ORPHANED LAND - Unsung Prophets & Dead Messiahs
VÖ: 26.1.18
(Century Media)
Style: Nah-Östlicher Folk/Progressive Metal
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ORPHANED LAND
Entgegen ihrer bisher jüdisch-islamistisch-christlichen Glaubensthematik setzt die israelische Vielseitigkeitscombo ORPHANED LAND ihren Fuß auf bislang noch nie betretenes Terrain. 'Unsung Prophets and Dead Messiahs' gestaltet sich vielschichtig verpackt, die dahinter verborgene Thematik überrascht. Platon's Höhlengeheimnis hat es der israelischen Kultkapelle angetan. Zum besseren Verständnis empfiehlt sich ein Faible für griechische Mythologie oder zumindest der Thematik aufgeschlossen gegenüber zu stehen, die Musik selbst klingt wie von einem anderen Stern. Trotz historischer Verpackung schimmert der Bezug auf aktuelle Themen bezüglich des momentanen Weltgeschehens oft nur allzu kräftig durch.
Traumhafte Stimmungsbögen gepaart mit rasanten Stilwechseln sowie deutlich orientalisch geprägtem Einfluss halten sich zu melodramatisch-spannenden Songinhalten veredelt von glockenklarem Frauengesang und heroischen Männerchören die Waage. Wer alle ORPHANED LAND-Alben bisher mochte, wird auf diesem neuesten Streich Nummer sechs garantiert fündig. Das selbst Namen wie Aldous Huxley (u. a. 'Schöne neue Welt') und George Orwell („1984“) neben wegweisenden Religionsgründern mit prophetischer Gabe in Person von Ghandi und Jesus oder einflussreichen Staatspräsidenten (John F. Kennedy) bei den Israelis Stellenwert von Propheten und verstorbenen Heilsbringern genießen, bereichert den facettenreichen Inhalt von 'Unsung Propheths and Dead Messiahs' um eine weitere von so vielen interessanten geschweige besonderen Komponente.
„We Do not Resist“ zeigt die Truppe um Korbi Farhi gewohnt verärgert ihren Protest ausdrückend, was sich u. a. in tiefem Deathmetalgegrowl bemerkbar macht. Schnell macht sich der dahinter stehende Frust breit, das der Großteil unserer stets ach so kulturell sich gebenden Gesellschaft dem Klatsch & Tratsch superreicher Medien-Stars frönend immense Geldsummen in den Hintern steckt, während in anderen Ländern viele zehnttausende Menschen ihr Leben lassen, nur damit es für unnötigen Pomp sinnlos verpulvert wird! Ja, das kann nicht nur, sondern muss Frust auslösen! Ruhig in sanftes Gefilde gleiten „In Propaganda“ und „All Knowing Eye“, bei „Chains Fall To Gravity“ verirrt sich wieder in die Höhle, hier gibt sich sogar Ex-GENESIS-Gitarrist Steve Hacket als Gast die Ehre, die griffige an jeder Ecke vor Spannung nur so knisternde Hymne „Like Orpheus“ wird von BLIND GUARDIAN-Sangesäthet Hansi Kürsch stimmlich bereichert, die Höhle zum Hades, die in der griechischen Mythologie vorkommende Unterwelt. Ganz auf hebräisch können ORPHANED LAND bei „Yedidi“ und „Poets of Prophetic Messianism“ - einer klaren Kampfansage an Leute, die fest einer religiös geprägten Meinung nacheifern, ohne sie wirklich zu verstehen - definitiv nicht verzichten. „Left Behind“ und „My Brothers Keeper“ beleuchten die Höhle von zwei Seiten, demjenigen, der sie verlässt um in die Außenwelt zu gehen, und denjenigen, die darin zurück bleiben. „Take My Hand“ erzählt vom Propheten der seine Höhle verließ um dorthin zurück kehrend von der Außenwelt begeistert das Versprechen gibt, sie aus der Höhle zu holen, um sie mit in die Außenwelt zu nehmen, hier kommt das Misstrauen gegenüber dem Fremden zum Vorschein, der Prophet wird schließlich da ihm seine eigenen Leute nicht glauben in dem heftig brachialen Finale „Only The Dead Have Seen The End of the War“ getötet. Durch die tiefen Death-Growls des früheren AT THE GATES-Shouters Tomas Lindberg bekommt das packende Schlußdrama noch eine besondere Note verliehen.
Dem aus vier Teilen bestehenden Outro „The Manifest – Epilogue“ bleibt es vorbehalten, die Reise des Propheten zu beenden. Nach einem Zitat aus dem Buch der jüdischen Rabbis (Pirkai Avot), einem Zitat des chilenischen Liedermachers Victor Jara, einem von der Band selbst zum Themeninhalt verfassten Eigen-Zitat sowie textlich reduzierter Sequenz aus George Orwells '1984' raucht es anschließend nur noch im Kopf des Rezensenten...
Welch ein Hammer! Die israelische Vielseitigkeitsformation ORPHANED LAND gehört zu den unangefochtenen Big-Playern außerhalb des Otto-Normal-Metal-Sektors. „Unsung Prophets and Dead Messiahs“ erweist sich als grundehrliches Statement, das historische Inhalte mit deutlich den Geist der Gesellschaft wachrüttelndem Gedankengut verbindet. Allein solch derart abwechslungsreiche Textlyrik ermöglicht viele Arten zur Gewinnung tieferer Einblicke oder freier Selbstinterpretationen. Soundmischer Jens Bogren hat wie seine Schützlinge abermals ganze Arbeit geleistet. Den orientalischen Heavy Metal-Pionieren ORPHANED LAND sind dreizehn Edelperlen gelungen, die nicht nur sprachlos machen, sondern bei jedem weiteren Hördurchlauf neue Feinheiten offenbarend, Verlangen wecken, den Rundling zum wiederholten Mal rotieren zu lassen.
Fazit: Mit „Unsung Prophets and Dead Messiahs“ haben sich die Israelis ORPHANED LAND nicht nur in der Liga der Großen ihrer Zunft etabliert, sondern darüber hinaus ihr eigenes Denkmal gesetzt. ORPHANED LAND haben ein herausragendes die Messlatte im Prog-Metalsektor enorm hoch auflegendes Gesamtwerk geschaffen. Ganz großes Welt-Metal-Musik-Theater! 10/10