RAGE - Rodenbach, Rodenbachhalle
Interview vom 22.03.14
Interviewpartner: Peter „Peavy“ Wagner (b.)
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RAGE
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Metal Breakdown Over Rodenbach“ nutzte ich die Gelegenheit mit dem einzigen noch verbliebenen RAGE Gründungsmitglied Peavy Wagner über 30 Jahre Bandgeschichte und das Jubiläumsalbum „The Soundchaser Archives“ (VÖ: 23.05.14) zu plaudern. Was dabei heraus kam erfahrt hier.
F-R:
Moin Peavy, zunächst meinen Glückwunsch zu 30 Jahre RAGE. Du bist das einzig verbliebene Gründungsmitglied. Traust du dir zu, in ein paar Worten deine Highlights und deine Negativerlebnisse in dieser Zeit hier zusammen zu fassen?
Peavy:
Highlights sehr viele, ganz klar: Erste Japan-Tour; das erste Mal auf Wacken gespielt; das erste Mal mit einem Orchester gespielt; das waren natürlich alles Highlights, je weiter man zurückgeht. Allererstes Highlight war natürlich der allererste Auftritt irgendwann (lacht). Ist wahrscheinlich bei jedem so. Der größte Tiefpunkt war dann sicherlich 1999, als die ganze komplette Besetzung der damaligen Zeit geschlossen während der Produktion zu „Ghosts“ abgehauen ist, um ihre blöde Popband (Anm. Red.: Sub7even) zu machen. Das war natürlich schon ziemlich scheiße.
F-R.:
Mit „The Soundchaser Archives“ bringt ihr am 23. Mai zum Jubiläum nicht etwa ein Album mit neuen Songs heraus, sondern habt euch u. a. so genannten Leftovers angenommen, die noch in irgendwelchen Schubladen schlummerten. Wie kam es zu dieser Idee?
Peavy:
Nuclear Blast wollten zuerst eine „Best Of“ machen. Ich mag „Best Of’s“ sowieso schon mal nicht so, von daher war ich mit der Idee auch nicht so recht zufrieden. Da wir die Rechte an dem alten Zeug bis 2001 nicht haben und die bei Noise oder später GUN Records bzw. den Nachfolgefirmen der damaligen Plattenfirmen liegen und die die Hand aufhalten wollten, hat NB dann auch gesagt, komm Arschlecken. Wir bringen doch jetzt nicht so ein Ding raus und die kassieren davon 80 % ab und wir kriegen dann nix. Da kam die Idee auf, irgendwie so ein Raritätenalbum zu machen. Da hab ich losgelegt, unsere ganzen Archive durchgeforstet und da kam halt so viel Zeug raus. Wir hätten da also locker zwei Dinger von machen können. Jetzt haben wir 30 Songs rausgesucht und haben noch einige Sachen überarbeitet. Einiges haben wir sogar komplett nochmal neu aufgenommen oder haben noch was dazu gespielt. Oder Sachen fehlten, bei Demos waren keine Bass-Spuren drauf, die haben wir dann noch dazu gemacht. Aber im Großen und Ganzen sind das schon die Originalsachen aus der Zeit. Und das ist ein ganz guter Querschnitt aus den 30 Jahren geworden. Sind jetzt nicht nur Hits drauf, da sind ne ganze Menge unbekannte Sachen, auch ein paar unveröffentlichte Sachen, die bis jetzt noch gar nicht zu hören waren. Unser Hauptkriterium eigentlich, wonach wir erst mal geguckt hatten, war ja nicht unbedingt, dass es chronologisch irgendwie eine richtige Reihenfolge hat oder dass jetzt unbedingt von jedem Album aus jeder Phase irgendwie was vertreten ist, sondern dass man vorwiegend die Sachen sich auch mal richtig anhören konnte. Das musste vom Sound schon einigermaßen ansprechend sein. Aus vielen Phasen, gerade aus der frühen Zeit, da lagen nur noch so alte Audio-Kassetten, vor. Du kannst dir vorstellen, wie die sich nach 30 Jahren anhörten. Unanhörbar, nur noch Gerausche und Gewuschel. Das kannst du natürlich keinem vorsetzen. Da ließ sich auch nicht mehr viel reparieren. Wenn Bänder so zusammen liegen, da überkopieren die sich so von Schleife zu Schleife, da hast du dann nur noch Nebengeräusche. Da kannst du auch nix mehr machen. Schade, da waren ne ganze Menge seltene und auch unveröffentlichte Sachen drauf, die gibt’s jetzt leider gar nicht mehr. Das hab ich schon vor 15 Jahren verpasst, die mal zu digitalisieren. Aber wer macht sich da auch Gedanken drüber, dass du 30 Jahre später so einen Kram mal vielleicht gebrauchen kannst (lacht).
F-R.:
30 Songs wird „The Soundchaser Archives“ umfassen?
Peavy:
Ja, 30. Das war jetzt so ein Wunsch von NB, für jedes Jahr einen Song. Da haben wir ein Doppelalbum schön voll. Ich weiß jetzt nicht genau wie viel Spielzeit, aber es ist schon recht lang geworden.
F-R.:
Wie kam es zu der Namensgebung des Albums?
Peavy:
Wo haben wir denn die Idee hergehabt? (lacht) Irgendwas mit „Rarities“, haben da ein bisschen rumgespielt und dann kam „Soundchaser Archives“ heraus.
F-R.:
Den hartgesottenen Fan wird es natürlich interessieren, aus welcher Zeit, sprich von welchen Alben diese Songs stammen. Von jedem Album?
Peavy:
Nee, das hab ich ja gerade gesagt, das ließ sich leider nicht so realisieren, weil eben aus einer ganzen Menge Phasen nur diese alten Audio-Kassetten vorlagen, die damals wirklich schon zerstört waren. Aber wir haben wirklich geguckt, dass die Sachen, die wir da jetzt drauf haben, alle anhörbar ist. Es ist natürlich so, dass dann aus einer späteren Phase also mehr Sachen dabei sind, da diese Sachen noch frischer sind. Da haben wir die auch schon auf CDs gehabt. Aber wir konnten schon noch aus der Erstphase/Frühphase so ein paar Sachen rausfiltern. Speziell von dem allerersten AVENGER-Demo haben wir noch was mit draufgepackt. Dann gibt’s aus der „The Missing Link“-Phase eine ganze Menge gute Sachen. Die hatte ich damals zum Glück noch mal digitalisiert und die die Sachen klingen auch sehr gut. Es ist schon so ein relativer Querschnitt über die ganzen Jahre da. Z.B. gab es ein sehr gutes Ding von 1991, das war so ein Live-Studio-Mitschnitt. Da hatten wir noch ein bisschen Studiozeit übrig und haben dann einfach losgejammt, haben neue Ideen durchprobiert und das hört man auch, dass da ne Band mit viel Spaß an der Freude einfach mal los frisch frei von der Leber losspielt. Da ist z.B. „Enough is Enough“ entstanden.
F-R.:
Du hast es grad schon angesprochen: Aus der AVENGER-Zeit habt ihr auch was mit einfließen lassen? Was kommt da?
Peavy:
Aus der AVENGER-Zeit haben wir „Assorted By Satan“ mit draufgepackt. Der ist zum Teil vom allerersten Demo. Wir mussten allerdings da ein bisschen mit der Version, die dann auf dem Album drauf war verbinden, weil das Ende zerstört war. Und dann gibt’s noch von der EP, die es damals gab, auch noch mal einen Song (Anm.: „Down To The Bone“, AVENGER-EP „Depraved To Black“, 1985).
F-R.:
Du hast die Probleme angesprochen mit den Plattenfirmen, was eine „Best Of“ betrifft. Gab es Probleme mit Rechten früherer Bandmitglieder an den Songs und wenn ja, wie habt ihr die gelöst?
Peavy:
An den Songs eher nicht, die haben entweder ich oder Victor komponiert. Aber an den eingespielten Aufnahmen halt. Es gab eigentlich nur ein Ex-Mitglied, der sich gesperrt hat und der nichts damit zu tun haben wollte. Der ist auch beleidigt, dass er rausgeflogen ist. Das ist Mike Terrana. Und der hat uns eben ausdrücklich verboten, dass wir seine Drumspuren benutzen. Zum Glück waren die Sachen, die wir haben wollten, Mehrspur-Aufnahmen. Da konnten wir mit André (Anm.: Hilgers) neue Drums einspielen und das klingt eigentlich sogar besser noch als vorher.
F-R.:
Wurden für die Aufnahmen zu „The Soundchaser Archives“ auch ehemalige Bandmitglieder eingeladen. Wenn ja, wer hat mitgewirkt?
Peavy:
Also eingeladen haben wir jetzt keinen, dass da einer was neu einspielt oder so was. Das war ja auch nicht nötig, da wir ja die Original-Aufnahmen genommen haben, wo sie gerade mit draufspielen. Wir haben sie für kommenden Live-Auftritte mal eingeladen. Ich denke, Efti (Anm.: Christos Efthimiadis (1987–1999, dr.) und Manni (Anm.: Manni Schmidt (1987 – 1993, git.) die werden sich auf jeden Fall beteiligen. Die haben schon gesagt, da haben sie Spaß dran. Und von den ganz ganz früheren Jungs jetzt, haben wir den Joachim Musilak oder den Jörg Michael (Anm.: dr., DEVIL’S TRAIN, Ex-STRATOVARIUS) z.B. haben wir noch nicht gefragt. Ich weiß nicht, ob der überhaupt noch Zeit und Bock hat. Spielt der überhaupt noch? …
F-R.:
Ja, mit DEVIL’S TRAIN ist er gerade im Studio.
Peavy:
Den könnt ich natürlich auch mal fragen. Er hatte schon mal vor ein paar Jahren auf Wacken so ne Jubiläumsshow gespielt. Da hatte er auch mal zugesagt, dann hatte er doch wieder kurzfristig keine Zeit gehabt. Er ist ja immer so beschäftigt (lacht).
F-R.:
Gab es einen oder mehrere Songs, wo es für dich wichtig war, diesen unbedingt neu aufnehmen zu müssen? Wenn ja, erkläre doch bitte mal kurz welcher und warum?
Peavy:
Was wir neu aufgenommen haben: Wir haben bei zwei Sachen aus alten Ideen neue gemacht. Der eine war aus der „End of All Days“-Phase, der Song „The Speed Of Sound“. Den haben wir komplett neu eingespielt und noch ein bisschen mit frischen Ideen und so aufgepeppt. Zum einen war das Original-Demo nicht sonderlich gut gewesen, zum anderen wollte ich auch den Bruder (Anm.: Spiros Efthimiadis, git.) vom damaligen Trommler ehrlich gesagt nicht auf dem Album mit drauf haben. Das ist nach wie vor mein Erz-Spezi, den ich nun so gar nicht leiden kann. Der hat mir damals die Band kaputt gemacht, der kann mich den Rest meines Lebens gehörig am Arsch lecken (lacht). Und dann haben wir noch einen anderen, der heißt „Anybody Home“. Das waren Ideen für die „21“ gewesen. Also noch relativ frische Sachen. Der hat es damals nicht aufs Album geschafft, weil wir mit dem Arrangement nicht klar gekommen sind. Wir haben den ständig verändert und irgendwie ist er nachher einfach nicht rechtzeitig fertig geworden. Da haben wir gesagt, Ok, den stellen wir jetzt hinten an und gucken, dass wir beim nächsten Mal was draus machen. Und jetzt haben wir das vor dem nächsten regulären Album wieder aufgegriffen und es ist ein schönes knackiges Liedchen draus geworden. Ich denke mal Nuclear Blast will dazu noch ein Lyric Video dazu einstellen.
F-R.:
Diese Frage bekommen alle meine Interviewpartner gestellt. In 30 Jahren kommt da einiges zusammen: Kannst du mal eine lustige Anekdote von einer Show oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?
Peavy:
Lacht: Mit meinem schlechten Gedächtnis, ich merk mir da nie was. Eine der ganz frühen Orchester-Shows haben wir auf dem Dynamo gespielt. Da haben wir mitten in der Nacht gespielt. Und ich bin da mittags auf meinen Zeltplatz und da kamen natürlich sofort Fans an, komm mit, ins Zelt und so. Und da hab ich mit den Jungs da rumgekifft. Ich war dann völlig breit. Da mussten sie mich vor der Show dann erstmal wieder ausnüchtern, dass ich überhaupt spielen konnte. Ist dann ne hammergeile Show geworden, vielleicht grad deswegen (lacht).
F-R.:
So, dann zum Abschluss noch deine persönlichen Worte an unsere Leser und eure Fans.
Peavy:
Ich sag jetzt mal Fans, denn bei euren Lesern sind bestimmt auch ein paar von unsern Fans mit dabei. Also, ich kann mich immer wieder nur dafür bedanken, dass ihr uns die 30 Jahre geschenkt habt. Ohne die Fans wäre das natürlich alles nicht passiert. Es gibt halt wirklich viele Leute, die uns lange Jahre schon die Stange halten, und es war ein tolles Leben bis jetzt gewesen. Ich hoffe, es geht noch ein bisschen weiter. Es macht nach wie vor noch Spaß und ich hoffe, es bleiben auch alle weiter bei der Stange, dass wir noch ein paar Jahre haben. Wir bereiten gerade ne Tour vor, die müsste eigentlich die nächsten Tage stehen, damit wir schon in die Werbung gehen können. Ab September wollen wir ne relativ große Welttournee dann machen.
Danke schön fürs Interview und viel Spaß heute Abend bei eurer ersten Show in 2014.
Mike von FFM-Rock Foto by Astrid Reich