VARDIS - 100M.P.H.@100CLUB
VÖ: 26.11.2021
(Steamhammer/SPV)
Style: Hard Rock/NWOBHM
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VARDIS
Was hilft in einer schwierigen Pandemiezeit? Am besten Musik, dachten sich VARDIS als sie am Freitag, den 13. März 2020 ihr auf zwei Stunden gedehntes Live-Konzert gaben. Irgendwie passt dieses markante Datum ins Bild. Auch wenn das Gesamtausmaß von Covid19- zu dem Zeitpunkt überhaupt noch nicht absehbar doch die bedrohliche Atmosphäre innerhalb der Bevölkerung in vielen Ländern zu spüren war, trotzte der '100 Club' eine Kleinlocation in England, noch dem in dieser denkwürdigen Nacht einschließlich großartig vor kräftig mitgehender teils international angereister Fankulisse aufspielender Band in der Oxford Street einer von Unsicherheit und angespannter Atmosphäre geschlauchten Welt.
Nach zähem Rechtsstreit mit ihrem Platten-Label in der Zeit von 1983 – 1985 aus dem sie als Sieger hervorgingen, allerdings ziemlich desillusioniert waren, was einen Besetzungswechsel nach sich zog, blieb das Trio mit Ausnahme der Album-Compilationen 'The Very Best Of Vardis (1997)' und 'The World's Gone Mad: The Best of Vardis' (2002) immerhin drei Jahrzehnte von der Bildfläche verschwunden. Seit 2014 wurden VARDIS nach langer Auszeit beim BRO-FEST aktiv, wo sie mir als letzter Act eines phantastischen NWOBHM-Events in Newcastle noch gut in Erinnerung sind. Mit dem 2016er Album 'Red Eye' feierten VARDIS ein sogar ein erstaunlich starkes Comeback, das sie von ihrer treuen Fangemeinde nach Kräften unterstützt zurück auf die Bildfläche brachte. Unvergessen ist für mich ebenso der 2016er-Autritt von VARDIS beim Headbangers Open Air in Brande-Hörnerkirchen, wonach ein restlos begeisterter Rezensent in vordester Reihe klatschnass geschwitztem T-Shirt völlig ausgepowert, anschließend zwei Becher Kaltgetränke plus zwingend erforderliche Pause dazu einlegen musste. Wieviel Energie in dem englischen Underground-Kult-Hardrock-Trio steckt, belegt auch die Tatsache, dass VARDIS sogar neben dem Grindcore-Urgestein NAPALM DEATH (!) bestehen konnten, weil sie einen triumphalen Live-Gig in der 'O2 Academy' (Leicester) auf die Bretter zu legten. Respekt! '100 M. P. H.“@100 Club' fesselt als durchweg berauschendes Live-Erlebnis dass ein energiegeladen auf oberstem Top-Level agierendes Trio in Bestform zeigt.
„Garantiert ohne Overdubs!“ lautete das Motto auf dem 1980 erschienenen VARDIS-Kult-Livealbum '100 M.P.H.“, geziert von fettem Blues-Boogie dem 1981 mit 'The World's Insane“ ein starkes Studiolongplaydebüt folgen sollte. Was damals 1980 galt, besitzt auch 41 Jahre später genauso seine Gültigkeit! Hart, griffig und treibend flott geht es zur Sache, aber nicht VAN HALEN-like (!), dafür sind VARDIS im Grunde viel zu sehr auf Straßenrock gebürstet, was ehrlicher ist als die von der Plattenfirma empfohlene, nicht im Geringsten zur Band passende Mainstreamplürre, die einzig dem Zweck der Umsatzsteigerung dient, aber den Fans nicht das gibt, was sie von VARDIS erwarten dürfen. VARDIS ignorierten diesen frommen Wunsch folgerichtig, obgleich VAN HALEN immerhin zu den Großen 80er-Stadionhardrockacts gehören, würde ihr glatt gebügelter Stil ganz und gar nicht zu dem quirligen England-Rock n' Roll-Trio passen, worin sich erdig Rockiger Bluesboogie und kantiger Hard Rock zu einer kachend harten, zeitlosen Melange verbinden, deren rauhbeiniges Gemisch sich bereits in den frühen 80ern als hervorragend geeignete Alternative zwischen Acts wie MOTÖRHEAD, ROSE TATTOO, TANK, RORY GALLAGHER, STATUS QUO und CHUCK BERRY etablierte. Stimmlich kommt Steve Zodiac's Gesang dem legendären irischen Blues Gitarrenvirtuosen RORY GALLAGHER extrem nahe, was sicher kein Zufall ist. Das Fehlen des HAWKWIND-Covers „Silver Machine“ fällt auch nicht allzu sehr ins Gewicht, da es hier um pures Livespektakel geht und überflüssige Coveralben gibt’s bereits zur Genüge, denn im Endeffekt (vielleicht abgesehen von „Power Underfoot“) ist auf diesem tollen Livedoppeldecker so ziemlich alles enthalten, was beinharte N.W.O.B.H.M.-Fans an diesem Urgestein, von dessen Gründungs Line Up nur noch Gitarrist Steve Zodiac übrig ist, der vom 1982 vom Sounds-Magazin zu den fünfzehn weltbesten Gitarristen gewählt wurde, lieben und wertschätzen.
Kampferprobte Hard Rock n'Roll-Bluesboogiefetzer wie „Steamin' Along“, „Out Of The Way“, „Dirty Money“, „Mods and Rockers“, „Jolly Roger“ oder „If I were King“ geben klassischer Hard Rock-Anhängerschaft reichlich Grund, sich auf das ungeschliffen pure Zweistunden-Rock n' Roll-Live-Spektakel der Extraklasse zu freuen! In dem Sinne: „Let's Go again“!„Red Eye“ rockt sich kraftvoll stampfend ins Gehör, „Situation Negative“ (Boogie Blitz) knallt heftig von harter essentieller RORY-GALLAGHER-Bluesboogieschlagseite beeinflusst. Herrlich mit welch enormer Spielfreude und wieviel exzellentem Niveau Steve Zodiac soliert. „Shoot Straight“ darf ebenso wenig fehlen, ein unwiderstehlich kraftvoll im BLACK SABBATH-Groove röhrendes „Move Along“ lässt gar Metallische Roots durchscheinen. Die Wirkung des zunächst heroisch für die Fans zum Mitsingen angestimmten sich in ein knallhartes Rock n' Roll-Bluesboogie-inferno verwandelnden Titelsongs „100 M.P.H. (I won't Go To Hell)" der am Ende noch gelungenermaßen mit Sequenzen des ROLLING STONES-Klassikers „Paint It Black“-verbunden wird, steht völlig außer Diskussion. Amtlich druckvoll produziert sind sich VARDIS in jeder Hinsicht treu geblieben... das schöne daran: alles 100 % original und... - Garantiert ohne Overdubs!
Fazit: Ungeschliffen erdiger Rock n' Roll n' Bluesboogie mit von Angang bis Ende fesselndem Liveclub-Feeling hat einen Namen: VARDIS! Obgleich MOTÖRHEAD und RORY GALLAGHER der Szene schmerzhaft fehlen, ist da noch eine Combo, deren zeitloser perfekt fusionierender Hard Rock mit kräftiger Ladung Bluesboogie einmalig ist und bleibt; deshalb gilt die Regel: - Wie gut, dass es VARDIS gibt! 9/10