DREAM THEATER - A Dramatic Turn Of Events


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VÖ: 09.09.11
(Roadrunner Records)

Homepage:
www.dreamtheater.net

In diesem Jahr dürfte es mit A Dramatic Turn Of Events und der Kooperationsarbeit von ARCH/MATHEOS kaum zwei Veröffentlichungen gegeben haben, auf welche die Progmetal-Gemeinde mit vergleichbarer Spannung gewartet hat. Führte die Meldung eines Longplayers vom ehemaligen FATES WARNING Songschreiberduo zu massiven Zungenschnalzern, so ließ der Abgang des ultimativen Drumtiers auf der anderen Seite die Kinnladen zu Boden krachen. Mike Portnoy, der Mitgründer, das definitive Maskottchen, der Hauptdarsteller auf und abseits der Theaterbühne, verlässt die größte Progmetal Band auf Erden? Es glich einem Politikum. Ein ungläubiges Staunen dann, als die verbliebene Mannschaft ein "Wir machen weiter!" skandierte und sogleich ein neues Album mit neuem Schlagwerker ankündigte. So ist denn der Titel des nunmehr elften Studiodrehers bezeichnend für die Ereignisse des vergangenen Jahres. Mike Mangini, ehemaliger EXTREME Drumer, ist der neue Mann hinter den Kesseln und eins ist sicher: er hat vielleicht den größten Job seines Lebens angenommen, gleichzeitig auch den schwierigsten. Die aufschlussreiche wie emotionale Youtube-Doku, welche auch der Deluxe Edition beiliegt, zeigt bereits, welche beachtlichen Fähigkeiten der Amerikaner besitzt, auch wenn die anderen sechs geladenen Schlagzeuger nicht minderes Weltklasse Niveau besitzen. Mangini stellt klar, das er nicht gewillt ist, Portnoy zu kopieren, sondern die Position so respektvoll und eigenständig wie möglich auszufüllen. Sein Einsatz auf A Dramatic Turn Of Events fällt letztlich dadurch auf, dass sein Spiel vergleichsweise eben nicht so sehr auffällt. Die Drums sind weniger knallig, weniger dominant in den Vordergrund gemischt und überhaupt mehr auf songdienliche Rhythmusarbeit ausgelegt, als man es noch von Portnoy gewöhnt war. Was freilich nicht bedeutet, dass sein Spiel weniger Finesse besitzt! Dieser Umstand als auch die Tatsache, dass mit Portnoy die seit Jahren immer weiter gesteigerte thrashige Härte im Traum Theater Sound gegangen ist, führte dazu, dass speziell zwei Kandidaten mehr Raum für Entfaltung erhalten haben und auch nutzen. Jordan Rudess hat seit Ewigkeiten nicht mehr so viel Platz für sein melodisches Keyboardspiel als auch orchestrale Arrangements eingenommen, was den Gesamtsound wieder so luftig macht, wie zu Pre-Train Of Thought Zeiten. Die zweite Überraschung betrifft den vielgescholtenen Gesang von Maestro LaBrie. Dieser profitiert wohl am meisten vom Abgang des schlagzeugenden Leitwolfs, was James in einigen Interviews auch schonungslos zugegeben hat. Besser, offener und losgelöster hat der Vokalist seit den Neunzigern nicht mehr geträllert. Wenig hat sich dagegen im Saitenlager getan: John Myung zieht die dicken Saiten durchweg genial und doch unauffällig wie zuvor und Petrucci vollführt seine Riffkunst in tiefergestimmten Lagen, glänzt mit beinahe steriler und stellenweise doch gefühlvoller Technik und rennt in den (wieder mal haufenweise) vorhandenen Instrumentalstrecken die Tonleitern rauf und runter, beziehungsweise mit Rudess um die Wette. Wer jetzt trotz des Personalwechsels und der Hinwendung zur melodischeren Frühphase ernsthaft erwartet hat, dass DREAM THEATER vielleicht ja neue experimentelle Progwelten erkunden, wird enttäuscht werden. Die New Yorker bewegen sich auf dem neuen Rundling, mit seinen größtenteils überlangen neun Songs, lediglich auf von ihnen selbst erkundeten Terrain. Die Band geht mit A.D.T.O.E. auf Nummer Sicher, was ja im Anbetracht des Geschehenen eigentlich auch nachvollziehbar ist, zumindest aus Sicht der Musiker, schließlich hängt auch ihr Lebensunterhalt von der Band ab. So muss ich als Kritiker aber konstatieren, dass das Album zwar gewohnt gutklassig ausgefallen ist, ein Neuanfang hin zu anderen musikalischen Ufern und Herausforderungen aber (noch?) nicht stattgefunden hat. Der Fan bekommt definitiv zu Fressen, was ihn satt macht, ohne ihn zu überfordern. Das Traum Theater ist nach dem überragenden Scenes From A Memory, dem zumindest damals noch überraschend harten Train Of Thought und dem göttlichen Song "Octavarium", zwar immer wieder einen Besuch wert (vor allem Live), magische Momente durfte der Besucher aber immer seltener erleben. Daran ändert A Dramatic Turn Of Events leider auch nichts.