KONSTANTIN WECKER - Utopia


VÖ: 18.06.21
(Sturm & Klang)

Genre:
Liedermacher

Homepage:
KONSTANTIN WECKER

Geschrieben von Monika Gnittke

KONSTANTIN WECKER macht sich Sorgen. Um die Menschen, um Europa, um die Welt. Und er hat ein Mittel dagegen: Musik und Poesie. So wird er auch bei seinem ersten Studioalbum seit 6 Jahren nicht müde, die Menschen für seine Idee von einer gewaltfreien Welt ohne herrschende Eliten zu begeistern und nennt das Album mit 14 neuen Songs und Gedichten auch gleich „Utopia“.

Aber es sind nicht nur die schwärmerischen Klänge und das „Wie könnte es sein?“, die das neue Album ausmachen. WECKER klagt auch an. Im Song „Schäm dich Europa“ nimmt er gleich den ganzen Kontinent aufs Korn. Seinen Kontinent. Meint damit die Herrschenden ebenso wie das Volk, auch sich selbst, uns alle und rührt damit zu Recht an unser aller Gewissen. Nicht ohne mit dem Song „Utopia“, der dem Album den Namen gab, auch gleich eine mögliche Lösung zu präsentieren: „Stellt euch einmal eine Welt vor, ohne Krieg, ohne Gewalt“ heißt es da zu Beginn und man fühlt sich im besten Sinne an John Lennons „Imagine“ erinnert.

Den Schluss des Albums bildet ein neues seiner bekannten „Zwiegespräche“ mit Freund Willy, in dem er seine Fassungslosigkeit über die Morde in Hanau am 19. Februar 2020 beschreibt und dem 22jährigen Vili-Viorel Păun, der versuchte, den Attentäter zu stoppen und dann selbst von ihm erschossen wurde, ein dichterisches Denkmal setzt.

WECKER rührt an unser Gewissen und unsere Verantwortung: „…man darf sich nicht zurücklehnen, mit dem sicheren Gefühl, nun Demokrat zu sein.“ appelliert er und „Demokratie ist ein lebendiger Prozess und ein Ideal, an dem man immer wieder hart arbeiten muss…“

KONSTANTIN WECKER dichtet und denkt. Und ich finde, man darf ihn getrost einen Dichter und Denker nennen.
In Woody Allens Film „Midnight in Paris“ steht die Hauptfigur im nächtlichen Paris als Punkt Mitternacht ein Auto vorfährt, in dem die von ihm verehrten Literaten Hemingway und Scott Fitzgerald sitzen und ihn einladen, mit ihnen zu kommen. So verbringt er ein paar Stunden im Kreis der großen Intellektuellen des frühen 20. Jahrhunderts.
Man wünscht Wecker eine ähnliche Begegnung. Vielleicht an einer Straßenecke in Weimar. Es fährt eine Kutsche vor, drinnen sitzen Goethe und Schiller, vielleicht noch Heine, Lessing und Shakespeare, der Sonette wegen, und Wecker hätte die Gelegenheit, einige Stunden mit ihnen über Politik und Poesie, über Herrschaft und Revolution zu diskutieren, zu philosophieren und im besten Sinne auch zu streiten. Ich glaube, das könnte ihm gefallen.

9/10