AYREON - The Universal Migrator Pt. I & II

11 ayreon

VÖ: 18.11.2022
(Music Theory Recordings)
(Remixed & Remastered)

Genre: Progressive Rock/Art Rock/Space Rock

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AYREON

Nachdem der frühere VENGEANCE-Mann mit den ersten beiden Alben seines ersten eigenen Projekts Mitte der Neunziger kaum Beachtung fand, wurden die Umstände mit „Into The Electric Castle“ deutlich besser. Der progressive Rock schob sich so langsam wieder in den öffentlichen Fokus, woran auch das Label Inside Out seinen Anteil hatte, bei dem AYREON damals andockten. Dessen Nachfolger „The Universal Migrator“ erschien mitten hinein in das große Revival zu Beginn der Nullerjahre und bescherte ihm die erste Chartplatzierung auf dem wichtigen deutschen Markt. Nun wurde die Scheibe remixt und remastert mit umfangreichen Booklet neu aufgelegt.

Verfolgte Lucassen zuvor noch das Konzept fast musical-artig jedem Charakter seiner Geschichten einen bekannten Vokalisten zuzuordnen und damit mehrere Sänger in einem Song zu haben, so entschied er sich hier nur für einen Protagonisten pro Stück. Wobei auch hier ab und an eine zweite Stimme für notwendigen Background sorgt. Jene stammt meist von Lana Lane, deren Ehemann Erik Norlander viele Tasten auf der Scheibe eingespielt hat. Den Großteil der Instrumente übernahm der Mastermind selbst, in „Carried By The Wind“ sogar den Gesang.

Lediglich die Drums gaben die beiden an Rob Snijders sowie Ed Warby aus der Hand, dazu findet man diverse Gastsoli von Cracks wie Clive Nolan oder Gary Wehrkamp. Ein weiterer Unterschied war, dass die verschiedenen Einflüsse nicht mehr wild durcheinander gemischt wurden, sondern das Werk in zwei unterschiedliche Scheiben unterteilt wurde, die sich stilistisch stark unterschieden. Das fing schon bei der Auswahl des Personals an, nur Lane und Damian Wilson singen auf beiden Teilen, und jeder Schlagzeuger hat jeweils sein Album eingespielt.

„The Dream Sequenzer“ geht ganz tief in die die Siebziger, streift mit seiner psychedelischen Schlagseite teils die Sechziger. Progressiver Rock, Art Rock und auch Space Rock erzeugen eine unglaubliche Atmosphäre, die hier stark konzentriert wird. Floydige Leads sind da nicht weit, ebenso wie mächtige Synthesizerkathedralen, blubbernde Sequenzer oder wabernde Flächen.
Nach dem Intro wird das alles in „House Of Mars“ zur Vollendung gebracht, wenn die sonore Stimme von Johan Edlund den Raum erfüllt, umgeben von all den über Tasten gemalten Landschaften. Schält sich ohnehin ein prägnantes Grundthema heraus, so duelliert sich der TIAMAT-Boss in der Mitte mit genialen Synthesizern, die sich wuchtig auftürmen.
Hymnisch und mit vielen floydigen Zitaten geht es in „One Small Step“ zu, bei dem der frühere KAYAK-Sänger Edward Reekers die Strophe gefühlvoll intoniert und im Chorus von Lane unterstützt wird. In der Mitte findet ebenfalls ein Schaulaufen der beiden Tastencracks statt, wobei der Mastermind auch mal zu den sechs Saiten greift.

Psychedelischer geht es bei „The Shooting Company Of Captain Frances B. Cocq“ zu, wo Mouse von TUESDAYS CHILD zu hören ist. Dessen blubbernde Soundscapes katapultieren die Weltraumthematik so richtig in den Orbit. Orientiert man sich hier an Bands der Siebziger wie HAWKWIND, so geht es in „The First Man On Earth“ tief in die Sechziger. Von den Instrumenten und vor allem Gesangsharmonien verbeugt sich Lucassen mit Sänger Neal Morse tief vor den BEATLES.
Neben all den Bezügen zur Vergangenheit weist das Werk auch in die eigene Zukunft. Im schwebenden „Dragon Of The Sea“, bei dem Lane als Hauptstimme im Refrain in weite Sphären vordringt, sind es vor allem die flirrenden Akustiktöne, welche „The Human Equation“ vorweg nehmen. Selbiges gilt auch für die Streicher und Melodieführung im ebenfalls sehr psychedelischen „Temple Of The Cat“.

Komplett anders gestaltet sich der zweite Part „Flight Of The Migrator“, welcher die metallische Kante aus Lucassen´s Vergangenheit aufweist. Das Instrumental „Chaos“ ist zum Auftakt passend betitelt, beinhaltet es doch einige Prog-Abfahrten, bei dem sich die Musiker austoben können. Ist das Intro des folgenden „Dawn Of A Million Souls“ noch eine analoge Synthesizerwand, so wandeln sich die Tastentöne mit Einsetzen der schweren Riffs hin zur Hammond B3-Orgel. Die fügt sich ebenso toll ein wie Russell Allen als Sänger, der eine Stimmung wie auf „Headless Cross“ von BLACK SABBATH erzeugt.

Ein paar Schippen Härte und Tempo legt „Journey To The Waves Of Time“ drauf, das von PRIMAL FEAR-Mann Ralf Scheepers nach proggigem Intro so richtig nach vorne geschrien wird. Eine ebensolche Hatz durch vertrackte Rhythmen meistert Fabio Lione von RHAPSODY in „Through The Wormhole“. Am Ende geht es in „The New Migrator“ mit Ian Parry von LABYRINTH noch einmal durch die ganzen Themen dieses Meisterwerkes.
Die große Stärke des zweiten Silberlings liegt in den Longtracks, die neben rockigen Passagen auch progressiven Stimmungen Raum bieten. HELLOWEEN-Frontmann Andi Deris arbeitet sich durch verträumte Welten ebenso wie durch Riffattacken, die immer intensiver werden. Doch hinter Bruce Dickinson stehen sie alle zurück, was er getragenen dreiteiligen „Into The Blackhole“ an Phrasierungen auf Lager hat ist ganz großes Kino.

Mit solchen Koryphäen war „The Universal Migrator“ schon bei seiner Veröffentlichung ein Meilenstein, der den heutigen Erfolg von AYREON mitbegründete. Ein Studiotüftler wie der gute Arjen ist aber nie zufrieden mit dem Ergebnis und heute dürften ihm andere technische Möglichkeiten zur Verfügung stehen als seinerzeit. Was man in der Neubearbeitung deutlich hört, da klingt alles viel voller und wärmer, die Dynamik wurde sogar noch erhöht. Alle Details wurden besser heraus gearbeitet, die Riffs erzeugen mehr Druck, ohne dass der Grundcharakter verändert worden wäre. Wer das Teil bis heute nicht hat, der kommt jetzt nicht mehr drum herum.

9 / 10

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