TWENTY SIXTY SIX AND THEN – Reflections On The Future (Bonus Version)

02 twentysixtysix

VÖ: 24.02.2017
(Mig /Indigo)

Style: Psychedelic Krautrock

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TWENTY SIXTY SIX AND THEN

Nach dem Wirtschaftswunder in den 50ern befand sich Berlin (damals noch „Westberlin“), in einer sozialkulturellen Aufbruchsphase, die sich weitgreifend auf die Gesellschaft übertrug. Alternative Formen des Zusammenlebens integrierten sich ins Alltagsleben. Lange Haare, Haschkonsum, gemeinsames miteinander Abhängen prägten seinerzeit das tägliche Bild. Wohngemeinschaften hießen als TWENTY SIXTY SIX AND THEN sich formierten „Schildkröteninsel“. Die Schlacht von Hastings 1066 in deren Zuge Wilhelm der Eroberer den englischen König Harald II. besiegte, stand in abgewandelter Pate für den reichlich schrägen, für den seiner Entstehungszeit durchaus Rechnung tragenden wenn auch etwas abgewandelter Form erfolgten Bandnamen. Verbindungen von Geff Harrisson der Mitte der 60er-Jahre bereits mit SOME OTHER GUYS von der englischen Metropole Manchester nach Deutschland kam, führten ihn schließlich nach Mannheim, wo er weitere Mitstreiter für das Bandprojekt rekrutierte, dessen Proberaum sich im Übungskeller der Mannheimer WG befand. Aus dem angestrebten internationalen Erfolg wurde nichts, stattdessen kam es zum Split, wobei die Bandmitglieder neue Betätigungsfelder bei KING PEH MEH und EMERGENCY - zwei weiteren Krautrockurgesteinen - fanden. Soviel vorab zur Geschichte.

Nun zur Musik: Kompositorisch erzeugt der Inhalt der üppigen insgesamt extrem durchwachsenen Ansammlung effektiv gut abgehangenen mitunter ziemlich spannend, öfters auch schon mal in Langeweilephasen versickernden Psychedelic Krautrocks bestehend aus Demo-, Studio-, und Livetracks fast programmatisch zu seinem Inhalt passend nostalgisches Flair. Zeitgeist aus der revolutionären 70er-Epoche findet sich bei allen Tracks reflektiert wieder, egal ob das Pendel Richtung CAN, IF, HAWKWIND, AMON DÜÜL, CANNED HEAT verbunden mit vereinzelt aufblitzendem LED ZEPPELIN-Faible ausschlägt, wofür Geff Harrisson's erdige Rockröhre sorgt. Bei dem von massiver Gespensteratmosphäre umgebenen Herbstsong „Autumn“ packt einen Gänsehaut, während „Butterking“ sich lebenslustig verspielt zugleich verwegen melancholisch gebend einen Hauch „April“ von DEEP PURPLE versprüht, das Stück führt den Hörer geradewegs zurück in Proberäume, wo noch mit Kasettentapeaufnahmetechnik gearbeitet wurde. Vibraphon, Flöte, Piano, Orgelklänge verleihen dem Material mittels gefühlvoll dosierten Einsatzes Gestalt. „Reflections On The Future“ entwickelt sich mit 15:42 Minuten Überlänge als Abenteuer-Epos, das Erinnerungen an weitere 70er-Helden des psychedelischen Krautrock/Experimential-Sektor weckt, verbunden mit klassischem Flair als der Hardrock in seinen Kinderschuhen stand, „How Would You Feel“ löst intensive Sehnsucht aus, während „At My Home“ sowohl in Studio als auch in Live-Version vertreten THE DOORS treffen romantische JETHRO TULL-Momente weckt. „The Way I Feel Today“ rockt unverbraucht in URIAH HEEP-Manier los, um sich bei JETHRO TULL zu treffen, wobei auch Jazzanteile sich auf gekonnt progressive Weise mit classic Rock-Faible verbinden. „Spring“ entpuppt sich als dramaturgisches, zeitweise etwas zu sehr in pure Langatmigkeit ausuferndes Duett für zwei Hammondorgeln, „You are Under My Skin“ und „Time Can't Take It Away“ bruzzeln auf lauer Flamme gekocht im biederen Durchschnittsniveau.

Fazit: Lohnenswerte Hippie/Krautrock-Musikkultur im Fahrwasser von Experimential/Psychedelic Kraut-Rockacts wie CANNED HEAT, IF, HAWKWIND, AMON DÜÜL die zwar nie deren breite Publikumswirkung erzielte, dafür aufgrund liebevoll ausgetüftelter Detailvielfalt puren Hörgenuss eines mehr als Projekt denn einer Band zu betrachtenden Pschedelic/Krautrockacts verspricht, die es verstand, weit über den Tellerrand hinaus zu blicken, trotzdem bedauerlicherweise nur ein Schattendasein hinter angesagteren Kapellen seinerzeit führte, mit denen TWENTY SIXTY SIX AND THEN musikalisch wie textlich passabel mithielten. - Geheimtipp für Anhängerschaften obig erwähnter Bandauslese, deren Sympathien der revolutionären 70er-Aktivistenaera gehören. 6,5/10