SKID ROW - Live In London

09 skidrow

VÖ: 20.09.2024
(earMUSIC/Edel)

Genre: Hard Rock/Hair Metal/Sleaze

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SKID ROW

Mehr als dreißig Jahre eierten die Hair Metallegenden etwas ziellos im Rockgeschehen umher und konnten den frühen Erfolg nicht verarbeiten. Unnötige moderne Anbiederungen oder stilistisch fragwürdige Scheiben, eine Vielzahl an Sängern und wechselnder Zeitgeist machten ihnen das Leben schwer. Anfang 2022 flog ihnen plötzlich die Rettung zu, der Schwede Erik Grönwall hat schon mit H.E.A.T bewiesen, dass er alle Talente ihres ersten Frontmanns Sebastian Bach mitbringt. Mit ihm nahmen sie „The Gang´s All Here“ auf, das hätte 1994 kommen sollen und sie zurück in die Speerspitze des Hard Rock brachte. Ausverkaufte Konzerte weltweit und ein umjubelter Auftritt beim SwedenRock waren der Lohn. Leider zwang die Gesundheit von Grönwall dieses Line-Up in die Knie, „Live In London“ ist sein Vermächtnis.

Bereits auf der Tour direkt nach dem Release am 24. Oktober 2022 im O2 Forum Kentish Town aufgenommen zeigt das Dokument zu was die Truppe in der Lage war. Klar, das Programm stellt sich von selbst zusammen, je eine Hälfte des Debüts und des Nachfolgers „Slave To The Grind“, dazu ein paar Stücke des aktuellen Drehers. Was ihnen seinerzeit viel Respekt einbrachte war, dass sie den Ankündigungen vieler Haarsprayrocker, dass das nächste Album härter wird auch Taten folgen ließen. So etablierte sich dessen Titelsong zum Showopener, wie auch an jenem Abend oder bei besagtem Gig in Grönwalls Heimat oder den Supportslots für KISS im Sommer 2023.

Mit dem hat man eigentlich schon jedes Publikum im Griff, die Riffs rollen über die Köpfe der Zuschauer hinweg, die Double Bass mahlt und die Gangshouts sitzen auf den Punkt. Klar, die Saitenfraktion, die hier nach Herzenslust ins Mikro brüllt ist seit fast vierzig Jahren zusammen. Auch an ihren Spielgeräten erweise sie sich als Macht, die sich am Bühnenrand aufreiht und keine Gefangenen macht. Natürlich wackelt ob der überbordenden Euphorie hier und da mal was, aber sympathisch, dass alles so auf dem Band zu lassen.
Rachel Bolan, der beim RAMONES-Cover „Psycho Therapy“ am Leadgesang ran darf gibt in der Mitte den Fels in der Brandung. Sein Markenzeichen, die Ketten vom Nasenring zum Ohrring ziert ihn immer noch, neuerdings auch ein Bandana. Dave „Snake“ Sabo ist eher der lässigere Performer, der immer einen spitzbübischen Charme ausstrahlt. Dahingegen wirft sich sein Partner an den sechs Saiten, Scotti Hill in alle erdenklichen Posen, springt und kickt auch mal während seines Beitrags oder reißt die Axt in die Luft.

Interessanterweise würde man ihm die knackigen Soli zutrauen, doch die liegen alle beim Bandgründer und Songwriter. Hill weiß dagegen bei den gefühlvollen Leadfills und ebensolchen Soli der Powerballaden-Meilensteine zu glänzen. „18 And Life“ kommt sehr früh und lässt die Herzen zum ersten Mal höher schlagen, auch wenn die Kracher davor nicht zu verachten sind. Aber in der Disziplin konnten sie glänzen wie kaum jemand der Konkurrenz, da war deutlich mehr als nur der eine Hit, die zudem auch sozialkritische Themen anpackten.
SKID ROW stellen klar von Beginn an die Weichen, das Publikum ist direkt hinter ihnen, wenn auch die sichtbare Aktivität ähnlich die Juvenilität hinter sich ließ wie die Protagonisten. So richtig geht der Punk bei „Riot Act“ ab, dass ganz tief in eben jenem Genre verwurzelt ist. Erst spät erinnern sich die Musiker, dass sie ein neues Album draußen haben. Dessen Auszüge wie der Titeltrack und „Tear It Down“ lassen dann die Stimmung auch nicht mehr abkühlen, zumal sie qualitativ durchaus mithalten können.

Sicherlich war es die Frische eines Erik Grönwall der den alten Recken noch einmal einen kräftigen Tritt verpasste, umso bedauerlicher, dass er nicht mehr an Bord ist. Gesanglich absolut top meistert er auch die hohen Schreie, reizt die sogar bis zum Zerreißen der Stimmbänder aus. Dazu permanent in Bewegung, die Faust pumpt unablässig in die Luft und treibt das Publikum an. Mit seinen Ansagen schwört er die Fans auf seine Hintermannschaft ein, von denen er zuvor ebenfalls Anhänger war. Sympathisch plaudert er aus dem Nähkästchen bei seinen Ansagen und rückt auch seine Kollegen ins Rampenlicht, welche sich sichtlich über die zurückerlangte Relevanz freuen.

Zum Schluss hin gibt es natürlich die absoluten Hämmer, beim bluesig einsteigenden „Monkey Business“ lässt Ron Hammersmith die Becken so richtig krachen. Immer wieder fordert Grönwall die Singalongs und lobt die Fans aufrichtig. „I Remember You“ gerät zum ganz großen emotionalen Höhepunkt mit „Snake“ Sabo an der Akustischen, bei dem das Publikum Teile ganz alleine ohne Begleitung singt. Jener Effekt wird auch genutzt, um das obligatorische Finale mit „Youth Gone Wild“ noch dynamischer zu gestalten. Da gibt es dann kein Halten mehr, weder auf noch vor der Bühne, der Energielevel sprengt die Decke fast ab.

Das ganze Geschehen wurde wunderbar aufgezeichnet, genauso roh und direkt wie die Musik, ohne viel Showeinlagen. Klanglich wurde da nicht nachgebessert, sogar der Sound der Nebelfontänen ist nachträglich nicht editiert worden. Optisch auch kein Hochglanzprodukt, das Bild oft mit Farbstich der Lightshow, dafür mit guten Kamerafahrten. Die Nahaufnahmen machen die Spielfreude in den Gesichtern sichtbar und auch bei einigen Soli schaut die Linse sehr genau hin. Sowohl akustisch als auch bildlich ist das Auditorium gut eingefangen, auch hier wird öfter ganz dicht rangezoomt und die Fans von der Regie präsentiert. So kommt die Power des beeindruckenden Gigs von „Live In London“ auch im Wohnzimmer an.

8,5/10

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