VIOLET - Mysteria
VÖ: 13.12.2024
(Metalopolis Records)
Genre: AOR/Melodic Rock
Homepage:
VIOLET
Schweden galt ja bislang als das Mekka für melodischen Hard Rock der Achtziger-Prägung, in anderen Ländern muss man danach eher suchen. Klar hat die Spielart dort am meisten Geschichte, doch irgendwo tief im Schwäbischen wird man ebenso fündig. Bemerkenswert, dass es sich hierbei um sehr junge Musiker handelt, die vor zwei Jahren mit „Illusions“ ihr Debüt feierten, und sich voll und ganz der Dekade verschreiben haben. Mit nun festem Drummer und im Anschluss an die starke Single „Calling For You“ nehmen VIOLET den nächsten Sprung in Angriff. Mit der Ankündigung von „Mysteria“ kam auch die Bestätigung des ersten Gigs im Land der Elche, auf dem Malmö Melodic.
Dabei steht die Eighties-Komponente stärker im Vordergrund als die Rock-Schlagseite, denn der Fünfer nimmt klangtechnisch wirklich alles mit, was jene Ära zu bieten hatte. Das waren mehr als knallige Breaks und schrille Riffs, und so kommt der Opener „Sex In Harmony“ sehr atmosphärisch rüber. Wobei sie das mit den Harmonien sehr genau nehmen, die sind wunderbar ausgefeilt, und passen sich optimal den New Wave-Keyboards von Filip Kuzanski an. Damit versprüht nicht nur die Mähne von Sängerin Jamie Beckham New Romantic-Vibes.
Seine Axt darf Manuel Heller im folgenden „Angelina (Talk To Me)“ mehr röhren lassen, wobei man den typischen Drive für jene Zeit etwas vermissen lässt und stattdessen weiter auf sehr fein ausstatierte Arrangements setzt. Man glaubt es kaum mit blutjungen Musikern tun zu haben, das hat eine unglaubliche Reife, alles läuft wunderbar ineinander. Sogar zu einer fast zur Untugend verkommenen Achtziger-Tugend holt man voller Überzeugung aus und serviert sogar ein klasse Saxophon-Solo.
Jenes findet sich auch in „Only You“ wieder, das stark von den Synthesizern geprägt wird. Im Refrain paaren sich Beckhams Vocals mit einer männlichen Stimme, bevor Schlagzeuger Maurice Probst die Szenerie mit zwei Beckenschlägen kurz explodieren lässt. Flotter geht es in Stücken wie „Bad Dream“ zu Werke, das erinnert eher an Pop Rock-Hitlieferanten wie T´PAU, die das Songwriting-Handwerk verstanden. Oder falls sich noch wer erinnert, werfe ich noch DOMINOE in den Raum, die einst in der ZDF-Hitparade auftauchten.
Selbst der Bass-Sound von Eric Hart ist so sehr in jenen Zeiten verankert, dass wirklich niemand glaubt, dass das hier pressfrisch ist, Hall inklusive. Doch VIOLET verstehen es nie klebrig zu wirken, auch im eher soften „I Don´t Want To Fall In Love“, bei dem auf diese männlichen Back-Ups aus dem Off zurückgegriffen wird. Gehört hat man die Melodieführung in diesen toll produzierten Passagen ebenfalls schon in der Vergangenheit – nun muss das Rockerherz ganz stark sein – bei SANDRA.
Passenderweise hat mir mal ein Schwede gestanden, dass er die Dame für den besten deutschen Act hält. Für Zupackendes der H.E.A.T-Kategorie muss man schon zum Titelsong greifen, der mächtig Druck aufbaut und sich zu einer Fanfare aufbaut. Etwas daneben langt die Truppe jedoch mit dem arg kitschigen „Eighteen In Love“, der die „Sex sells“-Karte zu offensichtlich ausspielt. Da gefällt mir die gute Jamie in den Balladen deutlich besser, die natürlich nicht fehlen dürfen in dem Genre.
Gerade beim vom Piano dominierten „If I Had You“ spielt sie ihre stimmlichen Fähigkeiten voll aus und intoniert mit viel Gefühl, mehrstimmiger Gesang inklusive. AOR beschreibt den Stil sehr treffend, auf den sich der Hörer durchaus einlassen muss. Auf jeden Fall eine interessante Version des Stoffes, der handwerklich überraschend umgesetzt wurde und auf eine irre Zeitreise einlädt. Holt die Sakkos wieder raus, stellt Word auf Broadway-Schrift, näher kommt ihr unserer unbeschwerten Jugend nie mehr.
8 / 10