BRAINSTORM – Nieder-Ramstadt, Steinbruch-Theater
Interview vom 06.04.14
Interviewpartner: Torsten „Todde“ Ihlenfeld (git.)
Homepage:
BRAINSTORM
F-R:
Moin, zunächst meinen Glückwunsch zu eurem neuen Album „Firesoul“. In der Presse wird das Album abgefeiert und man liest des Öfteren das Wort „Rückbesinnung“ und Vergleiche mit euren früheren Alben wie „Liquid Monster“ (2005) und „Soul Temptation“ (2003). Wie stehst du dazu?
Todde:
Einerseits ist das sehr schön, wenn die Vergangenheit so honoriert wird. Auf der anderen Seite ist das natürlich nicht so schön, wenn die Meinungen über die insbesondere letzten beiden Platten ein bisschen auseinandergehen, denn wir finden sie ja trotzdem gut, sonst hätten wir sie ja nicht veröffentlicht. Aber man muss ganz klar sagen, dass wir schon beim Songwriting gemerkt haben, dass es auf jeden Fall näher bei den alten Alben liegt. War aber nicht geplant, sondern kam einfach von der Grundstimmung im Proberaum her. Es hat sich wie so ein kleiner Jungbrunnen angefühlt, und das war klasse! Manchmal ist es ja so, dass man so vier, sechs Wochen gar nichts zustande bringt. Dann trinkt man lieber drei Bier und geht dann wieder heim (lacht). Das lernt man im Lauf der Jahre: Man merkt, das will nicht so rollen – also Bier trinken, nach Hause gehen, nächste Woche wieder treffen, dann geht das besser. Und jetzt beim Songwriting war das Feeling so, wie man es in Erinnerung hat, wie es sich 10 Jahre vorher angefühlt hat. Wir sind super glücklich mit dem Album. Schon vom Proberaum her atmet das ganz klar den Spirit, ohne dass man eine Retro-Platte aufnehmen wollte. Und ich finde, das klingt top zeitgemäß, also nicht angestaubt.
F-R:
Also, unterm Strich, um es in Prozentzahlen auszudrücken, werden es wahrscheinlich 70-80 % der alten Fans und auch der neuen Fans ähnlich sehen.
Todde:
Das denke ich auch. So langsam kriegt man jetzt das Feedback, was diesmal auch aufregender war als sonst. 10. Platte! Jede Platte ist ein Baby, aber das 10. ist schon was! Beim nächsten ist es ne Fußballmannschaft (lacht). Man ist aufgeregter als sonst, obwohl man sich das nicht eingestehen will. Auch weil es jetzt seit unserer Gründung 25 Jahre Bühnenjubiläum sind. „Firesoul“ ist definitiv was Besonderes, auch für die Band. Und wenn du jetzt merkst, dass die Presse das Album gut findet, ist das natürlich wichtig. Klar, weil die Fans da auch ein Stück weit drauf hüpfen. Aber was weitaus wichtiger ist: Die Fans, die sich die Platte jetzt gekauft und gehört haben, die sagen „Bombe“. Und das ist es, worauf es ankommt.
F-R.:
Welche Songs sind auf „Firesoul“ für dich die aussagekräftigsten oder wichtigsten?
Todde:
Das ist eine schwierige Frage, weil ich „Firesoul“ lieber als Ganzes sehe. Denn für mich ist es von vorne bis hinten ein Guss. Wenn ich aber welche rausstellen müsste, dann ist das „Firesoul“ selber - sonst wäre es nicht der Titel-Track geworden -, „Recall The Real“ und „Shadowseeker“. Das sind meine drei Favoriten.
F-R.:
Betraf die Entscheidung dieses Aufnahmeprozesses und dieses Sprudeln der Ideen auch die Entscheidung zum Produzentenwechsel? Mit Achim Köhler habt ihr ja wieder den Mann ins Boot geholt, der die damals erfolgreichen Alben, die ich eben schon angesprochen hatte, produziert hatte. War das mit eine Entscheidung, oder stand das vorher schon fest?
Todde:
Eigentlich stand das vorher schon fest. Wir haben uns auf der Tour 2012 lang unterhalten können, weil er da als Mischer mit war. Damals gab es ja schon ein paar Songs. Und für uns war klar, dass wir wieder mit dem Achim arbeiten wollten. Das hat früher super funktioniert. Trotzdem war der Wechsel nicht unwichtig für die Band. Wir haben viel gelernt oben in Wolfsburg (Anm.: Gate Studios bei Sascha Paeth & Miro), auch wenn viele das kaum hören. Die Alben waren mindestens genauso erfolgreich wie die anderen. Aber wir wollten definitiv wieder zurück. Je mehr Songs wir geschrieben haben war klar, dass das der Achim machen muss. Das ist ein Top-Mann, und es hat super viel Spaß gemacht. Jetzt können wir ja die nächsten drei, vier wieder mit dem Achim machen (lacht). Wir sind alle ein Stück weit erfahrener, jetzt über die Jahre. Als wir angefangen haben mit dem Aufnehmen, war das wie bei „Soul Temptation“. Man kennt sich ja! Das war Klasse.
F-R:
Jeder weiß, was der Andere erwartet und was er will…
Todde:
Erstens das, zweitens war das wie ein Familientreffen. Es war insgesamt wirklich eine Summe von ganz vielen richtigen Entscheidungen. Was ja oft ganz wichtig ist. Und über Sieg oder Niederlage entscheidet. Und das war definitiv ein Sieg.
F-R.:
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „Firesoul“ feiert ihr zugleich zwei Jubiläen. Zum einen 25 Jahre BRAINSTORM und zum anderen das 10. Studioalbum. Kannst du spontan mal etwas über deine persönlichen Highlights und Tiefpunkte in all den Jahren erzählen?
Todde:
Höhepunkte gab es viele für uns: Wacken 2004 mit Sicherheit; das 1. Mal Prog Power spielen in den USA. Das sind Sachen, an die werden wir uns wahrscheinlich noch in der Rente erinnern, weil sich einfach so viele Träume mit der Band erfüllt haben. Schau mal, Milan (Loncaric, git.), Dieter (Bernert, dr.) und ich sind zusammen gekommen, da hatten wir noch nicht mal einen Führerschein. Wir sind in den Proberaum getrampt. Damals hat man Anhalter auch noch mitgenommen. Das ging, außer es hat geschneit, dann ist man zwei Stunden gestanden (lacht). Da träumst du natürlich von so was, dass du mal auf einer großen Bühne stehst. Und das hat sich für uns alles erfüllt. Millionäre sind wir keine geworden, aber das ist egal. Aber rückblickend betrachtet war es vielleicht manchmal gar nicht so schlecht, weil wir immer noch so viel Spaß haben und nicht diesen Druck im Genick: Jetzt muss die nächste Platte genauso funktionieren wie die letzte, und dann muss man wieder drei oder vier Monate touren - das haben wir ja alles nicht. Also, eigentlich sind wir unheimlich glücklich mit allem. Wenn man mal auf Tour ist, ist das bei uns bei der zweiten oder dritten Flasche Rotwein auch immer Thema: Wir freuen uns nach wie vor jede Woche. Wir proben jeden Freitag, egal, ob neue Sachen anstehen oder alte, wenn nicht, zocken wir halt ein paar alte Sachen runter. Und das ist einfach Klasse! Wer kann das heutzutage noch von sich behaupten? Und mittlerweile haben wir ja schon einige kommen und gehen sehen.
Tiefpunkte sind eher menschliche Enttäuschungen, sag ich mal. Wo du dich in Leuten getäuscht hast, von denen du gedacht hast, die ticken so wie wir und bringen auch ein bisschen Herzblut mit rein. Und dann waren, sagen wir mal 37,50 € wichtiger, als alles andere. Und so was enttäuscht einen dann, weil du selber so viel Unentgeltliches an Zeit und Engagement reinsteckst, dass du dir denkst: Für was? Das sind Sachen, die können wir als Band nicht verstehen, weil wir selber nicht so ticken. Wir machen Metal, was unsere Musik ist. Wir sind ja immer noch selber Fans und freuen uns auf die neue Platte von XY, wie viele andere auch. Aber das sind die Tiefpunkte, die es im normalen Leben auch gibt. Ansonsten sind wir zum Glück vor geschäftlichen Tiefpunkten verschont geblieben.
F-R.:
Zum Titeltrack des neuen Albums habt ihr ein Video gedreht, dessen Storyboard doch etwas außergewöhnlich ist. Was gibt es dazu zu berichten?
Todde:
Natürlich basiert es ein Stück weit auf dem Text, sonst würde es wenig Sinn machen. Uns war es aber wichtig, auch weil der textliche Rahmen einiges hergibt, das mal von einer Seite zu beleuchten, die ein bisschen untypisch ist. Jeder macht ein Performance-Video. Wir haben bisher auch nur Performance-Videos gemacht, aber das wäre dem Thema nicht gerecht geworden. Menschen, die sowieso schon Hilfe suchen, nach irgendwas Ausschau halten, was ihnen Halt und Kraft gibt, bieten natürlich eine unheimlich große Angriffsfläche für Leute, die das ausnutzen. Heutzutage geht es meistens um Geld. Diese ganze Scheinheiligkeit wollten wir mal etwas beleuchten. Dann haben wir überlegt, ob es passt, wenn wir dann irgendwann mal mit der Gitarre da drin stehen oder ob wir es ganz weglassen. Wir haben es dann einfach probiert. Das war eine Herausforderung, weil wir schauspielern mussten; das war ganz schön schwer. Der Regisseur wollte dann noch mal ein Tape machen, „vielleicht klappt das dann mit dem Lächeln“ (lacht). Die Mimik war ganz wichtig. Sonst ist es ja so: Du bist in deiner Wohlfühlzone, hast ne Gitarre um, machst das, was du immer machst, guckst vielleicht noch ein bisschen cooler - aber im Endeffekt verlässt du deine Wohlfühlzone nicht. Nur für das ganze Video haben wir keine Wohlfühlzone gehabt, sondern alles war neu. Wir waren uns lange nicht sicher, ob wir das wirklich rüberbringen. Wenn du selber weißt, um was es geht, dann ist es einfach zu sagen: Naja, klar, jetzt wird er dort gefoltert und abends steht er wieder, grinst und versucht, die Leute von dem zu überzeugen, von dem er selber eigentlich gar nicht mehr überzeugt ist. Aber als dann die ersten Schnitte nach dem Dreh gekommen sind, haben wir gesagt: Ja, das passt gut. Und die Reaktionen sind wirklich zu 90 % positiv.
F-R.:
Jetzt mal eine vielleicht selbstkritische Frage. BRAINSTORM stehen in der Gunst der deutschen Metal Fans seit je her sehr gut da. Es ging euch, wie vielen anderen Bands in den letzten Jahren aber mit den Touren so, dass sie finanziell mehr oder weniger an die Wand gefahren wurden. Hast du eine Erklärung warum das so war?
Todde:
Unsere Tourneen waren zum Glück nie ein finanzielles Desaster. Es gibt immer mal Shows, da hast du mal weniger Leute da, aber im Prinzip kannst du heutzutage - außer du zählst jetzt gerade zu den „In-Bands“ - nicht davon ausgehen, dass du vor ausverkauften Hallen spielst. Das geht nicht, dazu ist zu viel los. Die Leute haben zu wenig Geld, müssen über den Sommer auf 20 verschiedene Festivals gehen und sollten dann vorher im Frühling schon auf drei, vier verschiedene Club-Shows gehen. Wer kann das? Und da kann ich keinem böse sein. Jeder muss rechnen. Klar, wenn ich drei Festivals im Sommer hab, dann hab ich pro Festival auf jeden Fall 300-400 Euro weg. Und für ne normale Club-Show zahl ich 25 Euro Eintritt. So ist es einfach. Das sind, wenn man in früher rechnet, 50 DM. IRON MAIDEN hat vor 15 Jahren 37 DM gekostet. Da sind ja wir heutzutage umgerechnet schon teurer wie MAIDEN damals. Und wir sind im Vergleich zu MAIDEN sozusagen ein Nichts. Von daher ist es immer schwierig: Du kannst nur sehr schwer im Vorfeld kalkulieren, da es meistens über die jeweilige Booking-Agentur läuft und die rechnen natürlich auch ab. Keiner geht mehr hin und bucht einfach irgendwelche Hallen, weil sie einen guten Namen hat und weil es auf dem Papier gut aussieht. Die Wahrheit ist immer der Abend. Und es ist klar: Ein Venue, wo 1000 Leute reingehen - da hab ich mehr Unkosten, mehr Personal, mehr Hallenmiete. Und deswegen find ich: lieber über kleinere Clubs und lieber dann mal ein „Ausverkauft“-Schild dran, obwohl man vielleicht noch 50 reingekriegt hätte, um das für alle, sag ich mal, finanziell verträglich zu machen. Dass es mit Sicherheit Bands gibt, die da sehr gut dran verdienen, wenn sie in großen Hallen unterwegs sind, ist super. Die müssen es aber leider auch, weil sie nichts anderes machen. Und für uns ist es so: Natürlich arbeiten wir auf einem professionellen Level, aber wir können sagen, wir gehen vier Wochen auf Tour und buchen das in aller Ruhe. Die Band gibt es sonst für uns Freitagabends, und klar, du bist auf facebook und das ganze soziale Zeug und alles. Natürlich beschäftigst du dich so jeden Tag damit, aber dann ist der Fokus wieder zumindest geteilt, sag ich mal. Weg von der Band ist man nie, aber zumindest hast du noch was anderes, wo du sagst, die Mäuler sollte ich auch mal stopfen. Also machen wir das, was die meisten anderen auch machen, wir verdienen Geld.
F-R.:
Der aufmerksame Social Media Interessierte hat mitbekommen, dass ihr gestern Abend eure Show im Essener Turock professionell mitgefilmt habt. Kannst du dazu bitte mal ein paar Infos geben, was mit dem Material passieren wird.
Todde:
Jetzt passiert mit dem Material erstmal nichts (lacht). Klar, wenn man schon ein Jubiläum feiert, 10. Platte, 25 Jahre Band, dann sollte man das natürlich auch irgendwie aufnehmen. Die Release-Shows bieten sich natürlich super dafür an, das Turock sowieso. Daher haben wir gesagt, wir nehmen es jetzt mal auf und schauen dann, was wir das Jahr über sonst noch aufnehmen können, auch vielleicht noch ein paar Open-Airs und auf der Tour dann im Herbst, sofern sie mal fertig gebucht ist. Und dann würden wir sehr gerne, wie 2007 auch, mal wieder eine schöne DVD machen. Das ist der Plan. Inwieweit sich das alles umsetzen lässt, wissen wir im Herbst. Aber wir machen definitiv eine. Die wird aber nicht vor nächstem Jahr rauskommen.
F-R.:
Diese Frage bekommen alle meine Interviewpartner gestellt. Kannst du mal eine lustige Anekdote von einer Show oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?
Todde:
(lacht) Also, lustige Sachen gibt es viele! Das Problem an lustigen Sachen ist, wenn du die Interna dazu nicht kennst. Eine Band hat ein unheimliches Eigenleben mit Running Gags, die seit 15 Jahren z.B. laufen, und wenn dann dementsprechende Situationen passieren, finden es alle lustig, weil sie genau wissen, warum. Für viele andere ist es schwierig. Eine lustige Geschichte als Beispiel ist: Wir waren auf Tour, haben in Frankreich gespielt, hatten einen Day-Off und dann eine Show in der Schweiz im Z7. Also dachten wir, da wir eh nicht weit weg sind und schon vier Wochen unterwegs waren, nehmen wir uns einen Mietwagen und fahren heim: Bringen die schmutzige Wäsche hin, nehmen das Saubere wieder mit und nutzen einfach den Tag. Sonst wären wir irgendwo im Niemandsland gestanden. 320 km, heutzutage mit der Autobahn, fährst du auf einer Arschbacke ab. Wir sind in der Schweiz dann schön zur Vermietstation, haben uns einen A6 geholt, dass wir auch alle reinpassen und sind losgefahren. Aber erst haben wir noch getankt, da wo die A5 auf die A8 wechselt. Unser Dieter ging rein, hat bezahlt. In dem Moment, wo er drinnen war, kam ein anderer A6 an die Zapfsäule nebenan. Dieter kam wieder raus, läuft schnurstracks zu dem anderen A6, setzt sich hinten rein (lacht). Die vier älteren Leute, die da drinnen saßen, die waren etwas erschrocken, und wir sind etwa 20 m weg gesessen und konnten nicht mehr (lacht). Wir konnten es ihm ja gar nicht sagen. Er ist so schnurstracks da hingelaufen, und die Autos waren wirklich genau gleich. Er kam dann relativ schnell wieder aus dem Auto raus. Und seitdem muss er sich das immer anhören. (lacht) Solche kleinen Geschichten gibt’s ganz, ganz viele. Aber die meisten sind wirklich nur lustig für die, die mit dabei sind.
F-R.:
So, dann zum Abschluss noch deine persönlichen Worte an unsere Leser und eure Fans.
Todde:
Erstmal vielen, vielen Dank, dass euch das Album eigentlich genauso gut gefällt wie uns. Das ist nicht selbstverständlich. Wir als Band arbeiten da zwei Jahre drauf hin, ohne dass wir Feedback haben, und wenn das Feedback dann so ausfällt, dann kann eine Band natürlich nicht glücklicher sein. Und wenn man so viel Feedback kriegt, wie z.B. gestern Abend, dann weiß man auch, für was man das macht. Das war unglaublich! Da krieg ich heut noch Gänsehaut. Das war schon hammerhart! Die vier Release-Shows jetzt haben wir ja so in der Art noch nie gemacht. Dass wir wirklich das ganze Album spielen, ist ja ein Wagnis. Wenn jetzt die Songs live nicht wirken würden – das wissen wir ja vorher auch nicht -, dann wäre es natürlich schwierig, das Stimmungslevel zu halten. Aber von daher war es die Mühe wert. Wir sind viel im Proberaum gehockt, und eine neue Platte mal live so umzusetzen ist was anderes, wie mal drei, vier oder fünf neue Songs in die Setlist zu integrieren. Wir haben uns viel Mühe gegeben, und das jetzt alles für alle so toll zu sein scheint wie für uns, ist Klasse. Dann machen wir jetzt noch mal 25 Jahre und noch mal 10 Platten!! (lacht).
Danke für das Interview und alles Gute für heute Abend und die Zukunft!
Mike von FFM-Rock Foto by Astrid Reich