OHRENFEINDT - Tanz nackt

08 Ohrenfeindt 01

VÖ: 31.08.2018
(METALVILLE)

Style: Hardrock/Rock n' Roll

Homepage:
OHRENFEINDT

Normalerweise ist der Name für den im Zentrum der freien Hansestadt Hamburg liegenden Stadt-Teil St. Pauli zahlreichen Fußballfans ein sicherer Begriff. OHRENFEINDT dagegen mehr den Anhängern harter Rock n' Roll-Klänge. Auf sieben Vorgängeralben folgt nun Streich Nummer acht. Was dem St. Paulianer-Vollblut Rock n' Roll-Trio schon immer zu eigen ist, nennt sich rohe, dreckig harte Straßenattitüde ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Dieses für harten Vollblut-Rock n' Roll unverzichtbare Qualitätsmerkmal tragen immerhin 80 % des Songmaterials der aktuell ganz neu zum Augustende in den Regalen stehenden OHRENFEINDT-Scheibe in sich. Insgesamt geht’s extrem ruppig nie mit unverhohlener Selbstironie und Gesellschaftskritik sparend zur Sache. Möglichst nackt in aller Form ungeschminkt wollen sie ihren Rock n' Roll präsentieren, das tun die drei ohne Fissematenten, einschließlich klarer Ansagen, geradlinig auf die Fresse gehender Riffs, druckvollem Drumming, rotzräudig derben Gesangs – schweißgetränkte Musik die lebhaft in allen Poren klebend knarrzt, ächzt, stampft rockt, rollt, mitten auf's Geweih donnernd kracht! Bei OHRENFEINDT herrscht immer noch das prägende Rockriff vor, gefolgt vom rollenden Bass und stampfenden Schlagzeugbeat, scharf gewürzt mit unverhohlen provokativ rauem aggressiv bissigem Gesang, dessen Facettenreichtum zwischen satirisch, humorig als auch bedrückend nachdenklich schwankt.

Das in aktueller Bestzung wie folgt bestehende Trio in Person von Chris Laut (Bass,Gesang, Mundharmonika), Pierre 'Keule' Blesse (Gitarre, Gesang) und Andi Rohde am Schlagzeug orientiert sich am klassischen 70er-HardRock, den es auf sehr eigentümliche Art mit deutschem Textgut in satirisch, humoriger und nachdenklicher Weise im Stilmuster des Liedermachers, Folk-, Blues- und Rockmusikers STOPPOK verbindet. Irgendwo im Schnittmengenfeld von AC/DC, DEEP PURPLE, ROSE TATTOO, LED ZEPPELIN und STOPPOK findet sich die schräge Mischung von OHRENFEIND häufig wieder. Der Labelwechsel zu METALVILLE ist dem Kiez-Trio mit 'Tanz nackt' jedenfalls geglückt.

OHRENFEINDT gehen auf 'Tanz nackt' weit zurück zu ihren Wurzeln. Egal ob „Porschekiller“, selbst ironisch auf die Schippe genommenes Übergewichtig sein, („Voodoo“) im spritzig vitalen Rock n' Roll-Raster, ein „Sechser im Lotto“ der keiner ist oder gewisse Erfahrungen mit der Hausärztin... („Frau Doktor“), daran wird erkennbar wie vielseitig kreativ Rock' n' Roll mit deutschen Texten und hohem Haltbarkeitdatum sein kann. Das unverblümt in sympathisch ehrlicher Form die Grenzen des Anrüchigen mit Vorliebe überschreitend provokativ offen gesellschaftliche Misstände und Pannen des alltäglichen Lebens anprangernde Kiez-Rocker -Trio hält in seinem vielseitigen Stilspektrum für alle und jeden etwas im Koffer bereit. Der lasche Stampfrockdünnpfiff „Schmutzige Worte“ geht wie der Titeltrack „Tanz nackt“ niveautechnisch in die Hose, auch die lauwarm aufgegossene 1:20 Minutenfüllung „Tanz nackt“ (reprise) ist vollkommen für'n Eimer. Insgesamt hält sich die Anzahl der Abstriche auf 'Tanz nackt' deutlich in Grenzen. Am stärksten sind OHRENFEIND soviel sei auch erwähnt - immer stets dann, wenn sie geradlinig direkt zügig durch die Bank rocken, z. B. bei „Porschekiller“, „Voodoo“ oder Nix zu verlieren“ was sie löblicherweise häufig tun, dabei einen griffig rotzigen Hardrock trifft Bluesgroove haben, dem knallender Schlagzeugpunch folgt. Für die größte Überraschung sorgt ausgerechnet der mit effektiver Gesamtspielzeit von 6:16 Minuten längste zwischen gediegen ruhig bis dramatisch Tempogesteigerte Track „Wenn das alles nicht mehr wehtut“. Darin geht es um traurige Scheidungskriege ausgetragen von Eltern auf dem Rücken von Kindern, wobei sich DEEP PURPLE-Tastenkoriphäe Don Airey spontan zu dem Song die Ehre gab, der den unentbehrlichen 70er-'Tiefes Purpur'-Spirit mit einfließen ließ, weil ihm das Stück so sehr gefiel, sogar ein heftig intensiv Bluesvibration streuendes Mundharmonika-Solo ist inbegriffen. - Sauber! Trotz soviel nachdenklich machender Thematik haben OHRENFEINDT dank der zwei Fetenreißer als da wären zunächst das flott grovende „Nichts kann dich bremsen“ ehe das robuste im gedrosselten Tempo daher kommende „Bum Bum Ballett“ grüßen lässt, knackfetten Party Rock n' Roll am Start, der sämtliche Ecken knarrzen bzw. Wände im Haus wackeln lässt, während der „Rock n' Roll-Psychiater“ schüchtern veranlagten Naturen nur allzu zu gern Therapiestunden gibt. Die Botschaft hinter „Nix zu verlieren“ erteilt maßlos übertriebener Schönfärberei gekünstelter Dinge die Kampfansage schlechtin, sie könnte genausogut heißen: Wenn du bislang nichts erlebt hast, wozu der gepackte Rucksack? Trau' dich, gib' Dir einen Ruck, von einem Koffer voller Träume wird man nicht satt. - Auf ins wilde Leben!

Fazit: 'Tanz nackt' könnte selbst bisher nicht erschlossene Fanschichten gewinnen. Im Zweifel empfiehlt sich reinzuhören. All diejenigen, denen OHRENFEINDT bekannt sind, bereits wissen was sie erwartet. Wer den abgedreht kauzigen über ein gesundes Maß an Selbstironie gepaart mit schwarzem Humor verfügenden Dreier einmal ins Herz geschlossen hat, wird ihn auch nicht mehr los. Diese randvolle Wundertüte mit AC/DC-Prägesiegel ist für überzeugte Fans des unorthodoxen St. Paulianer-Vollblut-Rock n' Roll-Trios abermals ein zwingendes Muss! 8/10

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