TORIAN
Interviewpartner: Carl Delius (g.)
Mailer
Homepage:
www.torian-legion.de
F-R:
Moin Carl, 2005 zur Veröffentlichung eures Debüts „Dreams Under Ice“ haben wir an dieser Stelle das letzte Mal ausführlich über TORIAN geplaudert. Mir kommt es vor, als hätten TORIAN nicht nur Live, sondern auch mit ihrem neuen Silberling „Thunder Times“ einen großen Schritt nach vorne getan. Das liegt doch nicht nur am seit damals konstanten Line Up, oder?
Carl:
Hi Mike! Also, das konstante Line Up, was seit Ende 2005 besteht dürfte ein wesentlicher Grund für die Fortschritte sein. Ohne personelle Querelen lässt es sich einfach besser arbeiten, also, der Kopf ist freier für das Wesentliche und die Songs entstehen in Ruhe. Man hat ja nun „neben“ des reinen Musikmachens auch etliche andere Dinge zu tun wie z.B. Booking. Wenn es da noch persönliche oder musikalische Probleme innerhalb der Band gibt, leidet halt alles drunter.
F-R.:
Beschäftigt man sich näher mit TORIAN und schaut sich auf eurer Homepage um, stolpert man zwangsläufig über den Satz „TORIAN comes from the ultra-catholic town of Paderborn“. Ein Schmunzler oder steckt eine besondere Message hinter dieser Aussage?
Carl:
Das ist irgendwie doch eher ein Schmunzler. Paderborn ist nun mal ein doch eher beschauliches Provinzstädtchen mit sehr katholischen Einwohnern. Eine Metalband wirkt dort eher wie ein Fremdkörper. Allerdings hat unsere Heimatstadt seit vielen Jahren eine sehr lebendige Metalszene mit vielen Bands und allgemein vielen Metallern, Corelern und Punks, weshalb dieser Running Gag inzwischen schon etwas anachronistisch ist.
F-R.:
Kommen wir jetzt aber mal zum Wesentlichen, nämlich eurem neuen Album „Thunder Times“. Carl, neues Label und neue Hoffnung auf endlich mal größere Aufmerksamkeit im Music Bizz?
Carl:
Auf jeden Fall: Das Label unterstützt uns, wo es nur geht. Das Album kann man z.B. in den großen Kaufhäusern wie Media Markt und Saturn aber auch bei EMP erstehen. Wir erfahren viel Unterstützung, allerdings müssen wir als Band natürlich viel selbst arbeiten. Ich beziehe mich da auf das Booking. Selbst bei größeren Indies steht meist keine Agentur hinter, sondern Eigenarbeit ist gefragt. Glücklicherweise haben wir das Internet, was ungemein dabei hilft, sich Auftritte zu besorgen oder Adressen herauszufinden. Man muss sich nur hin und wieder mal die Zeit nehmen. Es ist und bleibt jedoch ein Kampf, und meistens kommen diejenigen Bands weiter, die das nötige Kleingeld z.B. für eine Tour besitzen oder die besonderen Beziehungen haben, die das allgemeine Weiterkommen ermöglichen. Wir haben weder das Eine noch das Andere. Nichtsdestotrotz glauben wir an uns und sind fest entschlossen, unseren Weg zu gehen: Wir haben ein geiles Album am Start, was sich jeder Power Metaller ohne zu überlegen kaufen kann, und spielen, so oft es geht, live.
F-R.:
Du bist bei TORIAN Hauptsongwriter. Arbeitest du mit einem so genannten roten Faden in den Songs oder stehen die Lyrics in den Songs für sich selbst?
Carl:
Bei diesem Album stehen sie für sich selbst. Z. B. „Stormbringer“ handelt von Arminus, dem Cheruskerfürsten, der einst die Römer bezwang, während „Dragonfire“ wiederum als Allegorie auf den Atomkrieg bedeutet. Ähnlich wie beim Debüt sind einfach sämtliche Lyrics verschiedene Dinge, die mir und Para (v.) durch die kranken Köpfe gehen. Beim kommenden Album wird das etwas anders sein, aber das ist noch nicht 100%ig spruchreif.
F-R.:
Das aktuelle Geschehen mit den Amok-Läufen vor Augen, werden Tracks wie „Headless Redeemers“ und „Eternal Dreamless Sleep“, die meiner Meinung nach dieses Thema anschneiden, plötzlich bittere Realität. Wie fühlt man sich, wenn man emotionale Texte schreibt und dann so etwas wie in Winnenden zeitnah passiert?
Carl:
„Headless Redeemers“ setzt sich mit der Psyche von Selbstmordattentätern auseinander und „Eternal Dreamless Sleep“ ist eine deutlich artikulierte Todessehnsucht. Somit hast Du Recht, dass diese Lyrcis das Winnenden-Thema streifen. Ich muss sagen, dass mir bei den Meldungen zumindest „Headless Redeemers“ sofort in den Sinn kam. Letztendlich sind Amokläufer ja Selbstmordattentäter, also Terroristen in eigener Sache, zwar nicht auf einem Kreuzzug für einen Gauben, sondern allgemein gegen die Gesellschaft. Ohne irgendetwas beschönigen zu wollen, aber man sollte mal ernsthaft nach den Ursachen forschen, und nicht wieder wie Merkel & Co Wahlkampf machen und nach Verboten schreien, also gleich das angeblich Nächstliegende wie PC-Spiele oder Waffengesetze als die Wurzel allen Übels ausmachen. Das zeigt, dass die meisten Menschen eben nur von 12 bis mittags denken. Diese Taten zeigen, dass im sozialen Zusammenleben grundsätzlich Dinge falsch laufen. Leute, die nicht den gesellschaftlichen Idealen entsprechen, werden, wenn nicht direkt ausgegrenzt, eben links liegen gelassen oder belächelt. Und alle Jahre wieder dreht einer durch, der es einfach nicht mehr aushält, weil er besonders empfindlich ist gegenüber Kränkungen und Ausgrenzungen. Doch was lebt die Erwachsenenwelt, der kommenden Generation vor? Ellenbogendenken, sich gegeneinander ausspielen oder Mobbing sind in allen Berufen an der Tagesordnung, einschließlich des Lehrberufs, was ja besonders Perfide ist. Das Schicksal der Betroffenen hat mich sehr berührt, aber in dieser Gesellschaft werden Amokläufe immer wieder vorkommen, sie sind ihr Spiegelbild. Insofern überraschte es mich nicht. Ich wundere mich -und man kann von Glück sagen- dass diese Taten nicht häufiger begangen werden...
F-R.:
„Eternal Dreamless Sleep“ ist mit über 12 Minuten Spieldauer zudem auch der längste Song eurer Bandhistorie? Solche Dimensionen ist man eigentlich von Prog-Bands gewöhnt. Wie seid ihr auf diese Länge gekommen?
Carl:
Ich kann Dir das nicht genau beantworten. Der Song ist einfach so entstanden, und ich habe sehr lange dran gesessen. Hin und wieder muss so etwas einfach sein. Es macht einfach Spaß, ab und an aus dem Power Metal-Songschema, was ja auf Konzerten und Parties funktionieren soll, auszubrechen. Eine ganze Reihe von ähnlich gelagerten Acts bzw. unsere Vorbilder schreiben nicht selten derartige Songs, wie Maiden, Iced Earth, Blind Guardian uvm.
F-R.:
Carl, Hand aufs Herz, die Produktion von „Dreams Under Ice“ war entgegen deiner Aussage im letzten Interview doch wirklich unterirdisch. Im Vergleich zu „Thunder Times“ liegen dazwischen Welten. Ich weiß, so etwas ist schwer zuzugeben, aber was war los?
Carl:
Ja, rückblickend betrachtet hast Du Recht. Aber man ist als Musiker frisch nach der Veröffentlichung des eigenen Werks doch erstmal sehr überzeugt davon, und durchaus etwas taub für Kritik. Erst nach und nach merkt man, was man unbedingt besser machen muss. Ich denke, es wurde hinreichend erläutert, warum „Dreams Under Ice“ so klang wie es klang. Ich muss auch sagen, dass dieser selbstkritische Denkprozess inzwischen früher einsetzt, denn auch so kurz nach der Veröffentlichung sind wir der Meinung, dass es produktionstechnisch auch bei „Thunder Times“ einiges zu bemängeln gibt, was das nächste Mal einfach wiederum viel besser werden muss.
F-R.:
Mit TORIAN veranstaltest du das Power Of Metal Festival in Paderborn. Erzähl doch bitte mal etwas über dieses Festival und welche Bands dafür in Frage kommen.
Carl:
Das Power of Metal-Festival ist, wie der Name schon sagt, ein reines Power Metal-Festival mit jetzt 5-6 Bands in der Größenordnung von 100-150 Leuten. Zunächst einmal spielen dort ausschließlich Bands aus dem Bereich True-/Power-/Melodic-Metal, Heavy- und Hard Rock. Das Festival heißt nun mal so, und die Leute sind dankbar, dass es so was in Paderborn gibt. Des Weiteren, und das ist noch ein angenehmer Nebeneffekt, besorgen uns die dort auftretenden Bands, wiederum einen Auftritt. Im Prinzip sind wir nicht mehr darauf angewiesen, dass das passiert, aber es sollte schon sein. In erster Linie sollen die Bands auch schlichtweg geil sein, da wir den Paderborner Fans was bieten wollen. Das beweist, dass wir eben nicht ausschließlich drauf aus sind, von den Bands Gigs zu kriegen, denn sonst würden dort auch miese Combos zocken, und das ist nicht der Fall. Hier ein Auszug des Programms der letzten und künftigen Jahre, was sich liest wie das Who is Who der qualitativ hochwertigen deutschen Underground Power Metal-Szene: Custard, The Claymore, Predator, Orden Ogan, Dragonsfire usw. Es gibt noch so viele geile Bands, und das verdammt geil rockende Paderborner Publikum hat es verdient, all diese Bands zu sehen!!!!
F-R.:
Diese Frage kennst du bereits vom letzen Mal. Kannst du mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?
Carl:
Wenn man bei Auftritten Personen begegnet, die ganz grob durch den Koffer sind, überlegen wir hin und wieder gemeinsam einen Roman zu schreiben im Stil von Heinz Strunks „Fleisch ist mein Gemüse“. Des Weiteren wird es hin und wieder nihilistisch, wenn wir uns nach den Gigs die Kante geben. Auf einem nicht näher genannten Open Air musste sich unser Gonzo (dr.) granatenvoll im Auto einschließen bzw. verstecken, weil ihm die Security ans Leder wollte. Wir wissen bis heute nicht, was er da gemacht hat, und er übrigens auch nicht. Dann war da noch der Weitpiss-Kontest eines nicht näher genannten Bandmembers mit einer der lokalen Supportbands auf der Italien-Minitour mit Arthemis. Oder die Bitte eines Mitglieds des Iron Igels Metalclubs auf dem letztjährigen Dragonlayer Festival, dass Para bei der Bandhymne die Textzeile „I belong to iron legions“ in „I belong to Iron Igels“ umwandelt. Er sang dann „I belong to iron assholes“ und zeigte in die Richtung einen Mittelfinger. Wir sind auch bis heute nicht sicher, ob die das dann auch als Spaß aufgefasst haben, hargh, hargh...
F-R.:
Zum Ende noch ein paar Worte an unsere Leser und eure Fans.
Carl:
Wenn Ihr auf Power Metal abfahrt, solltet Ihr bei uns nicht nur reinhören, sondern „Thunder Times“ einfach blind kaufen! Ihr werdet es nicht bereuen!!! Des Weiteren bucht uns für Eure Konzerte und feiert mit uns!!!
Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
Mike von FFM-Rock Foto by TORIAN