RIVERSIDE - Live ID

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VÖ: 24.01.2025
(InsideOutMusic/Sony Music)

Genre: Progressive/Art Rock

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RIVERSIDE

Mittlerweile blicken die Polen auf eine beachtliche Karriere zurück, denen einst mit „Second Life Syndrome“ der Durchbruch gelang. Acht Studioscheiben stehen ebenso viele Soloalben von Bassist und Sänger Mariusz Duda gegenüber, dazu einige EPs und elektronische Ausflüge. Beachtenswert, wen man bedenkt, dass eines der Aushängeschilder des zeitgemäßen Prog ihren Gitarristen Pjotr Grudzinski im Alter von nur vierzig Jahren verloren. Ihre jüngste Scheibe „ID.Entity“ liegt zwei Jahre zurück, mit der RIVERSIDE eineinhalb Jahre unterwegs waren. Die letzte Show vor den Festivals wurde festgehalten und wird nun unter „Live ID“ in verschiedenen Formaten veröffentlicht.

Das Konzert fand am 1. Juni 2024 in der Arena COS Torwar in ihrer Heimtatstadt Warschau statt, einer äußerlich noch von Ostblock-Zeiten Sporthalle, die annähernd 5.000 Zuschauer fasst. Einst waren Größen wie IRON MAIDEN oder DEPECHE MODE zu Gast in den Achtzigern. Daran lässt sich erahnen, wie hoch der Stellenwert der Local Heroes ist, zumal ja Polen über eine reichhaltige Progszene verfügt. In der Tat war das Venue an dem Abend gut gefüllt, wobei es beim Publikum eine hohe Altersspanne zu verzeichnen gab, wie der Videomitschnitt verrät. Interessanterweise sind die Fans zurückhaltender als hierzulande, wo schon nicht so viel Euphorie herrscht.

Duda muss um Singalongs bitten, was nicht heißt, dass sich die Menschen da bitten lassen, sie warten nur eher auf eine Aufforderung, wenn es passt. Ein paar jüngere Semester feiern ordentlich in den vorderen Reihen, der große Rest lauscht lieber hingebungsvoll. Was schön eingefangen ist, das Leuchten in den Augen ist in vielen Bildern sichtbar. Um mehr Wert auf den Austausch zwischen Künstler und Auditorium zu legen verzichtet der Vierer bewusst auf Projektionen im Hintergrund.
Die Nähe zu den Fans ist ihnen wichtig, der Fokus soll auf der Darbietung und den Emotionen liegen. Allerdings gibt es drumherum visuell auch so einiges zu bestaunen, denn die Produktion fällt größer aus als gewohnt. Kennen tut man die großen illuminierten Schirme, die halbkreisförmig hinter den Musikern stehen, aber in Sachen Lightshow wird richtig aufgefahren, Varilights in alles Positionen und sogar Laser fluten die Halle.

Ob es am Publikum liegt, dass Frontmann Duda nicht so gewitzt ist wie in letzter Zeit, lässt sich schwer sagen. Das komödiantische Element liegt ganz bei Keyboarder Michal Lapaj, der wie immer fröhlich umher springt und durch die nahe an der Rampe positionierten Tasten viel zur Kommunikation beitragen kann. Kommunikativ ist auch der gute Mariusz, nur kommt er ernster rüber, hält dafür lange und beschwörende Ansprachen. Maciej Meller taut ebenfalls erst gegen Ende auf, sucht dann die Nähe zum Sänger, und hält sich ansonsten vornehm zurück. Möglicherweise evoziert das große Venue doch eine gewisse Ehrfurcht bei den sehr konzentriert spielenden Vieren.

Klanglich ist das ungemein dicht, was RIVERSIDE da veranstalten, der knackige Bass wirkt sogar etwas wärmer als sonst. Generell klingen sie anders als zu Lebzeiten des guten Pjotr, dessen Präzision, dessen Schweben geht etwas ab. Dafür kommt mehr Groove rein, was viele Stücke rockiger erscheinen lässt. Wo früher klarere metallische Kante gezeigt wurde schneien jetzt eher alternative Welten herein. Meller tut auch gut daran, so einen Ausnahmegitarristen nicht zu kopieren und seinen Weg zu suchen, der ihm ein paar bluesige Ausflüge erlaubt. Seine Matte nutzt er schonmal zum gepflegten Headbanging, wo sein Vorgänger eher wie der Fels stand.

Klar führt der Bassist und Sänger durch die Show, instruiert immer wieder das Publikum, was beim abschließenden „Conceiving You“ mit seinen „Silent Screams“ gut funktioniert. Bei den Ansagen wechselt er zwischen Englisch und Polnisch, wobei es da englische Untertitel gibt, die Zweisprachigkeit erscheint ihm wichtig, um die universelle Bedeutung seiner Musik hervor zu heben. Neben Duda bringt Lapaj zur erdigeren Ausrichtung mehr Orgeltöne rein, lässt das Leslie schonmal wabern. Er transportiert auch die neu gewonnene Lässigkeit und sucht nicht mehr so fieberhaft nach den Tönen, sondern zeigt mehr Freude daran, diese zu zelebrieren.

Vom Programm her hätte man sich mehr aus der „Reality Dream“-Trilogie gewünscht, die nur zweimal vertreten war. Die Hälfte der Titel stammt vom aktuellen Dreher, einige Alben kommen gar nicht zum Zuge. Was wiederum davon zeugt wie sehr die Herren von ihrem Material überzeugt sind, damit immer relevant sein wollen. Technisch gesehen ist auf „Live ID“ alles gut eingefangen, wenngleich die Schnitte etwas schnell sind, man gerne länger an den verschiedenen Einstellungen Spaß hätte. Die vielen Schwenks auf das Publikum bringen den DVD-Zuschauer näher an das geschehen, und klanglich ist das wirklich kristallklar abgemischt.

8 / 10