SCORPIONS
Phoner vom 21.01.15
Interviewpartner: Matthias Jabs (git., 2. v. re.)
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SCORPIONS
Scorpions – 50 Jahre rocken im Heavy- und Balladenland
Wenigen Rockbands gelingt das Kunststück, sich ein halbes Jahrhundert am Musikmarkt zu behaupten. Da wären die ROLLING STONES, STATUS QUO – witzigerweise damals unter dem Namen „THE SCORPIONS“ gegründet – und natürlich dem deutschen Aushängeschild in Sachen Rockmusik: SCORPIONS. Dem vor fünf Jahren angekündigten Rücktritt und damals letzten offiziellen Studioalbum „Sting In The Tail“ folgt nun doch eine weitere CD namens „Return To Forever“, ein Kinofilm sowie eine neue Tour, die die Hannoveraner erneut in viele Winkel der Erde führen wird. Dies alles, und natürlich um zu gratulieren, nehmen wir als Anlass, ein Gespräch mit Gitarrist Matthias Jabs zu führen.
Frage:
Ihr habt 2010 euren Rücktritt erklärt, nun tretet ihr von diesem zurück und seid wieder voll da. Hattet ihr damit gerechnet?
Matthias Jabs:
Nein, wir meinten es damals wirklich so, wie wir es gesagt haben. Wir haben es wirklich geglaubt. Auch glaubten wir, dass das Konzert Ende 2012 in München wirklich unser letztes sein würde. Dennoch brachten wir aber auch immer zum Ausdruck, dass wir für Projekte durchaus zur Verfügung stehen würden. Im Januar 2013 kam dann tatsächlich sofort die Anfrage von MTV, eine „Unplugged“-Show zu spielen. Das entwickelte sich dann immer weiter, wir spielten wegen der großen Nachfrage sogar einige „ausgestöpselte“ Konzerte in Deutschland. Alle Shows waren ausverkauft und wir hatten riesigen Spaß auf der Bühne und im Studio. Nun liefern wir mit dem Albumtitel „Return To Forever“ ein klares Statement: Wir sind zurück und legen uns nicht fest, wie lange wir weiter rocken werden.
Frage:
Wie kam es denn zu diesem neuen Album?
Matthias Jabs:
Es bestand noch ein Plattenvertrag für ein Projektalbum. Wir wollten einige der verworfenen Ideen aus der Vergangenheit, speziell aus den achtziger Jahren, veröffentlichen. Viele bezeichnen diese Phase als unsere beste und kreativste und deshalb sollten Stücke, die es aus Gründen der begrenzten Spiellänge der LPs damals nicht auf die Veröffentlichungen schafften, nun den Fans als eine Art Abschiedsgeschenk zugänglich werden. Es passten eben immer nur so zwischen acht und neun Stücke aufs Vinyl, wir komponierten aber immer fünfzehn bis zwanzig Tracks. So blieb natürlich eine Menge an Songmaterial unberücksichtigt. Wir arbeiteten uns durch das Material und entwickelten es weiter. Währenddessen steuerten meine Bandkollegen, die beiden schwedischen Produzenten und ich immer noch das eine oder andere neue Stück bei. Letztlich blieben vom Ursprungsgedanken nur 50 % übrig und die anderen 50 % setzen sich aus neuen Kompositionen zusammen. Es fühlt sich im Endeffekt aber wirklich wie ein komplett neues Studioalbum an.
Frage:
Hättest du je gedacht, dass du zu deinem 60sten Geburtstag im Oktober dieses Jahres noch voll in die Band SCORPIONS involviert bist?
Matthias Jabs:
Jetzt wo du es sagst fällt es mir auf, dass dieses Fest ja ansteht. Bisher habe ich an dem Tag noch keine Verpflichtungen und hoffe, dass es so bleibt und ich auch im Kreise der Familie feiern kann. Um die Frage zu beantworten, nein, ich hätte das nicht erwartet.
Frage:
Ich empfinde „Return To Forever“ als eines eurer frischesten und überzeugendsten Alben seit langer Zeit. Woran sicherlich auch die Verwendung von Ideen aus eurer „Hochzeit“ großen Anteil haben dürfte …
Matthias Jabs:
Da stimme ich durchaus zu. Doch ich empfinde auch, dass neue Kompositionen wie die Vorabsingle 'We Built This House' die typischen Elemente einer SCORPIONS Nummer wie 'Rock You Like A Hurricane' beinhalten. Wir haben uns aber auch an dem für uns typischen Stil orientiert und nicht experimentiert. Ich will AC/DC schließlich auch so hören wie sie klingen …
Frage:
Ihr musstet aber mal experimentieren – denken wir mal an 'To Be Number One' …
Matthiasc Jabs:
Wirklich furchtbar, was wir da ablieferten. Bei „Eye To Eye“ machten wir den Fehler, uns verunsichern zu lassen und viel zu sehr auf äußere Einflüsse wie Plattenfirma und Management zu hören. Es dauerte auch eine recht lange Zeit bis unsere Fans uns diesen musikalischen Ausfall verziehen. Das war unser größter, aber wohl auch „bester“ Fehler, den wir machten. Wir besannen uns dadurch auf das, was uns prägte, nämlich unseren erfolgreichen Stil der achtziger Jahre und diesen werden wir auch weiterhin beibehalten.
Frage:
'Rock My Car' spieltet ihr 1986 bereits auf dem „Monsters Of Rock“ Festival in Nürnberg live. Nun fand er den Weg auf's Album. Gibt es weitere Stücke darauf zu hören, die ihr bereits vorher live intoniertet?
Matthias Jabs:
Diese Nummer spielten wir in der Tat damals und nahmen sie auch immer wieder mal als Demo auf. Letztlich schaffte es der Song nie bis auf eine Scheibe. Nun, nachdem wir ihn veränderten und die Riffs etwas verfeinerten, gefällt er uns gut genug, um ihn zu veröffentlichen. Weitere Stücke, die wir schon mal live am Start hatten, gibt es in diesem Sinne nicht. Mit der rockigen Variante von 'Dancing With The Moonlight' gibt es eine neue Version des Unplugged-Songs auf der Deluxe Edition. Auch 'Rock'n'Roll Band' war auf „MTV Unplugged“ vertreten und liegt nun als Rockversion vor. Ursprünglich schrieben wir beide Stücke so um 1986 als elektrische Versionen. Wir arrangierten sie für die Akustikvarianten um, verwandelten sie nun wieder zurück in „elektrische“ Ausführungen, die sich letztlich erneut von den „Originalen“ unterscheiden. Heutzutage könnte man einen Song sowieso nicht einfach live testen, schließlich nehmen die Besucher alles mit ihren Smartphones auf und stellen es online. Wie erwähnt befinden sich außer den genannten keine bereits aufgeführten Stücke auf der CD.
Frage:
Mal einen Sprung zurück in die Vergangenheit. Wie kamst du eigentlich überhaupt zur Musik?
Matthias Jabs:
Ich spielte als Jugendlicher recht erfolgreich Fußball. Leider verletzte ich mich und musste für anderthalb Jahre pausieren. Währenddessen begann ich Gitarre zu spielen und hatte den absoluten Ehrgeiz, einen Übungsschnitt von fünf Stunden am Tag zu erreichen. Da ich zur Schule ging bedeutete das, dass ich am Wochenende locker mal acht Stunden pro Tag übte. Ich wollte so gut werden wie nur irgend möglich. Dabei verschwendete ich aber keinerlei Gedanken an einen eventuellen Plattenvertrag oder an ein Management – ich tat es aus einem inneren Antrieb heraus und aus Freude am musizieren. Die heutigen Jugendlichen machen sich ja bald mehr Gedanken darüber, wie sie bei YouTube wirken, als dass sie konsequent ihr Instrument lernen. Das Schöne an der damaligen Zeit erscheint mir, dass man so unbedarft war und es wirklich nur um die Musik und das Instrument ging.
Frage:
Du wurdest 1979 als Ersatz für Michael Schenker verpflichtet, dann kam Michael zurück und abermals stiegst du kurz darauf wieder als sein Ersatz ein. Was glaubst Du wäre passiert, wenn du abgelehnt hättest?
Matthias Jabs:
Zumindest sprächen wir heute nicht miteinander und wenn, dann würden es ganz bestimmt andere Themeninhalte sein. Ich denke, dass die Band gar nicht mehr existieren würde und ich selber auch wohl nicht von der Musik leben würde. Wenn man sieht, wie wir plötzlich durchstarteten, so kann man wohl feststellen, dass wir damals genau die richtige Formation am richtigen Ort waren. In den Jahren 1979 und 1980 tourten wir jeweils ein halbes Jahr als Support durch die USA. Bereits fünf Jahre nach meinem Einstieg spielten wir bereits zum dritten Mal im ausverkauften Madison Square Garden – etwas, das keiner deutschen Band je zuvor gelang. Auch heute sind wir uns als der Kern mit mir, Klaus und Rudolf in der Schnittmenge immer einig.
Frage:
Es wirkte aber alles sehr durchdacht, was ihr tatet und extrem professionell in der Außendarstellung …
Matthias Jabs:
Ja, so war es auch. Wir hatten, trotzdem ich ursprünglich nur wegen der Musik mein Instrument lernte, zu dem Zeitpunkt den Wunsch nach dem ganz großen Erfolg. Es galt immer noch erfolgreicher und besser zu werden, was wohl auch an dem großen Ehrgeiz unserer Dreierkonstellation liegt. Im Laufe der Jahre gab es auch das eine oder andere Bandmitglied, das eben nicht bereit war, diese Energieleistung zu bringen, um das nächste Ziel zu erreichen. Deshalb gab es dann auch den einen oder anderen Wechsel bei uns.
Frage:
Im vergangenen Jahr gab es einige Schlagzeilen um euren Drummer James Kottak. Wie sieht es bei ihm aus - geht es ihm wieder gut?
Matthias Jabs:
Die Auszeit, die er sich nahm, hat er sinnvoll genutzt und alles dafür getan, wieder fit zu werden. Auch das Album spielte er ein und alles ist wieder gut. Unsere Tür stand ihm unter der Bedingung fit zu werden und die Finger vom Alkohol zu lassen, immer offen und dafür ist er sehr dankbar. Bei den beiden Shows in Rotterdam und Brüssel Ende 2014 saß er ja schon wieder an seinem Drumset. Damit signalisierten wir auch den Fans, dass es in bewährter Tradition weiter geht. Auch wir als Musiker freuen uns nun auf die Konzerte und wissen, dass auf James Verlass ist und das ist sehr wichtig für uns.
Frage:
Als Klaus Meine damals bei den Aufnahmen zu „Blackout“ die Stimmprobleme hatte und aussteigen wollte, habt ihr auch zu ihm gehalten …
Matthias Jabs:
Eine Band ist auch ein wenig wie eine Familie und in einer Familie steht man zueinander. Das war damals bei Klaus so und das ist heute bei James so gewesen. Dies ist auch der Vorteil gegenüber einem Einzelkünstler, wenn er Probleme hat. Die Bandkollegen können einen auffangen und unterstützen, wobei ein Solosänger oftmals alleine in der Garderobe sitzt und niemanden hat, mit dem er sich austauschen kann.
Frage:
Wo wir gerade von Familienmitgliedern sprechen; ihr habt durch den Tod eures Managers Peter Amend und den Tod Eures langjährigen Tourmanagers Michael Gehrke gerade zwei „Familienmitglieder“ verloren ...
Matthias Jabs:
Das hat mich wirklich schwer getroffen. Besonders jetzt der Tod von Michael, der ja immer in den letzten 33 Jahren da war, nimmt mich sehr mit. Gerade nach dem Tod von Peter Amend rückten wir mit ihm dichter zusammen und übertrugen ihm viele Aufgaben des Managers. Als ich gestern von Hannover nach München flog erwartete ich wie üblich, dass er am Eincheck-Counter steht – doch da wird er nie wieder stehen. Es wird eine sehr lange Zeit dauern, bis wir das verarbeitet haben.
Frage:
Im Film „Forever And A Day“ wird er dann ja wohl auch zu sehen sein. Hast du ein paar Infos generell zum Film?
Matthias Jabs:
Aus meiner Sicht wird nur das dargestellt, was wir immer schon machen – unser Leben als SCORPIONS. Es ist keine Dokumentation im herkömmlichen Sinne, es ist ein interessanter und auf eine gewisse Art spannender Film, der nicht nur die Fans begeistern kann. Es gibt auch uralte Aufnahmen zu sehen, die Uli Jon Roth damals mit seiner Super 8 Kamera filmte. Der Film bietet Ansichten, wie sie die Fans selten gesehen haben dürften, denn wer hatte schon die Möglichkeit, zu uns in die Garderobe oder ins Hotelzimmer zu kommen. Es gibt auch sehr persönliche Momente: So sprechen Klaus und Pavel jeweils über den Tod ihrer Mütter, die während der „Final Sting“ Tour starben. Es zeigt die Schwierigkeiten, die entstehen können, wenn du in solchen Situationen am Ende der Welt bist und abwägen musst, drei Shows abzusagen, damit du nach Hause fliegen kannst. Es gibt in dem Film viele persönliche und emotionale Momente, die es so von uns bisher nicht zu sehen gab. Ich glaube, dass es eine gut gelungene Mischung vom Blick hinter den Kulissen, den einzelnen Musikern als Mensch und Musikern bei der Arbeit geworden ist.
Interview geführt von Jürgen Will Foto (c) Oliver Rath