BURNING WITCHES - The Witch Of The North


VÖ: 28.05.2021
(Nuclear Blast Records)

Style: Heavy Metal

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BURNING WITCHES

Seit fünf Jahren bestehend, arbeitet sich der Schweizer Frauen-Hexenzirkel Stufe für Stufe auf der Erfolgsleiter nach oben, da verwundert es ebenso wenig, dass die begabte Schweizer Damenriege mittlerweile im Stall des großen Majorlabels Nuclear Blast untergekommen ist. Statt einem simpel sturkturierten Heavy Metalalbum fiel die Entscheidung unerwarteterweise auf ein Konzeptalbum über nordische Hexen und germanische Mythologie, dessen Inhalt mit der etwas irreführenden Bezeichnung Keltischer Druidinnen in einen Topf geworfen wurde. Dank Neuzugang Larissa Ernst an der zweiten Gitarre konnte die von ihrer Vorgängerin Sonja 'Anubis' Nusselder hinterlassene Lücke, welche die Band verließ, gut kompensiert werden.

Laut Pressetext heißt es hier über den Inhalt: „Das Album würdigt die Druidinnen der keltischen Vergangenheit. Die weisen, naturverbundenen Frauen, die man um Rat fragt, die aber zur selben Zeit gefürchtet und unterdrückt wurden.“
Dagegen wage ich zumindest an bestimmter Stelle Einspruch zu erheben. So schön sich diese Verallgemeinerung auf den ersten Blick liest, gibt es in Bezug auf das Album einige Unstimmigkeiten, die es an dieser Stelle genauer zu erklären gilt. Weise Frauen, die naturverbunden und gefürchtet waren mit magischen Fähigkeiten, was durchaus stimmt, gab es bei verschiedenen Natur-Völkern und Kulturen. 1. Bezüglich der Kelten von 'Frauenunterdrückung' zu sprechen, ist stark zu bezweifeln. Obwohl die keltische Stammestruktur oft patriarchal organisiert war, standen die keltischen Frauen wenngleich sie selten hohe Führungspositionen einnahmen in hohem Ansehen. 2. Keltische Kriegerfrauen waren den Männern oft im Rang gleich geachtet und auch deren Druidinnen genossen hohen Status bei den Kelten, wie u. a. das Beispiel der keltischen die Römer das Fürchten lehrende Kriegerkönigin Boudicca, die Anführerin ihres Stammes der Icener  oder Cartimandua, die Königin der Briganten war,  deutlich zeigt. So schwelgerisch solcherart Werbetexte klingen, sind sie  wegen ihrer schwammigen Aussagen umso mehr mit Vorsicht zu genießen. 3. Der Keltenvergleich zum Album ist mehr als nur  schwankend, weil inhaltlich nordische Mythologie der Germanen verarbeitet wurde und 'Walküren' aus nordisch-germanischer (nicht Keltischer!) Mythologie heraus entstammen. 4. Wenn wie bei „Nine Worlds“ von den 'Neun Welten' die Rede ist, bezieht sich dies auf die 'neun Welten' aus der germanischen Mythologie. Keltenstämme, das ist richtig, hat es in der Schweiz gegeben, z. B. die Helvetier, denen die Schweiz ihren neulateinisch geschriebenen auf Briefmarken und Münzen geschriebenen Landesname 'Helvetia' verdankt; - dargestellt als allegorische Frauengestalt, welche die Schweiz - auch Eidgenossenschaft - genannt, versinnbildlicht.
Zum besseren Verständnis meiner sich nicht auf den musikalischen Inhalt beziehenden Kritik:  Dennoch sollte gerade bei dieser Thematik klar differenziert statt oberflächlich verallgemeinert werden, weil sich Kelten und Germanen trotz bestehender Gemeinsamkeiten, die allen Natur verbundenen Völkern jener Zeit anhafteten gerade anhand ihrer Kleidung, der Art wie sie in die Schlacht gingen sowie hinsichtlich der ihnen verwandten Schriften deutlich unterschieden. Im Gegensatz zu den Germanen waren die keine schriftlichen Aufzeichnungen ihrer Druiden/innen hinterlassenden Kelten kein in sich vereintes Volk, sondern eine Kultur bestehend aus in zahlreichen Ländern des 'alten Kontinents' Europa verteilt lebender, unterschiedlicher Stämme, die sich nicht nur erbitterte Kämpfe mit den Römern lieferten, sondern bei Bedarf ebenfalls untereinander blutige Fehden austrugen. Solche Anpreisungen sollten deshalb, um das Thema korrekt darzustellen, bei allem Enthusiasmus für das neue  BURNING WITCHES-Studioalbum im Vorfeld einmal genauer bedacht werden. 

Soviel dazu, kommen wir nun endlich zum Wesentlichen, zur Musik: Eingeleitet vom düstermelancholischen Intro „Winters Wrath“ öffnet sich der Kreis, danach klirren die Schwerter zum Titeltrack 'The Witch Of The North'. Auch die deutlich erkennbar Vorliebe für IRON MAIDEN signalisierende Hymne „Circle Of Five“ oder das von kräftigen Männerchor-Hintergrundgesang unterstützte „We Stand As One“ hinterlassen guten Eindruck. Sängerin Laura Guldemond agiert extrem vielseitig, schöpft ihr gewaltig umfangreiches Stimmpotential oft wechselweise Tonlagen variierend aus, sie hat das ganze Spektrum von sanft, charismatisch, Klartonlage, heroischen Singalongs, raukehliger Facette, heißerem Geschrei, High Pitched Scream, derbem auch monströses Shouting einsetzend bis zu harrschem Furiengekeif drauf. Das Gitarrenduo Romana Kalkul/Larissa Ernst liefert vorzügliche Gitarrenarbeit. Selbiges gilt für Drummerin Lala Frischknecht und Bassistin Jeanine Grob, die sich als harmonisch tighte Rhythmusfraktion präsentieren. Die Chemie im Fünferzirkel stimmt. „Burning Witch Of The North“ ist ein gewaltiger, weit über die Schweizer Grenzen hinaus erschallender Weckruf!

So angriffslustig wie auf dem sehenswerten Album-Coverartwork gibt sich die Fünferdamenriege, bezogen auf den Inhalt des vierten Langdrehers. Sanfte Balladen sind auf 'The Witch Of The North' keine vertreten, dafür episch angehauchtes Material aus germanischem Götter-Mythenfundus wie „Flight Of The Valkyries“ sowie das verdächtig den 'Metal Gods' JUDAS PRIEST huldigende schon Proto-Thrashlastige „Nine Worlds“, während „Lady Of The Woods“ in halb balladesker Weise tief naturverbundenen Spirit weiser Frauen der Naturvölker zeitweise durch männlichen Tenor ergänzt, einatmet. „Thrall“ geht in kraftvoller Gitarrendynamik auf, um zur Hälfte in einen dichten Teppich aus raumgreifend fesselnder Epik über zu gehen. Im Stile weisen Freuen wurde noch ein rituelles von Leadsoli und Flüstern gestaltetes „Omen“hinzugefügt, das fließend zu „Nine Worlds“ überleitet. „For Eternity“ erinnert Songaufbautechnisch zunächst ein wenig an heroische VELVET VIPER-Glanztaten, ehe in flotteren JUDAS PRIEST-Modus umgeschaltet wird. Mit dem mystichen Outro „Eternal Frost“ schließt sich der Kreis um die Mythen der geheimnisvollen weisen Frauen aus dem Norden.

Ein tolles Album, dass die fünf Schweizerinnen eingetrümmert haben, und wie es sich für ein BURNING WITCHES-Album schickt, gehört als Bonus wieder ein Cover mit dazu. Wurden in der Vergangenheit unsterbliche Klassiker von DIO („Holy Diver“) und MANOWAR („Battle Hymns“) gecovert, wurde sich in gemeinsamer Runde die SAVATAGE-Über-Hymne „Hall Of The Mountain-King“ vorgenommen und mit tatkräftiger Hilfe von SAVATAGE/TRANS SIBIRIAN ORCHESTRA-Gitarrenlegende Chris Caffery dem Original überzeugend Respekt zollend umgesetzt.

Als Anspieltipps des besten BURNING WITCHES-Langdrehers in der Bandbio kristallisieren sich „The Witch of The North“,, „We Stand as One“, „Flight Of The Valkyries“, „The Circle of Five“ und ein thrashlastiges „Nine Worlds“ heraus.

Wer traditionellen Heavy Metal im Schnittmengenfeld von ACCEPT, CRYSTAL VIPER, IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST, SAXON und WARLOCK mag, kommt an 'The Witch Of The North' überhaupt nicht erst vorbei. - Bärenstark umgesetztes Gesamtkonzeptwerk der nordischen Mythologie. - Skol!  8,7/10