ENVY OF NONE - Envy Of None

04 envyofnone

VÖ: 08.04.2022
(KScope/Edel)

Genre: Elektronik/Ambient

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ENVY OF NONE

Es gibt ein Leben nach RUSH, so schwer es auch fällt, das gilt für Fans und die beiden noch lebenden Bandmitglieder. Schon als der viel zu früh verstorbene Neil Peart Mitte der Neunziger nach persönlichen Schicksalsschlägen eine Pause einlegte, waren Alex Lifeso und Geddy Lee mit ihren Projekten beschäftigt. Während der Bassist und Sänger an verschiedene Ideen arbeitet, welche noch nicht spruchreif sind, hat der Gitarrist nach VICTOR wieder ein neues Bandvehikel am Start. Mit Bassist Andy Curran von CONEY HATCH, dem Produzenten und Keyboarder Alf Annibilani ist die junge Singer/Songwriterin Maiah Wynne sicher die Entdeckung. Als ENVY OF NONE habe sie nun ihr gleichnamiges Debüt veröffentlicht.

Etwas seltsam mutet es schon an, dass die Formation keinen Schlagzeuger hat, doch wenn man einmal mit dem „Professor“ zusammen gespielt hat, fällt es schwer adäquaten Ersatz zu finden. Somit sind die Drumspuren auf dem Album allesamt elektronisch und haben auch nur wenig mit klassischen Rockdrums gemein. Das ist auch für den experimentierfreudigen Prog-Gott ungewohnt, aber spinnen wir mal den Faden von „Red Sector A“ weiter und berücksichtigen Songs wie „Sending Out A Warning“, die ansatzweise Vorboten waren.

Wirkliche Schlagzeugspuren wären bei der Art Musik auch eher unangebracht, denn vieles funktioniert elektronisch und versprüht viel Atmosphäre. Rockende Momente sind da sehr selten gesät, wenngleich ENVY OF NONE keinesfalls nur auf Beats setzen. Vielmehr nutzen sie diese Art der Klangerzeugung sehr intelligent und arrangieren geschickt.
Die Sequenzer drücken den Opener „Never Said I Love You“ nach vorne, die Stimmung baut sich langsam auf, Lifeson streut ein paar Leads ein, vermag aber mit seinem flächigen Riff im Refrain mehr Akzente zu setzen. Mit dem braust der eingängige Refrain verhältnismäßig auf, Erinnerungen an GARBAGE werden wach.
Den Neunziger-Ikonen ähnlich erweist sich auch „Enemy“, das ein wenig schwerfälliger daher kommt. Das Hitpotential des Eröffnungstracks hat hingegen nur noch „Dumb“, weil dessen Rhythmus ein bisschen mehr fordert. Vielleicht noch „Old Strings“, bei dem Lifeson ein paar wunderbare PINKFLOYD-Momente zaubert.

Das ist zwar die einzige Ballade auf dem Erstling, dessen schwebende Atmosphäre zieht sich durch das gesamte Werk. Vieles schwebt einfach nur an einem vorbei, alles klingt verhallt, fast unwirklich, streckenweise gespenstisch, ohne je unterkühlt zu wirken. Immer wieder schauen Gitarrenakkorde vorbei, da mal ein Piano, viele Elemente perlen einfach herab und verschwinden wieder.
Lifeson erweist sich hier als der Meister des flächigen Spiels, welches er in den Achtzigern perfektioniert hat, seine Saiten legen Teppiche auf denen sich die Songs breit machen können. Ab und an wie in „Spy House“ geht er etwas kantiger zur Sache, was aber dann eher an den alternativen Rock von VICTOR angelehnt ist als an seine legendäre Formation.

Alles ist in der Schwebe, gleitet ineinander über, kennt kaum Raum und Zeit. Maiah Wynne unterstützt jene entrückte Atmosphäre mit ihrem großartigen Beitrag. Fein haucht ihre glockenklare Stimme die Töne mit dem passenden Feeling hin, integriert sich fast als weiteres Instrument. Manchmal muss der Bass von Curran für Tiefe sorgen und Songs wie „Look Inside“ erden, damit sie nicht völlig entgleiten. Dort tönt er sehr rau und verzerrt, ohnehin wird vieles mit Effekten beladen.

ENVY OF NONE schaffen es ein sehr homogenes Bild zu zeichnen, sich klar zu definieren. Herkömmliche Strukturen werden aufgelöst, der „Kabul Blues“ könnte mit seinen Licks tatsächlich wie einer klingen, wenn er mit Rockinstrumentarium eingespielt worden wäre. Es gibt aber eben diesen neuen interessanten Ansatz, der seine hypnotische Wirkung zu erzeugen weiß und viel Interpretationsspielraum lässt. Am Ende dann ein klein wenig Konventionelles, wenn der Gitarrist mit „Western Sunset“ auf der Akustischen zu dezenter Orchestrierung seinem Freund gedenkt.

7 / 10

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