STEVE HACKETT - The Lamb Stands Up Live At Royal Albert Hall

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VÖ: 11.07.2025
(Inside Out/Sony)

Genre: Symphonic Prog

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STEVE HACKETT

Und es geht weiter mit der Ehrerbietung an die alten GENESIS-Zeiten, nun ist Turnus-mäßig „The Lamb Lies Down On Broadway“ dran. Der frühere Gitarrist ist derzeit so produktiv wie noch nie in seiner Karriere. Schon im Frühjahr gab es einen Livemitschnitt, wobei die „Trading Boundaries“-Geschichten eine Besonderheit darstellen. Auf der regulären Tour steht das sagenumwobene Doppelalbum im Fokus, mit dem STEVE HACKETT immer noch unterwegs ist. Einen persönlichen Traum konnte sich der Künstler währenddessen erfüllen, indem er in der Royal Albert Hall auftrat, einem der Musiktempel schlechthin. Gibt es zu jeder Tour ein Livedokument, so war klar, dass mit „The Lamb Stands Up Live At Royal Albert Hall“ die Wahl auf jene Location fallen würde.

Natürlich war diese an jenem Abend ausverkauft, der riesige Kuppelbau nötigt einem schon Respekt ab, nobel sitzen viele Zuschauer in ihren Logen. Am 23. Oktober letzten Jahres machte Hackett den Abend zu etwas Besonderem, da er auch einige Gäste geladen hatte. Vom Programm hält er sich eng an das, was schon im Frühjahr auf deutschen Bühnen zu erleben war. Nur ein kleiner Unterschied, dass es zum Ende des regulären zweiten Sets kein „Supper´s Ready“, sondern einen Block von „Selling England By The Pound“ gab. Los geht es mit drei Nummern aus dem neuen „The Circus And The Nightwhale“, wo schon die komplette Vielfalt aufgeboten wird, von konzentriert über rockend bis hin zu sehr bis zu sanften Passagen.

Das Ensemble ist seit Jahren eingespielt, hier sitzt noch Craig Blundell hinterm Schlagzeug. Dementsprechend sicher agieren die Herren, die in Amanda Lehmann weibliche Unterstützung bekommen. Diese ist vor allem beim ersten Set oft als weitere Gitarristin auf der Bühne, unterstützt zudem die mehrstimmigen Backgroundchöre und darf bei „Shadow Of The Hierophant“ beim Leadgesang ran. Stimmlich weiß sie mehr zu überzeugen als an den sechs Saiten, wo sie mehrfach den Meister selbst doppelt. Es gelingt ihr zwar seinen unfassbaren Läufen zu folgen, doch wo sie sich sehr auf ihr Spiel konzentriert wirkt, geht ihm alles unglaublich locker von der Hand. Wobei alles voller wirkt und zudem darüber hinaus noch von Rob Townsend mit zahlreichen Blasinstrumenten veredelt wird.

Hackett selbst kann natürlich niemand das Wasser reichen, was er an seiner Les Paul anzustellen vermag, kann sonst niemand. Dabei überrascht es ohnehin, dass er für die teilweise sehr weichen Klänge auf dieses Modell zurückgreift. Was er da Griffe präsentiert, die vollen Möglichkeiten des Instruments ausnutzt, ist schlicht atemberaubend, da wird alles eingesetzt. In diversen Nahaufnahmen kann der Zuschauer da noch genauer drauf schauen als beim Konzert, und zudem die Zeitlupe bemühen.
Nötig hätte es die Legende nicht einmal all die technischen Kabinettstückchen aufzuführen, schon mit seinem unverkennbaren samtigen Leadton weiß er komplett zu überzeugen, schon direkt zu Beginn beim neuen „These Passing Clouds“. Ganz zu schweigen von dem was er bei den Klassikern von GENESIS vollbringt, da reiht sich „Hairless Heart“ in der Zusammenstellung aus neun Stücken von „The Lamb Lies Down On Broadway“ nahtlos ein.

Einen weiteren großen Auftritt hatte der gute Steve einst beim Keyboard-lastigen Doppelalbum noch. Zu „Fly On A Windshield“ gesellt sich mit Steve Rothery jemand dazu, dessen Ton über eine vergleichbare Grandezza verfügt. Wie die beiden hier harmonieren und die Nummer mit vielen weiteren Fills endlos ziehen ist sicherlich das Highlight des Mitschnitts. Ebenfalls aus dem Album stammt der wohl größte Hit der Frühphase, für „Carpet Crawlers ist mit Ray Wilson ein weiterer Gast am Start. Allerdings hat sich das jüngste GENESIS-Mitglied nicht sonderlich gut gehalten, seine Stimme hat viel von ihrem einstigen Zauber verloren, wirkt streckenweise sogar brüchig. Als weiteren Gast kann man Hackett-Bruder John noch an der Flöte bei „Hands Of The Priestess“ bewundern.

Grandios liefert auch die Rhythmusfraktion ab, von denen Jonas Reingold sich ebenfalls im Background stimmlich verdient macht. Mit „Low Notes And High Hopes“ darf er zwischen „A Tower Struck Down“ und „Camino Royale“ mit einem Solo ran, in dass er Klassikadaptionen einfließen lässt. Blundell agiert hier jazziger als auf den Studioversionen, was besonders bei den technischeren Passagen für zusätzliche Spannung, beim Solo von „Firth Of Fifth“ jedoch etwas Dramatik kostet.
Hier weiß Roger King an den Tasten groß aufzuspielen, ähnlich wie bei Townsend ist es phänomenal was da an Klangfarben aufgefahren wird, ob Piano, Orgel, das betörende Mellotron von „Dancing With The Moonlit Knight“ oder die Synthesizerfanfare von „Every Day“. Hier ordnet sich Nad Sylvan den mehrstimmigen Arrangements unter, weiß aber sonst als Leadsänger zu brillieren. Von der Bühnenanordnung steht er sowieso öfter im Hintergrund, was seine Aura kaum schmälern kann.

Gerade die Spielfreude des Ensembles wurde sehr gut eingefangen, wie eben jener Tastenmann oder auch der Viersaiter mit der Kamera flirten ist einfach wunderbar. Dabei könnte man King von der Entfernung unterstellen etwas unterkühlt zu agieren. Unterkühlt ist eher ein Attribut, welches auf den Sound zutrifft, der zu sehr auf die Details fokussiert klingt. Die Lightshow kommt auf der Bühne nicht sonderlich zur Geltung, lediglich in der Totalen, wobei die Bühne in dem riesigen Kuppelbau eher wie ein Boxring wirkt. „The Lamb Stands Up Live At The Royal Albert Hall“ legt viel Wert auf das spielerische Element, welches mit oft langen Einstellungen genossen werden kann. Ein weiteres qualitativ hochwertiges Produkt aus dem Hause, das aber aufpassen muss nicht zu omnipräsent zu werden.

8 / 10