DIAMOND HEAD - Lightning To The Nations 2020


VÖ: 20.11.2020
(Silver Lining Music)

Style: NWOBHM

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DIAMOND HEAD

Gekleidet in ein druckvoll fettes dem kultigen 1980er Original-Vinyl fehlendes Soundgewand hinterlässt die Neuauflage des DIAMOND HEAD-Klassikers „Lightning To The Nations“ so manches Fragezeichen. Sicher kommt das Album heftig fett produziert rüber, mancher Kollege würde es vielleicht als „zu knallig“ interpretieren, womit wir schon beim entscheidenden Kriterium angelangt wären. Klassikerstoff wie „Lightning To The Nations“, „It's Electric“; „Am I Evil, "The Prince"“ und „Helpless“ gehören zu der erlesenen Sorte unverzichtbarer Edelperlen, ohne die jeder NWOBHM-Sammlung etwas fehlen würde, dabei unterscheidet sich das höher frequentierte, weniger geschmeidige Organ von Rasmus Bom Andersen deutlich von der Stimmlage des DIAMOND HEAD-Originalsängers Sean Harris, dessen Organ auf dem Original eine charismatischere Stimmfärbung besitzt als sein ausdrucksstarker Nachfolger wovon sich METALLICA-Frontmann James Hetfield sicher ebenfalls einiges abschaute. Vergleicht man die Stimm-Muster beider Vocalisten, trifft Andersen die Tonlagen über weite Strecken gut, weshalb sich der Unterschied allenthalben für NWOBHM-Puristen deutlich bemerkbar macht, denen möglicherweise weder Gesang noch Soundmischung zusagen könnten. Die Idee dieser beständigsten mit zu den am längsten aktiven aller NWOBHM-Kapellen gehörenden Band ihren Klassiker neu zu überarbeiten, grenzt an Wahnwitz verbunden mit großer Portion Mut. Was im Regelfall als Schuß nach hinten losgeht, entwickelt soviel Klasse, dass es auch als Neufassung fett punktet, obwohl der zeitlose Spirit vom unübertroffenen Original unerreicht bleibt.      

Unabhängig, ob man das Ganze in modernem Kompaktsoundgewand hört oder nicht, besitzt das Material selbst 40 Jahre nach Erstveröffentlichung aufgrund seines gewaltigen Hymnenpotentials enormen Reiz, obwohl das ursprüngliche Original mehr Charisma durch den heftigen ihr innewohnenden Räudigkeitsfaktor besitzt. Ok, die Klasse des Songmaterials gibt berechtigterweise Anlass für Brian Tatler und Co. zum Feiern und an gebotener Intensität mangelt es ebenso wenig. Die Gitarren erzeugen ein mächtig druckvoll röhrendes Inferno, das Schlagzeug drückt wuchtig auf's Geweih. Bom Andersen muss sich stimlich gewaltig strecken, um gegen die druckvollen Gitarren anzuschreien, was über weite Strecken gelingt. So schön das alles auch sein mag, fehlt der Neufassung die kauzige Verschrobenheit im Stil des alten Originals, obwohl das Album voluminös abgemischt ist. Falls diese Neuveröffentlichung etwaig Soundtechnische Diskussionen auslösen sollte, lässt sich keineswegs von der Hand weisen, dass 'Lightning To The Nations' zu den NWOBHM-Glanztaten gehört, die man nicht nur allein durch Vorlage von METALLICA, die sich zuerst erfolgreich an „Am I Evil“ versuchten, um diesem zeitlosen NWOBHM-Klassiker auf dem Garade Inc.-Doppeldecker im November 1998 weitere durchaus gelungene Cover von „Helpless“, It's Electric“ und „The Prince“ zur Seite stellten, als Fan kauziger N.W.O.B.H.M.-Musik kennen und mögen sollte. Einmal gehört, möchte man als überzeugter NWOBHM-Fanatic dieses hochkarätige Stück Vinyl nicht mehr missen. Neu aufgelegt sollte das Material künftigen Fangenerationen den Weg weisen. Durch die METALLICA-Adaptionen von „Am I Evil“, „Helpless“, „It's Electric“ und „The Prince“ bekamen DIAMOND HEAD letzten Endes viel mehr Aufmerksamkeit als sie wahrscheinlich selbst erträumt hatten.

Die vier draufgepackten Cover von METALLICA, („No Remorse“), LED ZEPPELIN („Immigrant Song“), JUDAS PRIEST („Sinner“) und DEEP PURPLE  (Rat Bat Blue“) sind (ausgenommen „Sinner“) nicht das gelbe vom Ei. Woran liegt es? Bei „No Remorse“ fehlt der exzellent druckvollen Gitarrenarbeit öfters heftig entgegen wirkend die unverfälscht rohe direkt aus dem Buch kommend rotzräudig rüpelhafte Röhre eines James Hetfield zur dreckigen ganz frühen METALLICA-Phase als das San Francisco-Quartett mit seinem 'Kill em' all'-Debüt einen Genre-Meilenstein schuf, dessen Inhalt viel näher an der NWOBHM lag als es zahlreich spätere Vertreter konnten. Der METALLICA-Erstling wird zu Recht als NWOBHM-Nachfolgewerk gehandelt. Andersens überzogen aufgesetzte Hochton-Schreie gehen bei "No Remorse" heftig daneben, dafür macht der neue Sänger beim kantigen JUDAS PRIEST-Bekenntnis „Sinner“ gesanglich einen saustarken Job, der seinem Original überzeugend gerecht wird. „Immigrant Song“ und „Rat Bat Blue“ sind wiederum auch keine Glanzleistungen, die man besser schnell vergisst.

Selbst wenn die überarbeitete Wiederauflage dieses NWOBHM-Klassikers in ganz neuem Glanz erscheint, könnte darin auch der größte Kritikpunkt neben kräftig in den Sand gesetzten METALLICA-/LED ZEPPELIN/DEEP PURPLE-Covern im übersteuerten Klarkompaktgewand liegen. Da mir mein ungeschliffenes Original-Vinyl mit all seinen Ecken und Kanten auch ohne Beigabe nicht wirklich zwingend erforderlicher Covertracks wesentlich lieber ist, springen für das im aalglattgebügelten Soundkorsett aufwartende Gesamtwerk verdientermaßen fette 8 von 10 Punkten heraus. Dafür spricht das in Chromglänzendem Anstrich sich widerspiegelnde Material Bände.

Fazit: Unverzichtbares NWOBHM-Kulturgut in kompakter Form neu aufgewärmt mit klarer Botschaft an die treue stetig wachsende Fangemeinde: - Bring... Lightning To The Nations! 8/10