SIEGES EVEN - Frankfurt, Black Solaris Studios
Interview vom 21.05.05
Interviewpartner: Markus Steffen (g.)
Homepage:
www.siegeseven.com
FFM-Rock:
Hi Markus, Sieges Even bestehen jetzt seit den 80ern. Nach der letzten Veröffentlichung „Uneven“ 1997 gab es einen Bandsplit. Erzähle doch bitte mal in einer kurzen Zusammenfassung etwas über eure Bandhistorie und den Neuanfang.
Markus:
Eigentlich eine ziemlich lange Geschichte. Wir haben 1986 als Demo-Band angefangen. In der Kurzfassung: Wir haben 1988 unsere erste Platte bei SPV gemacht (Life Cyle). Ich bin 1992 nach der dritten CD „A Sense Of Change“ ausgestiegen und dann wurde natürlich diskutiert, wer den Namen behält, ob wir den überhaupt weiter am Leben erhalten wollen. Wir haben wir uns dann darauf geeinigt, dass Oliver und Alex (Holzwarth) den behalten. Sie haben dann zwei weitere CDs gemacht, mit einem neuen Gitarristen und auch einem neuen Sänger (Sophisticated u. Uneven). Auf den zwei CDs war dann der Split, wobei man Split eigentlich nicht sagen kann. Da wurde dann die Entscheidung getroffen, dass man das Ganze zu den Akten legt. Zwischen meinem Ausstieg damals und dem Neuanfang lagen auch wieder 6 – 7 Jahre, in denen wir uns fast nicht gesehen haben. Eines Tages hat dann der Alex wieder angerufen und gefragt, ob ich wieder Bock habe, irgendwas mit ihm und Oliver zu machen. Da habe ich gemeint: „Ja, klar. Warum nicht?“ Wir haben dann unter einem anderen Namen weiter gemacht - „Looking Glass Self“ hieß das Projekt damals und der André Matos, von Shaaman und Angra bekannt, hat damals gesungen, Jens Johannson (Stratovarius) hat Keyboard gespielt. Das war mehr ein Akustik-Prog-Projekt. Dann gingen die alten Sänger-Probleme, die wir schon früher immer hatten wieder los, da der André einfach zu viele Sachen hatte, auf die er sich konzentrieren musste. Kurzfassung: Arno (Menses) hat sich dann bei uns beworben. Die Band hieß dann „Belle Paraiso“, weil wir musikalisch dann eine etwas andere Richtung eingeschlagen haben. Arno ist dann der Sänger geworden. Wir haben erste Demos zusammen gemacht, bis wir dann wirklich an dem Punkt waren, dass wir neue Tracks geschrieben und erkannt haben, dass es Blödsinn ist, einen anderen Namen zu nehmen. Es war einfach Sieges Even mit der alten Magie und die Chemistry zwischen uns war wieder da. Da haben wir gesagt: „Lasst es uns als Sieges Even weitermachen.“ Auch wenn wir alle den Begriff „Reunion“ nicht so gerne im Munde führen, weil es doch immer ein bitterer Beigeschmack ist, aber jetzt sind wir eigentlich die Band, die wir nie waren. Es waren immer irgendwelche Bandmitglieder, die nicht 100 %ig dabei waren und es ist jetzt eigentlich das erste Mal, dass wir sagen können: Das ist jetzt wirklich Sieges Even als starke Band!
FFM-Rock:
Eure Musik ist im progressiven Bereich angesiedelt und ihr habt bisher fünf Alben veröffentlicht. Hat sich in all den Jahren von der musikalischen Ausrichtung bei euch etwas verändert?
Markus:
Ja, das kann man schon sagen. Ich hoffe es zumindest. Wir haben ja eher als Progressiv-Metal-Band angefangen. Wir waren damals wesentlich härter als wir es heute sind. Die Bestandteile, die heute noch drin sind, waren damals auch schon da. Wenn man die ersten drei Alben anschaut, ist es auch soundtechnisch eine enorme Weiterentwicklung gewesen. Die dritte CD kann man, glaube ich, schon gar nicht mehr mit der ersten vergleichen. Bei „A Sense Of Change“ war eben auch der Titel Programm. Was dann die zwei Folgealben angeht, da kann ich nicht so viel dazu sagen, weil ich da nicht gespielt habe, aber die klingen total anders. Das ist auch ein Grund dafür, warum wir die Stücke nicht mehr spielen. Es war einfach eine komplett andere Band. Ein anderer Gitarrist, ein anderer Sänger und zeitweilig auch noch ein Keyboarder dabei. Das ist etwas gewesen, was gut war, aber was in meinen Augen aus der ganzen Bandgeschichte ausgeschlagen ist. Heute klingen wir wieder anders, du wirst es nachher auch hören. Das ist vor allem auch jetzt durch Arno als Sänger so, der wirklich eine komplett neue Farbe in die Band reinbringt. Er hat einen ganz anderen Background. Er kommt ein bisschen aus dem AOR-Bereich und bringt da sehr viel Melodie in die Songs rein. Wir sind insgesamt auch von der Instrumentierung her melodischer geworden und, wie ich hoffe, offener geworden. Es ist schwer zu beschreiben, was wir heute machen. Es ist irgendwo noch progressiv, aber es hat eben auch ganz andere Elemente. Von den Backingvocals sind jetzt teilweise auch 70er-Jahre-Elemente in die Musik reingekommen. Das ist es, wofür die Band steht: Immer weiterentwickeln, immer etwas neues probieren. Ich glaube, das erwarten auch die Leute, die uns schätzen, ganz einfach.
FFM-Rock:
Kommen wir mal zum neuen Album „The Art Of Navigating By The Stars“. Wie im Vorfeld zu erfahren war, besteht das Album aus nur einem Song. Wie soll das der Hörer / Käufer verstehen?
Markus:
Das klingt jetzt natürlich ein bisschen heftig (lacht). Das sind natürlich eigenständige Songs, die da drauf sind. Es sind insgesamt acht Sequenzen. Das ganze Album heißt „The Art Of Navigating By The Stars“ aber jedes Stück kann für sich stehen. Es sind auch bestimmte Themen, Melodien, textliche Bestandteile, die im Laufe des Albums wiederkehren, obwohl die Stücke untereinander total voneinander abweichen. Wir wissen es noch nicht genau, ob wir das tatsächlich so machen, ob wir diese Parts irgendwie verbinden, ob es irgendwelche Spielereien gibt, die diese ganzen acht Teile zusammenkitten. Vielleicht lassen wir das auch. Es wird sich jetzt auch am Ende beim Mix entscheiden, wenn wir alles mit richtigem Sound, mit gutem Sound, komplett hören, ob das Sinn macht oder nicht. Auf jeden Fall braucht man da keine Angst vor haben, weil die Stücke auch so für sich funktionieren, die einzelnen Unterteile. Es ist jetzt nicht so, dass wir da 60 oder 65 Minuten ein Stück durchspielen. Das kann man niemandem zumuten und das wollen wir uns auch selbst nicht zumuten.
FFM-Rock:
Wer von euch ist für die musikalischen und textlichen Inhalte verantwortlich?
Markus:
Die Musik schreiben wir eigentlich zusammen. Es ist meistens so, dass ich die Parts anbringe und wir sie dann zusammen arrangieren. Arno kriegt dann die Texte, ist da auch vollkommen autark, kann damit machen was er will. Er entwickelt seine eigenen Lines, das kann man schon mal sagen. Von der Komposition her ist das alles geviertelt. Die Texte sind alle von mir. Die habe ich alle komplett geschrieben.
FFM-Rock:
Eure Wurzeln dürften vom Stil her bei Rush liegen. Inwieweit bist du bzw. sind Sieges Even von den Prog-Urgesteinen beeinflusst?
Markus:
Ich würde mal sagen: Früher waren wir mehr beeinflusst, nicht nur von Rush, auch von anderen Bands wie YES oder King Crimson oder was auch immer, auch an sich härtere Bands, als wir es heute sind. Ich persönlich verspüre jetzt keinen großen Einfluss mehr, wenn wir irgendwas machen. Klar, wenn du anfängst, dann hast du deine Vorbilder und versuchst denen irgendwo nachzueifern. Heute versuche ich zumindest, wenn ich anfange, ein Stück zu schreiben, mich vollkommen davon frei zu machen. Natürlich hast du das Ganze, was du mal gelernt hast, eben auch durch deine Vorbilder, das schleppst du mit dir rum und das fließt natürlich in die Musik und Rush ist nur eine Band davon. Das hängt jetzt vielleicht auch mit dem Sound zusammen, weil wir natürlich auch versuchen, transparent zu sein. Gerade von den Gitarren, finde ich, sind wir jetzt gerade im cleanen Bereich, also sehr differenziert. Und das ist natürlich auch was, was beispielsweise Rush gemacht haben.
FFM-Rock:
Eure ersten drei Alben wurden über SPV, die letzten beiden über Siege Records veröffentlicht. Wie sieht es mit der VÖ zum neuen Album jetzt aus? Ist Siege ein eigenes Label?
Markus:
Das hieß Under Siege und war ein eigenes Label. Die genauen Hintergründe kenne ich da auch nicht, wem das jetzt gehört hat. Das war eigentlich nur für die beiden CDs, die auch eigentlich jetzt nicht mehr erhältlich sind. Es ist aber ein Re-Release geplant, evtl. noch dieses Jahr. Was das neue Album jetzt angeht: Ja, wir haben einen Vertrag (lacht und hält inne).
FFM-Rock:
Ja, dann exklusiv raus damit ...
Markus:
(Lacht) Leider darf ich nichts sagen. Es ist alles unter Dach und Fach, aber es sind halt, kannst du dir ja vorstellen, alles so Spielereien ... Business! (lacht). Es ist geplant, die Platte im Herbst rauszubringen. Sie wird definitiv erscheinen.
FFM-Rock:
Das ist doch schon was. Ich bin zwar nicht ganz an mein Ziel gekommen, aber gut ...
Dann kannst du dich mal richtig über das Studio austoben. Kannst du mir etwas über das Recording hier in den Black Solaris Studios erzählen?
Markus:
Ja, das ist einfach eine sehr entspannte Atmosphäre hier. Wir sind hierher gefahren und hatten ein bisschen schlechte Gefühle – ehrlich –dabei (lacht), weil wir eine ganz andere Musik machen als Uwe (Lulis) mit Rebellion, was ja in eine ganz andere Richtung geht, und wir natürlich vorher unsere Vorstellungen hatten, in welche Richtung wir gehen wollten, soundtechnisch und so. Aber ich muss ganz klar sagen: Wir hatten da Vorurteile und man lernt nie aus. Man soll keine Vorurteile haben, denn er ist wirklich sehr flexibel und kann sich auf alles einstellen, auf jeden Vorschlag, jede Stilistik und das ist einfach sehr wichtig für eine Band wie Sieges Even. Gut, er ist auch Gitarrist. Wenn ich ihm sage: Ich will mal das ausprobieren, dann weiß er, was ich damit meine. Ein Schlagzeuger wird da vielleicht eher Probleme haben. Insofern ist es hier eine total relaxte Atmosphäre und mit ihm auch ein sehr angenehmes Arbeiten. Bis jetzt ist soundtechnisch einfach alles bei 110 %. Ich habe das so nicht erwartet. Es ist einfach ein gutes Gefühl, hier aufzunehmen.
FFM-Rock:
Habt ihr hier komplett alles aufgenommen?
Markus:
Komplett, ja.
FFM-Rock:
Wie lange habt ihr jetzt gebraucht?
Markus:
Ich bin jetzt 2 ½ Wochen hier. Nächste Woche noch ein paar Overdoubts. Es ist natürlich eine relativ aufwändige Produktion, weil eben sehr viele Gitarren und sehr viele Vocals dabei sind. Du musst relativ schnell arbeiten für das, was wir vorhaben. Aber wie gesagt: Es macht Spaß und die Atmosphäre ist einfach gut. (Anm. Verfasser: Knapp 80 Spuren waren bei der anschließenden Listening Session aufgenommen).
FFM-Rock:
Das ist doch schön zu hören.
Kommen wir mal zu den beiden, die heute nicht da sind. Mit Drummer Alex Holzwarth, der aktuell bei Rhapsody im Dienst steht und seinem Bruder Oliver (Gastbasser bei Blind Guardian) habt ihr zwei bekannte Musiker an Bord. Wie wirkt sich das auf den Aufnahmeprozess und eventuell anstehende Live-Aktivitäten aus?
Markus:
Meinst du jetzt vom Zeitproblem her? Also, wir hatten eigentlich noch nie wirkliche Probleme mit solchen organisatorischen Dingen, weil es wirklich eine Frage der Planung ist. Du musst einfach deinen Kalender dabei haben und sagen: Da und da kann ich und da und da kann ich nicht. Für Blind Guardian ist, glaube ich, erst im Juni / Juli eine Studio-Session geplant. Insofern waren wir da auch im „grünen Bereich“. Alex ist jetzt auf dem Weg in die Vereinigten Staaten mit Rhapsody, um die Tour mit Manowar zu machen. Er ist sowie schnell. 1-2 Tage, dann hat er das Zeug eingetrommelt. Und Olli ist auch schnell, er hat auch in 1 ½ Tagen eingespielt. Insofern sind das keine wirklichen Probleme gewesen. Wie es dann mit Live-Geschichten aussieht ... wie gesagt: alles Planung. Arno und ich haben natürlich auch jeder noch Verpflichtungen. Wenn man das wirklich konsequent und gut durchplant, dürfte es eigentlich keine Probleme geben. Und es ist klar: Sieges Even ist für uns die Hauptband. Es ist nicht so, dass Alex und Olli das hier wieder als Projektmusiker betreiben. Es ist schon die Rückkehr zu unseren Wurzeln, was wir machen wollten. Bei Rhapsody und Blind Guardian sind beide eben „Angestellte“, wenn man es so will.
FFM-Rock:
Und Arno ist aus Holland?
Markus:
Arno ist aus Holland ...
FFM-Rock:
Das gibt also auch keine Probleme?!
Markus:
(Arno aus dem Hintergrund) Außer beim Fußball ... Aber darüber sprechen wir jetzt nicht (Markus und alles lacht).
Nein, mit Arno gibt es überhaupt keine Probleme. Es ist auch super arbeiten mit ihm. Es ist auch wirklich das erste Mal, dass ein Sänger bei Sieges Even seine eigene Kreativität einbringt. Wir hatten wirklich, wie gesagt, bei den ersten drei Alben immer Probleme auf die unterschiedlichste Art und Weise, mit den Sängern zu arbeiten. Jetzt habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass wir eine Band sind. Er ist ein vollwertiges Mitglied und nicht irgendwie ein Gastmusiker oder wie z. B. bei „Looking Glass Self“ mit Abdre Matos. Da war irgendwie das Gefühl da: Da sind drei Musiker und da kommt der Sänger. Der macht dann sein eigenes Ding und fährt wieder. Bei Arno ist es anders. Er war Sieges Even Fan vorher und er weiß, was wir machen und du brauchst ihm nichts sagen. Er ist auch Schlagzeuger, was auch gut ist bei der Musik, weil er einfach versteht, was rhythmisch abgeht. Es ist eigentlich die perfekte Besetzung, die wir jetzt haben.
FFM-Rock:
So ziemlich jede Band bekommt in unseren Interviews die Möglichkeit, mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zu erzählen, die noch nicht veröffentlicht wurde. So lange, wie es Sieges Even gibt, könnte ja was raushüpfen ...
Markus:
(tiefes Schnaufen) Na ja, es gibt eine wirklich lustige, aber die kann ich hier nicht erzählen, weil die nicht jugendfrei ist ...
Nee, also die werde ich auf keinen Fall erzählen, die ist echt zu krass (lacht). Aber es passieren natürlich immer Dinge, über die du nachher lachst. Zum Beispiel auch der Gig im „Nachtleben“ Frankfurt 2004), der uns ja auch letztendlich den Deal verschafft hat, das war für mich als Gitarrist der pure Horror. Die Band war total geil drauf, super Konzert und alle nach der Show: Hey – super! Und ich habe von der ersten bis zur letzten Nummer nur noch geschwitzt, weil ich technische Probleme mit meiner Gitarre hatte. Ich habe mit einer 7-saitigen Gitarre gespielt und hatte nur noch eine 6-saitige Ersatzgitarre dabei und ich musste jedes Stück mit 7 Saiten spielen und dann hat sich eine Saite bei der ersten Nummer verstimmt. Na ja, O. K. das kann mal passieren. Ich habe sie natürlich nachgestimmt und es ist nach 10 Sekunden wieder passiert. Die Saite war offensichtlich defekt und dann kannst du jetzt nicht anfangen, rumzuschrauben. Die ganze Zeit während des Gigs habe ich versucht, irgendwie anders zu spielen, irgendwie anders zu greifen. Die anderen haben sich auf der Bühne amüsiert und ich bin dann schweißüberströmt dagestanden und habe immer versucht, das anders zu spielen, dass es nicht so schräg klingt (lacht). Es hat am Schluss dann doch irgendwie funktioniert. Das sind halt Sachen, die immer mal passieren ... die anderen amüsieren sich und du stehst halt da wie der Idiot. Aber ansonsten sind wir eine sehr ernste Band, insofern gibt es nicht so viele lustige Sachen (lacht). Wir machen eh Musik.
FFM-Rock:
In Anbetracht dessen, dass ihr jetzt noch ein bisschen weiter aufnehmen wollt, kommen wir zum Schluss und zu deiner persönlichen Ansprache an eure Fans und die jetzt hoffentlich neugierig Gewordenen.
Markus:
Ich kann nur hoffen, dass wir sie nicht zu sehr verstören mit dem neuen Album, weil es wieder komplett anders ist. Aber auf der anderen Seite denke ich auch, dass jetzt wirklich unsere Fans, auch unsere alte Fan-Basis, die wir noch haben, es schätzen, dass wir auch was anderes machen. Insofern kann ich nur hoffen, dass sie das neue Album gut aufnehmen.
FFM-Rock:
Wann dürfen wir euch in Frankfurt/M. wieder sehen?
Markus:
Also mich nächste Woche hier im Studio. (schallendes Gelächter)
FFM-Rock:
Ich meinte auf der Bühne ...
Markus:
Für Herbst ist eine Tournee geplant, also wenn die Platte draußen ist. Dann werden wir hoffentlich auch hier in Frankfurt wieder zugegen sein.
FFM-Rock:
Dann danke ich dir für das Interview und noch viel Spaß bei den Aufnahmen.
Mike von FFM-Rock
© Foto 2005 Mike Langer