MASTODON - Hushed And Grim
VÖ: 29.10.2021
(Reprise/Warner)
Genre: Sludge/Progressive
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MASTODON
Alte Fans werfen dem Vierer aus Atlanta ja gerne Verrat an den eigenen Wurzeln vor. In der Tat hat man sich von den Hardcore – und Sludge-Wurzeln weit entfernt, doch eine Hinwendung zu radiotauglichem Material fand auch nicht statt, welche so viele sehen wollen. Viel eher hat man mit der Hinzunahme mittlerweile aller Mitglieder am Gesang die Vielfalt deutlich erhöht, während es anfangs ja nur Bassist Troy Sanders war, der mit gutturalen Gesang die Lieder trug. Klar kann man grob hymnischen Alternative Rock auf deren Fahnen schreiben, aber das wird einem Mammutwerk wie „Hushed And Grim“ nicht gerecht.
Die ersten Titel könnten da sogar in dieses Raster passen, doch wenn die Härteschraube etwas anzieht, dann kommen da plötzlich da Erinnerungen an die progressive Phase von ENSLAVED auf. Sowohl in den Riffstrukturen als auch in den Klargesängen wie schon beim Opener „Pain With An Anchor“, die Leads im noch melodischeren „Teardrinker“ könnten ebenfalls irgendwo in Skandinavien entstanden sein.
Geht man die Härteskala noch weiter hinauf, so stößt man bei „Savage Lands“ sogar auf thrashige Elemente, wobei auch ein wenig Schwärze mit reinspielt. In der Hinsicht interessant sicherlich auch „Pushing The Tides“, das man sich durchaus auf „St. Anger“ hätte vorstellen können. An schrägen Gitarrentexturen mangelte es MASTODON noch nie, das abschließende „Gigantium“ ist ganz progressives Epos und „Peace And Tranquillity“ wäre gerne von Josh Homme geschrieben worden.
All der Wahnsinn kulminiert im längsten Track „Gobblers Of Dregs“, in dem Sludge-Schwere, weite Melodien und progressive Ideen miteinander verschmelzen und auch vor Synthesizern nicht Halt machen. Dabei offenbaren die Jungs ein unglaubliches Siebziger-Gespür, bei dem sie ihre Musikalität unter Beweise stellen können. Es wäre in ihrer Entwicklung viel zu schade gewesen, wenn sie diese hinterm Berg gehalten hätten, zumal die krude Härte immer noch da ist.
Es ist jedoch diese Abkehr davon, das totale Gegenteil, das am meisten überrascht, dann wenn ruhige verhallte Klänge aus dem Akustischen dringen und dezent von Moogs veredelt werden. So kommen traumhafte Melodien zustande wie in „Eyes Of Serpents“ dessen kehliger Chorus sich so wunderbar einfügt.
Am nächsten an das was früher vielleicht mal im Radio lief kommt „Had It All“, welches im Refrain nicht so aufbraust. Ihr Meisterstück liefert die Truppe aber mit „Skeletons Of Splendour“ ab, bei dem die fallenden Tonfolgen von Beginn an in ihren Bann ziehen. Der raue Gesang bildet auch hier einen großartigen Kontrast zu der schwebenden Atmosphäre, speziell wenn er flehend anzieht.
Das Synthsolo ist nur ein Beispiel für die überbordende Kreativität der Scheibe, die pandemiebedingt noch üppiger ausfällt. Damit machen sie sehr vieles richtig, doch auch der Hörer muss vieles richtig machen und sich darauf einlassen um diesen Brocken zu packen, doch am Ende wird man reich belohnt.
8,5 / 10