SPOCK´S BEARD - The Archeoptimist

VÖ: 21.11.2025
(Madfish/Edel)
Genre: Retro Prog
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SPOCK´S BEARD
Vor gut einem halben Jahr verkündete ein Großteil der Retro Prog-Urväter, dass sie derzeit keine Anzeichen für eine Rückkehr der Band sehen. Zu sehr waren jenes Trio mit John Boegehold bei PATTERN-SEEKING ANIMALS eingebunden, die alle eineinhalb Jahre neues Material unter das Volk brachten. Nun taucht wie aus dem Nichts ein neues Werk von SPOCK´S BEARD auf, das natürlich Fragen aufwirft. Die Frage wo der wichtige Songwriter der letzten Alben abgeblieben ist scheint mit dem Nebenprojekt beantwortet, während Keyboarder Ryo Okumoto die treibende Kraft hinter den ersten neuen Songs seit 2018 sein dürfte. Mit Nick Potters ist auf „The Archeoptimist“ ein neuer Drummer dabei, nach dreizehn Alben für Inside Out ist man nun bei Madfish, wie wirkt sich diese Konstellation aus?
Die Harmonien direkt zum Einstieg mit „Invisible“ machen klar, dass nicht alles so neu ist wie die geschäftliche und personelle Situation, eher im Gegenteil. Wurde man auf „The Oblivion Particle“ etwas moderner und mit „The Noise Floor“ sehr melodisch, so muss man hier eine klare Rückkehr zu den Anfängen konstatieren. Was nicht wundert, denn der zuletzt eingeschlagene Weg wurde ja bei der Zweitband weiterverfolgt, und Okumoto war seit jeder einer der Verspielteren. Klanglich hat man zwar die Wärme beibehalten, aber zu einem deutlich erdigeren Einschlag hin. Die Strukturen sind nicht mehr so klar, eröffnen viel mehr Improvisationsrisiko, die Melodieführung nicht mehr so straff, kurzum der Input ihrer Heimat wurde klar zu Gunsten einer deutlich britischeren Ausrichtung verschoben.
Da gibt es wieder ein paar Abfahrten, die die ein bis zwei Minuten mehr pro Song beinhalten, wo sich die Band wieder instrumental austoben kann, während gerade beim Vorgänger der Song klar im Vordergrund stand. Das mag komplex sein wie beim Opener nach dem Vokalpart oder konzentriert fordernd im weiteren Verlauf. Zusammen gehalten von den schönen Bassmotiven von Dave Meros, die vor allem die Strophen prägen. Da hat es Ted Leonard schwer sich mit seinem geschmeidigen Organ durchzusetzen, seine Kollegen nehmen viel Raum ein.
Wenn dann die Gesänge dominanter werden, dann eher im jazzigsten Titel „Afourthoughts“, wo man sich an YES-mäßigem Satzgesang versucht. Am ehesten an die letzten Scheiben erinnert noch „Electric Monk, wo auch die Leadgitarre sehr präsent ist und nur das Piano als Sparringspartner weiß. Als weiteres untrügliches Zeichen, wer hier musikalisch federführend ist sei der hohe Anteil an Keyboards genannt, die diesmal nicht nur die flächige Untermalung bildeten. Gerade an der Orgel fährt der herrlich durchgeknallte Tastenmann auf, die viel Stücke maßgeblich prägt, allen voran „St. Jerome In The Wilderness“.
War der erste Part von „The Archeoptimist“ schon ein Füllhorn an musikalischen Ideen, so legt die Formation im zweiten Abschnitt mit den beiden Longtracks richtig los. Der Titeltrack mit dem coolen Wortspiel beginnt wuchtig, bevor er die Epik getragener auswalzt. Urplötzlich nimmt ein leicht funkiger Rhythmus einen völlig anderen Kurs, der sehr eingängige Chorus hat in der Art total was von TOTO. Immer weiter jammen SPOCK´S BEARD über dieses Thema, variieren es geschickt, Alan Morse darf die sechs Saiten etwas härter straffen, rockige Riffs driften fast ins Metallische ab. Das ganz große Geschick beweist abermals Okumoto, der es mittels eines Synthsolo versteht die Nummer langsam zu ihrem weiten Ausgangspunkt zurück zu tragen, wo er diverse Orchestrationen verwendet.
Symphonisch ist dann auch das Stichwort des nur halb so langen, aber immer noch zweistellig über die Linie gehenden „Next Step“, Hier wird offensichtlich den Symphonic Prog gebaut, welche die Band zu Beginn ihrer Karriere so bemüht hat. Interessante Breaks jagen das Piano, das seinerseits aber das Tempo vorgibt und perlend anzieht. Über allem weht der Hauch von GENESIS, der sich im ruhigen Mittelpart noch deutlicher festlegt. Was seine Synthesizerläufe aber dann im Verbund mit den Drums anstellen hat schon die Qualität von „Selling England By The Pound“. Wunderbar dieses Quintett in der Form wiederzuhaben, sowohl was die musikalisch wie auch personell. Wer ihre ganz frühen Alben liebt, wird auch „The Archeoptimist“ in sein Herz schließen, ein Segen für die Szene.
8,5 / 10

