KEN FOLLETT - Winter der Welt

VÖ: bereits veröffentlicht
(Lübbe Audio)

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Klapptext:

Es ist eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit der Finsternis. Aber auch der Hoffnung, die selbst das tiefste Dunkel erfüllt. Während sich die Lage in Europa gefährlich zuspitzt, versuchen drei junge Menschen heldenhaft ihr Schicksal zu meistern: Der Engländer Lloyd Williams wird Zeuge der Machtergreifung Hitlers und entschließt sich gegen den Faschismus zu kämpfen. Die deutsche Adelige Carla von Ulrich ist entsetzt über das Unrecht, das im Namen des Volkes geschieht, und geht in den Widerstand, während die lebenshungrige Amerikanerin Daisy nur vom sozialen Aufstieg träumt – und eine bitterböse Überraschung erlebt! Liebe und Hass, Anpassung und Widerstand bilden ein schicksalhaftes Geflecht vor dem großen Panorama des Zweiten Weltkriegs, der dramatischen Zeitenwende des zwanzigsten Jahrhunderts.


Gelesen von: Johannes Steck

Kritik:

Etwa 20 Jahre später knüpft „Winter der Welt“ an den Vorgänger „Sturz der Titanen“ an und greift die Geschichte um die Helden des ersten Teils auf bzw. setzt diese mit ihren Kindern fort. Auch dieses mal gelingt es Ken Follett, die geschichtliche Ereignisse in Europa und Amerika eingebettet in die Schicksale von vier Familien in England, Deutschland, der Sowjetunion sowie den USA spannend, äußerst detailliert und – wie es scheint - gut recherchiert zu veranschaulichen. Er transportiert dabei so viel plastische Eindrücke, die den Hörer tief bewegt zurück lassen. Insbesondere die drastischen Ereignisse in Nazi-Deutschland vermitteln beklemmende Momente, bei denen der Hörer emotional aufgewühlt die Handlung miterlebt. Ob das an der einen oder anderen Stelle etwas zu viel wird, mag jeder für sich selbst entscheiden. Was allerdings überrascht, ist die Tatsache, daß zwar einige Themen des nationalsozialistischen Terrors intensiv aufgegriffen werden ( es geht um Euthanasie, um Terror gegen Juden, Homosexuelle und Andersdenkende..), die Konzentrationslager jedoch werden fast gänzlich ausgeklammert und finden nur nebensächlich Erwähnung. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Umstand, daß es für meinen Geschmack zu viele unwahrscheinliche Zufälle in der Entwicklung der Handlung gibt. Der englische Soldat Lloyd begegnet nach seiner abenteuerlichen Flucht aus einem deutschen Gefangenenlager in Frankreich zunächst mitten im Nirgendwo „per Zufall“ einer Mitkämpferin aus dem spanischen Bürgerkrieg um dann, frisch nach Hause zurück gekehrt, inmitten des deutschen Bombenhagels auf London erst seiner Mutter und dann seiner Jugendliebe über den Weg zu laufen. Was für ein grandioser Zufall in einer Millionenstadt. Später stürzt während der Kriegshandlungen in Frankreich vor Lloyds Augen ein britisches Kampfflugzeug ab, aus dem er – zufällig - seinen Halbbruder Boy birgt. Wolodja Peschkow wird zufällig in Rußland mitten auf der Straße Zeuge, wie ein General, dem er Jahre zuvor im Kampf gegen die Faschisten in Spanien unterstand  und der dort diverse Kameraden erschießen ließ, von der Menge gelyncht wird. Diese Liste der Zufälle könnte man noch endlos fortsetzen. Die Verflechtungen und Wiederbegegnungen fügen zwar einzelne Handlungsstränge zusammen oder schaffen zumindest Bezugspunkte. Es wird aber in meinen Augen ein wenig zu oft in die Trickkiste der scheinbaren Zufälle gegriffen, was der sonst so bodenständigen Handlung ihre Glaubwürdigkeit nimmt und die Geschichte zunehmend konstruiert erscheinen läßt. Läßt man die gesamten Geschehnisse etwas sacken, fällt auf, daß alle wesentlichen Eckpunkte der geschichtlichen Periode abgearbeitet werden und irgendwie in die Handlung integriert werden. Auch dadurch entsteht ein wenig der Eindruck von einer Reißbrett-Konstruktion. Positiv empfand ich dagegen, daß im Gegensatz zu „Sturz der Titanen“ mehr Schwerpunkt auf die Personen und weniger auf Kriegsschauplätze, ellenlangen Schilderungen von Kampfhandlungen und Truppenbewegungen gelegt wird, was in Band 1 der Jahrhundertsaga zu etlichen Längen geführt hat. Dennoch bleiben die Charaktere trotz der komplexen Handlung ein wenig einseitig. Einige entwickeln sich deutlich, andere wiederum  bis auf Ausnahmen nur wenig, was im Strudel solch dramatischer Ereignisse etwas unglaubwürdig erscheint. Trotzdem stellt „Winter der Welt“ eine insgesamt gelungene Hörbuch-Unterhaltung dar, die nicht zuletzt auch der hervorragenden Lesung von Johannes Steck zu verdanken ist. Was mit der Geschichte der ersten Generation nach „Sturz der Titanen“ beginnt, endet mit der Ankündigung der nächsten Generation und ebnet den Weg zur Fortsetzung des letzten Teils der Jahrhundert-Trilogie „Kinder der Freiheit“, welche im Herbst 2014 erscheinen wird.

Fazit: An einigen Stellen leider etwas hölzern-konstruiert; dennoch insgesamt eine sehr komplexe und ergreifende Schilderung der historischen und persönlichen Ereignisse, die den Hörer solide bis gut unterhält und einige spannende und dramatische Momente bietet.