MC50 - 10 More Live

12 mc5

VÖ: 05.12.2025
(earMusic/Edel)

Genre: Proto Punk

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MC5

Niemand war radikaler als sie, niemand in der Gegenkultur weiter draußen, für ihre Zeit musikalisch aggressiver. Die Fünf aus dem Autobauer-Mekka Detroit hatten so gar keine Lust auf das Establishment, und folgten lieber der Lehre der White Panther Party frühen Managers John Sinclair. Als Urväter des Punk werden sie heute noch von der Musikszene, trotz ihrer kurzen Wirkungszeit und geringen Erfolgs gefeiert. Vor zwei Jahren veröffentlichten sie mit „Heavy Lifting“ noch einmal eine Scheibe, die an ihr Erbe anschloss.
Leider kam sie für die beiden verbleibenden Mitglieder Dennis Thompson und Wayne Kramer zu spät, die während der Arbeiten daran verstarben. Gerade Kramer, der die Geschicke von MC5 bis zuletzt hochhielt war daran neben Produzent Bob Ezrin maßgeblich beteiligt. 2018 und 2019 tourte er mit neuer Mannschaft zum fünfzigjährigen Jubiläum um den Globus, den alten Geist noch einmal herauf zu beschwören. Ein Mitschnitt jenes Ereignisses erscheint nun unter dem Titel „10 More Live“.

Der Gitarrist musste nicht lange suchen, um Mitstreiter zu finden, der Ruf seiner Combo ist immer noch laut. Von SOUNDGARDEN, die zu Beginn ihrer Karriere auch gerne lärmten kam Drummer Matt Cameron und der zweite Sechssaiter Kim Thayil. Billy Gould bedient die vier Saiten bei den nicht minder legendären FAITH NO MORE, und Sänger Marcus Durant ist bei ZEN GUERILLA aktiv. Interessant auch, dass neben Aufnahmen aus Cincinatti und Seattle auch welche von der Hamburger Fabrik Verwendung fanden.
Nur beim Blick auf die Tracklist wird man etwas stutzig, man fragt sich, wo all die Hits sind? Kein „Sister Anne“ oder „Ramblin´ Rose“ und vor allem nicht ihre Über-Hymne „Kick Out The Jams“. Dabei wurden die alle auf den jeweiligen Konzerten gespielt, aber man konzentrierte sich auf die Nummern der zweiten Reihe, die zur Hälfte vom zweiten Album „Back In The USA“. Dazu mit „I Believe To My Soul“ noch eine Ray Carles-Nummer, die oft live gebracht wurde und zeigte, dass MC5 stilistisch durchaus breit aufgestellt waren.

Gerade dessen Performance demonstriert aber wie das wilde und anarchische Element nach all den Jahren und personellen Veränderungen rüber gerettet wurde. Über Soulchöre krächzt und röhrt Durant seine Lead Vocals, die Gitarren so tonnenschwer wie das Tempo. In seinen melodischeren Momenten klingt er streckenweise wie Mick Jagger, was die Stones-Schlagseite von Liedern wie „The American Ruse“ oder „High School“ unterstreicht. Aber natürlich ging man deutlich rauer und ungeschliffener ans Werk, setzte seinerzeit quasi deren Vorgaben fort. Zwar agieren die gestandenen Cracks durchaus sauber, lassen aber den authentischen und chaotischen Touch gerne zu.

Wie schon die Drums im eröffnenden „Call Me Animal“ rollen gelassen werden macht diesen Spagat deutlich zwischen Revolte und Musikalität. Interessant auch der Groove von „Skunk (Sonicly Speaking)“, bevor am Ende mit „Starship“ eine mehr als zehnminütige Noise-Orgie eine weitere Nuance zufügt. Wunderbar zu hören wie sich Euphorie und Spielfreude breit machen, sich die Band in einen Rausch reinspielt, der Frontmann mit Blasinstrumenten krasse Kontrapunkte setzt.
Bei einer Formation wie den MC5 darf neben dem klanglichen Aufbegehren natürlich die politische Note nicht fehlen. Seine Mitstreiter feiern nicht nur ihren Bruder Wayne Kramer in den Ansagen, sondern auch die Demokratie und erklären Wahlen zur Verantwortung. Sie hätten ein Auge auf Washington, wo zum Zeitpunkt der Aufnahmen der selbe Clown wie heute Platz auf Lincolns Thron nahm. „10 More Live“ beschwört tatsächlich nochmal den Spirit der Aufbruchszeit hoch, sehr wichtig in diesen Tagen.

7,5/10