DREAM THEATER - A View From The Top Of The World

11 dreamtheater

VÖ: 22.11.2021
(Inside Out/Sony)

Genre:
Progressive Metal

Homepage:
DREAM THEATER

Die New Yorker Prog Metal-Hohepriester kamen letztes Jahr gerade noch rechtzeitig ins Ziel. Nach dem letzten Longplayer „Distance Over Time“ folgte eine Tour dazu, der sich eine weitere Konzertreise zum Jubiläum von „Metropolis Part 2: Scenes From A Memory“ mit kompletter Liveaufführung anschloss. Die ging gerade zu Ende als die Welt in den Lockdown fiel, wo sich die Livemusik heute noch zu weiten Teilen befindet. Zeit um neue Songs im stille Kämmerlein zu schreiben war also reichlich, als sich die gesamte Menschheit dorthin zurück ziehen musste.

Wie immer sind DREAM THEATER bemüht sich stets neu zu erfinden und wollen immer Dinge ausprobieren, was auch der Geist einer progressiven Band sein sollte. Wobei man immer aufpassen sollte nicht die eigene Identität zu verlieren, was ihnen immer gelungen ist und auch hier wieder gelingt. Dennoch lasen sie den songdienlichen Anspruch des Vorgängers hinter sich und erforschen neue Klänge und Möglichkeiten. Das macht sich schon in der Spielzeit bemerkbar, die mit weniger Liedern mehr als zehn Minuten draufpackt, die wie gehabt reichhaltig gefüllt sind.

Dabei wird dem Hörer keine Zeit zum Einfinden gelassen, kein Intro, kein Songaufbau, John Petrucci frickelt sofort drauflos. Keyboardflächen schieben sich allmählich unter das Riffbombardement, bevor er ins Staccato fällt, aus welchem er sich selbst mit weichen Töne hinaus geleitet. Der Stechschritt der sieben Saiten ist beim Einsetzen des Gesangs wieder da, bis dahin hat die Truppe mehr Tempowechsel und Ideen verbraten als andere auf einem ganzen Album. Allerdings darf nicht verhehlt werden, dass die Melodien von „The Alien“ ziemlich kurz kommen, nicht nur weil James LaBrie´s Gesang sehr effektbeladen daher kommt.

Das erinnert an die Modernisierungsversuche des früheren Drummers und Songschreibers Mike Portnoy, vor allem auf „Systematic Chaos“. Ganz ehrlich gab sich die der Fünfer seitdem nicht mehr so sperrig und unzugänglich. Das belegt auch das folgende „Answering The Call“ mit seinen schweren modernen Flächen und noch mehr „Awaken The Master“ mit seinem körnigen Gitarrensound.
Dessen Abfahrten stehen de Opener in nichts nach, dazu fallen die Schleier, die Jordan Rudess mit seinen Tasten drüber legt sehr düster aus. Umso mehr überrascht, dass sich da ein sehr melodischer Refrain heraus schält. Im vorher genannten Titel schwillt der gar hymnisch an und duelliert sich gekonnt mit interessanten Spielerein, die Rudess aus seinem Keyboard-Arsenal zaubert.

Der Mann ist so etwas wie der heimliche Star des Albums, während sich Petrucci oft mit typischen Mustern zufrieden gibt. Unglaublich was der alles für futuristische Klänge aus seinen Synthesizern heraus holt, welche die Songs immer wieder bereichern, doch auch die guten alten Orgelklänge packt er aus. Solotechnisch darf er ebenfalls ran, wo er sich mit seinem Gitarristen bis in höchste Geschwindigkeiten jagt. Dazu setzt er vermehrt auf Orchestrierungen wie sie auch dem selbstbetitelten Werk zu finden waren, und mit heutiger Software fast echt klingen, gerade bei so einem Crack.

Bestes Beispiel ist der abschließende Titeltrack dessen zwanzig Minuten er mit langen Filmscore-artigen Sequenzen einläutet. Die gedämpften Staccato, welche von John Myung´s Bass unterlegt werden finden sich ein wenig zu oft auf der Scheibe, dafür wissen die getragenen Melodielinien zu überzeugen. Der eigentliche Song wird hier zwischen erwähntem Intro und der langen Coda eingebettet, die sehr ruhig beginnt und auf Akustische und Piano zurück greift. Die Leadmelodien wechseln sich mit ruhigem Gesang ab, die Hauptthemen kehren nicht mehr zurück.

Am typischsten dürfte „Transcending Time“ sein, das noch vom Vorgänger stammen könnte und deutlich von RUSH beeinflusst ist, was vor allem die Drumrolls offenbaren. Die offene Stimmung tut inmitten der Riffattacken gut und öffnet Räume. Die werden von fast feierlichen Arrangements, speziell im Chorus gefüllt, auch wieder so ein Rudess-Moment.
„Sleeping Giant“ geht hingegen den postmodernen Weg und nähert sich mit seiner Atmosphäre dem New Art Rock an. Die Instrumente breiten weite Teppiche aus, auf denen man zum Schweben kommt. Das Solo will etwas bluesig klingen, dafür fehlt Petrucci jedoch das Feingefühl, die Fusion-Anleihen im Auftaktstück liegen ihm dann schon eher.
Auch auf dem fünfzehnten Langeisen suchen DREAM THEATER nach neuen Ausdrucksformen, auch wenn die hier zu sehr über die Songs gestellt werden, doch Wiederholung ist für sie nicht drin. Sicher nicht das beste Werk der Karriere, aber stark genug, um die Spitzenposition locker zu verteidigen. Auch weil die Spieltechnik wieder einmal über allen anderen steht.

Punkte: 7,5 / 10

 

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