DENNIS EHRHARDT - Zaubermond Verlag (Teil 2)
Bild: Sebastian Breidbach (ear2brain productions), Dennis Ehrhardt (Zaubermond)
Interview mit Dennis Ehrhardt (ZAUBERMOND)
Homepage:
www.zaubermond.de
Teil 2
Im ersten Teil des Interviews äußerte sich Dennis Ehrhardt zu den von Zaubermond produzierten Serien „Dorian Hunter“, „Sonderberg & Co.“ und „Die Elfen“. Im folgenden zweiten Teil geht es um „John Sinclair“.
Kommen wir mal zum momentanen Foren-Kind John Sinclair. Du hast jetzt schon einige Folgen produziert, hast einiges verändert und die jahrelangen Rufe z. B. nach mehr Grusel erhört. Außerdem bekommen die Charaktere mehr Tiefe, die Folgen bauen stärker aufeinander auf. War dir das ein Anliegen?
Zunächst mal ist „John Sinclair“ eine Auftragsarbeit für Lübbe Audio, die in Koproduktion von Zaubermond und ear2brain productions erstellt wird. In den Foren steht Dennis Ehrhardt ja gern synonym als Verantwortlicher für alle Änderungen, die an der Serie vorgenommen wurden. Tatsächlich wurde das neue Konzept der Serie von Sebastian Breidbach von ear2brain productions und mir gemeinsam erarbeitet und anschließend mit Lübbe Audio abgestimmt. Zum Inhalt: Das ist einfach die Art Geschichte, die ich gern erzähle. Ich beschäftige mich mit den Figuren und frage mich, wie sie die Story beeinflussen – und wie sie durch die Story beeinflusst werden. Ich glaube nicht, dass die Handlung dadurch komplizierter wird. Es gibt ja auch weiterhin viele Einzelromane wie z. B. „Stellas Rattenkeller“.
Trotz dieser Änderungen herrscht Unzufriedenheit bei vielen Hardcore-Fans. Kannst du das nachvollziehen?
Natürlich kann ich verstehen, dass es Zeit braucht, sich mit Veränderungen anzufreunden. Viele dieser Neuerungen waren jedoch unumgänglich. Andere wollten Lübbe Audio, ear2brain productions und ich ganz bewusst vornehmen. Wenn eine Serie lange am Markt besteht und sich nicht ausschließlich auf Nostalgie-Käufern ausruhen möchte, muss sie sich entwickeln dürfen. Und neben der Kritik gibt es ja auch viel positives Feedback.
Bist du der Meinung, einige Titel waren vom Stoff her einfach unglücklich gewählt?
Dass Folge 71 so diskutiert wurde, hat auch mit Psychologie zu tun – es war die erste neue Folge, die veröffentlicht wurde. Die bereits zuvor produzierte und somit eigentlich erste neue Folge (nämlich die Sonderedition „Angst über London“), die allerdings erst fast ein Jahr später auf den Markt kam, wurde dagegen sehr gelobt. Zum Beispiel wurde Alexandra Lange attestiert, sich inzwischen gut in die Erzähler-Rolle eingefunden zu haben. Dabei waren die Sätze in „Angst über London“ die ersten, die sie für Sinclair gesprochen hat. Ich will das gar nicht bewerten, das ist einfach normales subjektives Hören der Fans und wäre bei mir genauso. Das meine ich damit, dass es Zeit braucht, sich an Veränderungen zu gewöhnen.
Denkst du trotzdem, dass ihr Fehler gemacht habt?
Klar, die macht jeder. Die Fans haben Erwartungen, die man nicht ignorieren darf. Und der Teufel steckt im Detail. Skripte werden Korrektur gelesen, werden vom Regisseur, von verschiedenen Sprechern gelesen und gesprochen, die Aufnahmen bei Schnitt und Sounddesign x-mal durch den Wolf gedreht – und dann legt man die gepresste CD ein, und sofort hört man den Fehler und denkt: „Ach, du Scheiße ...!“
Du sagtest, es mussten Änderungen vorgenommen werden. Welche?
Wir hatten die Vorgabe, das Intro und die Zeitansage zu ändern. Ebenso wurde entschieden, die Erzählerrolle neu zu besetzen. – Viel wichtiger sind mir jedoch die strukturellen Änderungen, die wir vorgenommen haben, weil die nun mal innerhalb unseres Einflussbereichs lagen.
Als da wären?
In Bezug auf das Sounddesign findet die Handlung nun sowohl auf der Stereoachse (links/rechts) als auch in die Tiefe hinein statt. Die Handlung nutzt somit den kompletten Raum, den uns das Stereoverfahren zur Verfügung stellt. Weiterhin verwenden wir eine deutlich größere Dynamik für unsere Hörspiele, in dem wir leise Stellen auch leise darstellen, während die lauten wirklich laut sind. Das ist eine Technik, die auch bei Dorian Hunter und den Elfen schon von Beginn an eingesetzt wurde. Ein weiteres sehr wesentliches Merkmal ist, dass ich im Skript mit indirekten Dialogen arbeite. Es ist doch manchmal viel spannender, wenn die entscheidende Botschaft gerade nicht offen ausgesprochen wird, sondern unter dem Text liegt. Auch sind manche Erklärungen verborgen: Warum Lady X in der Kreuz-Trilogie so verrückt danach ist, John in die Vergangenheit zu schicken, anstatt ihn einfach zu töten - das wird erst im Epilog deutlich. Man muss halt genauer hinhören.
Wie gehst du mit der Kritik um? Stumpft man irgendwann ein wenig ab und macht sein Ding, oder hat man immer noch ein offenes Ohr?
Ich bin für jede konstruktive Kritik dankbar – und ich behaupte, dass es allen anderen Menschen genauso geht. Es ist doch großartig, wenn sich andere mit dem eigenen Schaffen auseinandersetzen und Hinweise und Impulse geben, wo noch etwas zu verbessern wäre. Persönliche Angriffe, gar von anonymer Seite, gehören heutzutage wohl leider dazu. Sich damit zu beschäftigen, ist sinnlos.
Viele Fans mokieren sich darüber, dass du die Romane zu stark abänderst. Warum machst du dir diese Arbeit und lässt nicht einfach alles, wie es ist?
Weil die Romane vierzig Jahre alt sind und – bei allem Respekt für Jason Darks Lebensleistung – modernisiert werden müssen. Wenn Dr. Tod im Piranha-Becken stirbt, ist das natürlich eine Hommage an Karin Dor und Sean Connery in „Man lebt nur zweimal“. Das Problem ist, der Film kam 1967 ins Kino – vor fast 50 Jahren! Ich verstehe grundsätzlich, dass die Fans der Romane mit solchen Änderungen auf Kriegsfuß stehen – aber sie müssen ihrerseits verstehen, dass die Serie auch für neue Hörer interessant sein will. Beide Hörergruppen sollten einander respektieren, weil beide ihr Scherflein zum Erfolg der Serie beitragen.
Es gibt aber auch viele Story-Änderungen, die nicht nur aus Modernisierungsgründen erfolgt sind.
Es gibt Unterschiede, ob man eine Hörspiel- oder eine Romanserie erzählt. Beispielsweise ist der wöchentliche Erscheinungsrhythmus der Romane ja unglaublich kurz. Was sich dort in zwei, drei Monaten innerhalb der Handlung entwickeln kann, würde bei den Hörspielen unter Umständen Jahre dauern, wenn man eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Romane produziert. Und dann würde kaum noch jemand wissen, worum es jetzt eigentlich geht. Erstaunlicherweise gehen Autoren da viel lockerer mit ihren eigenen Stoffen um als manche Fans. Wie Bernhard Hennen eben, der sogar meinte, er hätte den Anfang von „Elfenlicht“ sowieso gern noch einmal überarbeitet, und die Hörspiele wären dazu eine großartige Gelegenheit.
Gerade Folge 77, in der sehr viel geändert wurde, ist bei den Hörern sehr gut angekommen.
Stimmt. Das hat uns natürlich sehr gefreut.
Mit 12 Folgen Sinclair pro Jahr pumpt man ja momentan so viele Folgen auf den Markt wie nie zuvor, die Qualität bleibt aber durchweg hoch. Lässt du dir viel zuarbeiten, oder verlässt dich auf andere?
Die wichtigste Arbeit wurde ja schon vor Jahren erledigt – von Jason Dark, der mit den Romanen die Vorlagen liefert. Ich spreche mit ihm telefonisch Ideen durch, und wenn er sie absegnet, setze ich sie um. Wie zum Beispiel bei der Kreuz-Trilogie. Da war es mir wichtig, dass John die Geschichte des Kreuzes nicht nur erzählt bekommt, wie es im Roman passiert – sondern dass er sie erlebt. Interessanterweise wird das ja auch später in der Heftserie teilweise nachgeholt – im Okastra-Zyklus.
Der allerdings noch fast 100 Hefte in der Zukunft liegt.
Klar, da muss man sich natürlich Gedanken machen, inwiefern eine Verbindung sinnvoll und vor allem schlüssig ist. Man muss aber die Chancen sehen: Die „Zukunft“ der Serie zu kennen, ist ein großer Vorteil (den Jason Dark beim Schreiben natürlicherweise nicht hat), und wir wären schön blöd, wenn wir ihn nicht nutzen würden – auch wenn es natürlich viel mehr Arbeit macht, als die Romane einfach eins zu eins zu vertonen. Die Resonanz auf die Kreuz-Trilogie gibt uns recht. Es hat uns riesig gefreut, dass die Hörspiele so gut angekommen sind.
Demnächst erscheint nicht nur die Kreuz-Trilogie, sondern auch noch ein Crossover mit Dorian Hunter. Wie kam es dazu?
Marc Sieper, Abteilungsleiter von Lübbe Audio, hat mich angerufen und gefragt, ob es nicht seinen Reiz hätte, mal einen echten Hollywoodstar als Sprecher zu präsentieren. Lübbe hat durch ein anderes Projekt („Der Wüstenplanet“) nämlich Kontakt zu Jürgen Prochnow. Natürlich war ich Feuer und Flamme. Die Chance, eine solche Hollywoodgröße im Tonstudio zu haben, führte schnell zu dem Gedanken, ihn nicht nur für eine Hörspielserie einzusetzen. Da es zwischen Lübbe Audio und Universal schon früher immer mal wieder Gespräche für Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gab, lag es nahe, ein JS-DH-Crossover zu wagen – vor allem, weil die Idee künstlerisch sehr interessant ist.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe mich hingesetzt und die geplanten Folgen durchgesehen. Die 83 („Ein Leben unter Toten“) erschien mir geeignet, da es sich um einen Einzelroman handelt, in dem keine größeren Gegner von John auftauchen, bei denen es natürlich sofort zu Widersprüchen mit dem Hunter-Universum gekommen wäre. Nach einem ersten Brainstorming mit Marco Göllner war klar, dass wir nicht nur einen einfachen „Auftritt“ im jeweils anderen Kosmos haben wollten, sondern dass wir mit dem Crossover wie beschrieben eine künstlerische Idee umsetzen wollten: nämlich, dass ein und dieselbe Geschichte aus zwei vollkommen unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird. Hunter und Sinclair ermitteln im selben Fall – ohne etwas von der Ermittlerrolle des anderen zu wissen. Und natürlich sind sie nicht sehr glücklich über die Anwesenheit des jeweils anderen – und geraten sich buchstäblich in die Haare ... :-)
Man kann John Sinclair 83 und Dorian Hunter 21 also vollkommen unabhängig voneinander hören?
Ja. Aber wenn man beide hört, macht es definitiv doppelt so viel Spaß, weil man viele zusätzliche Details erfährt. Das geht so weit, dass es Szenen gibt, die in beiden Hörspielen zu hören sind, aber bei Hunter kürzer oder länger sind als bei Sinclair – und auch aus anderer Perspektive geschildert werden. Dies war natürlich auch für die Regie und das Sounddesign eine große Herausforderung.
Die Idee des Crossovers wird auch auf dem Cover deutlich gemacht. Wird es ein Wendecover ohne Stempel geben?
Ja. Sowohl bei Sinclair als auch bei Hunter wird es ein Wendecover ohne Stempel geben.
Wie würdest du als Kenner momentan den Markt bezeichnen, nachdem das erste große Geschrei um die angebliche Hörspiel-Rezession nach zwei Jahren langsam abflacht?
Die Hörer sind der Markt, und denen gefällt ein Hörspiel, oder es gefällt ihnen nicht. Das ist das ganze Geheimnis.
Aber es gibt doch Trends ...
Das stimmt, aber wenn wir nach vorne schauen und uns nicht durch zu viel Nostalgie und Glorifizierung der Kassettenkinderzeit den Weg verbauen, dann erkennen wir auch neue Chancen. Mit dem Film verglichen, steckt das Hörspiel meiner Ansicht nach immer noch in der Stummfilmzeit fest. Es gibt so viele Möglichkeiten, das Medium weiterzuentwickeln!
An diesem Punkt möchte ich mich herzlich für deine Zusammenarbeit bedanken. Berühmte letzte Worte?
Nee. Jetzt reicht’s. J