GALAXY - Runaway Men

07 galaxy

VÖ: 27.05.2022
(Shaded Monn Entertainment/Bertus)

Genre: Neo Prog

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GALAXY

Manchmal entstaubt man in den Archiven Material, von dem man sich fragt, warum es dort gelandet ist. Ganze 25 Jahre nach den Aufnahmen bringen die Niederländer ihr überarbeitetes Debüt auf den Markt, da sie damals kurz später desillusioniert aufgaben. Bart Schwertmann gewann die Soundmix Show im Fernsehen und war in mehreren Bands aktiv, zuletzt bei den Prog-Urgesteinen KAYAK. Möglicherweise lag es am Zeitgeist, dass die Songs nie veröffentlicht wurden, an denen die vier Jungs seit ihrer Kindheit gebastelt haben, als sie ihre Gruppe 1983 gründeten.
Seien wir ehrlich, bereist zu Zeiten der ursprünglichen Sessions war diese Art von Musik aus der Zeit gefallen, Prog schien tot, Neo Prog noch viel mehr. Eigentlich fing es da gerade im Underground mit Bands wie ARENA wieder an und auch PENDRAGON legten richtig los. Selbst die haben sich heute eher von dem Sound emanzipiert, die Szeneüberflieger MARILLION sowieso, lediglich IQ liefern heute noch solch nostalgische Klänge. Daher ist es umso schöner, wenn es Nachschub davon gibt, dazu noch mit dem Maß an Authentizität.

Man mag es puren Anachronismus nennen, aber GALAXY haben wunderbare Songs geschaffen und entführen in eine Zeit, als vieles besser und unbeschwerter schien. Die Ähnlichkeiten zu den genannten Einflüssen sind nicht von der Hand zu weisen, wobei die Vier deutlich geradliniger zu Werke gehen, es zwischendurch auch mal rocken lassen. Von der Melodieführung ist das flüssiger, weniger schwelgerisch, sieht man mal vom abschließenden Titeltrack ab, der wunderbar versponnene, sanfte Licks anbietet, um dann wieder die ganz weiten Räume zu öffnen.
Hier stapeln sich die Keyboards aufeinander, was Ard Ofers aufbietet ist große Klasse, von analogen Synthesizerflächen, Mellotronschwaden, schnellen Läufen auf digitalen Synthies, Pianotönen bis hin zur auch mal aufbrausenden Orgel hat er alle Farben auf der Palette. Wie er diese einzusetzen weiß, wie er mit der Gitarre von Niles Lingbeek harmoniert ist ganz große Kunst, wie die beiden die Hörer einlullen, gefangen nehmen und dann wieder treiben lassen. Beide fallen auch solistisch auf, stellen ihre Fähigkeiten immer in den Dienst der Songs, die immer im Vordergrund stehen.

Jener Lingbeek weiß an den sechs Saiten eine ebensolche Dynamik aufzubieten, feine Leadmelodien sind ihm ebenso wenig fremd wie prägnante Riffs oder weiten Akkordfolgen. So gelingt es große Spannungsbogen aufzubauen, das Tempo geschickt zu variieren, dabei aber immer frisch und nie verkopft zu wirken. Sicher das größte Plus von „Runaway Men“, dem sie mit „Talk To Me“ die Krone aufsetzen. Flirrende Keys, kraftvolle dennoch zurückhaltende Staccato und ein Fauchen, das an VIRGIN STEELE erinnert, wobei das hier mehr Biss hat als deren letztes Boxset. Der Refrain breitet sich als Landschaft vor dem geistigen Auge aus, knallige Breaks lassen die Stimmung endgültig empor streben.

Der warme und transparente Klang der Neuauflage bringt sämtliche cleveren Details gut zur Geltung und unterstützt die Eingängigkeit der Kompositionen. Klar ist da viel Wohlklang dabei, auch weil der Prog-Faktor nie übertrieben wird, sondern schön die Balance hält. Das nährt den Boden für Schwertmann, der nebenbei am Bass Akzente zu setzen weiß. Was der Mann mit seiner klaren Stimme für Melodielinien hervor zaubert und dabei hochemotional phrasiert ist phänomenal. Man höre nur den süffigen Chorus von „Never The Same“, der jeden mitreißt, der nicht schon lange tot ist. In dem Zustand müssen auch einige Plattenfirmenvertreter gewesen sein, die damals die Veröffentlichung dieses Werkes ablehnten.

9 / 10

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