zeichnet, widmete sich der standesgemäßen visuellen Gestaltung der fünften Scheit-Scheibe, die wieder mehr Schmutz aufwirbelt und lärmt. Schwer verdauliche Ereignisse in den vergangenen Jahren.

Phönix ohne Licht
So abgedroschen es klingen mag: „A Darker Kind Of Black“ wirkt authentisch. Die Band, die dieses Jahr ihr 20. Jubiläum begeht, befand sich zwischenzeitlich tatsächlich „At The Crossroad“ – am Scheideweg. Musiker mussten erst von „Down In The Depth“ zurückkehren, ehe an weitere musikalische Aktivitäten zu denken war. Line-up-Wechsel waren dennoch unvermeidlich, um eine Verwandlung zu ermöglichen, aus der Das Scheit in ungeahnter Schwärze hervorgehen konnten. Wie Phönix aus der Asche. Nur ohne das ganze Licht. Geblieben sind Sänger Clint und Sascha, der dicke und dünne Saiten bedient und die Sounds zusammen bastelt. Michael Stein stieß als Drummer hinzu, Produzent Markus Teske, ohnehin seit Langem inoffizielles Bandmitglied stieg als Live-Keyboarder ein. Die Spuren der Umstrukturierung sind unüberhörbar: Hatten die Hessen zuletzt eher mit dem melodischen Dark Rock geflirtet, so treten die lautstarken Wurzeln der Anfangstage nun wieder deutlicher zu Tagen. Wer sich früher bei Clint’s Vokalperformance angenehm an die boshaftesten Zeiten von Marilyn Manson erinnert fühlte, der darf sich freuen: Er keift wieder. Er krächzt wieder. Aber nicht nur. „Goodbye To Tonight“ etwa addiert flüstern und emotionalen Cleangesang.

Pop mit Reitgerte
Die über Jahrzehnte hinzugewonnenen oder weiterentwickelten musikalischen Nuancen werden nicht geleugnet, aber eben unter anderen Vorzeichen eingesetzt. Die Konturen sind kantiger. Die Elektronik zwirbelt geräuschvoller. Wer gerne Melodien hört, wird sie finden. Zugleich schamlos eingängig und energisch zu klingen zählt schließlich schon lange zu den Markenzeichen der Band. In dieser Hinsicht bleibt man sich auch anno 2016 treu. Am deutlichsten macht das vielleicht die Scheit-Version von Rihanna’s kunterbunter Hommage an Knebel und Reitgerte: „S&M“. Bei so viel feixend gegeißeltem Pop fängt selbst das Schwarz von „A Darker Kind Of Black“ an zu glänzen – sündig wie Latex. Unberechenbar, wie im Dunkeln aufblitzende Augen. Hatten sich die Musiker für ihr letztes Cover, Patty Smith’s „Because The Night“, mit Michelle Darkness (End of Green) and Jape Perätalo (To/Die/For) gleich zwei namhafte Kollegen ins Studio geholt, so entlocken sie „S&M“ seinen scheitanischen Kern im Alleingang.  Die Sogwirkung ist enorm. DJs dürfen sich auf gefüllte Tanzflächen freuen. Ganz hat das Quartett allerdings nicht auf Album-Gäste verzichtet: Die Soli von Gastgitarrist Christian Moser (Red Circuit) bereichern gleich mehrere Songs um eine Prise virtuoses Schwermetall.

Jazzpiano in der Hölle
Auf ein durchgehendes inhaltliches Konzept verzichten Das Scheit. Den schwarzen Faden, der alle Facetten zusammenhält, bildet die Erkenntnis, dass es immer noch schlimmer kommen kann, selbst wenn man bereits am Boden ist. Dann erklingt das letzte Lied. Die Reprise des vom Vorgängerwerk „So Far From God… So Close To You“ (2008) bekannten „Hollow“ ist eine Art Bonustrack und wirkt im Gesamtzusammenhang ein bisschen wie Faith No Mores Lionel-Richie -Adaption „Easy“ , die anno 1999 „Angel Dust“ kongenial beendete. Jazzpiano in der Industrial-Hölle? Saxophon, wo keine Sonne scheint? Das klingt gewagt. Nach der ersten Überraschung zeigt sich jedoch, dass der vermeintliche Bruch gar nicht so radikal ist. Clint’s Gesang hält die versöhnlichen Ansätze auf Sicherheitsabstand. Er dämpft das Licht noch am Ende des Tunnels. Immerhin wird aber erkennbar: Es geht weiter. Dass „A Darker Kind Of Black“ im Player liegt, ist der beste Beweis dafür.

Christoph Kutzer

DAS SCHEIT
A Darker Kind Of Black
Eternal Sound / Membran
VÖ: 18.03.2016
www.das-scheit.de
www.facebook.com/dasscheit

Quelle: Gordeon Music

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