SONS OF SEASONS, Frankfurt/M., Nachtleben
Interviewpartner: Oliver Palotai (git., key)
Interview vom 25.05.11
Homepage:
www.sonsofseasons.com
Ffm-Rock:
Moin Oliver, zunächst einmal meinen Dank, dass du dir trotz des Tourstresses dir die Zeit für ein Interview nimmst. Nach der KAMELOT-Tour, die du in musikalischer Doppelfunktion jetzt ja auch mit SONS OF SEASONS begleitet hast, startete direkt im Anschluss eure SoS -Tour. Zwei Baustellen, einige Fragen: Gehen wir zunächst auf SONS OF SEASONS näher ein. Wie waren die bisherigen Fanresonanzen auf der SoS-Headliner-Tour?
Oliver:
Wir haben bislang, ich glaube vier Konzerte gespielt, bis zu diesem Zeitpunkt. Und es ist natürlich alles in einem viel kleineren Rahmen als bei der Kamelot-Tour. Klar, Sons of Seasons sind noch ganz frisch, und wir werden dann auch noch ein paar Jahre brauchen, um an den Punkt zu kommen; aber insoweit sind wir hoch zufrieden. Die Besucherzahlen sind gut, in den Niederlanden zumindest, wo ja MaYaN auch noch eine nicht geringe Rolle spielen. Klar, die ganzen Epica-Fans, die da kommen. Aber das ist wichtig. Wir müssen vor Leute kommen, und insoweit erfüllt die Tour hundertprozentig unsere Erwartungen.
Ffm-Rock:
Zur Historie von SONS OF SEASONS: 2007 hast du SoS ins Leben gerufen. Was war für dich der Ausschlag, eine neue Band zu gründen? Zu dieser Zeit standest du ja noch in Lohn und Brot bei Doro, Kamelot und auch, was eher wenige wissen, Blaze Bailey.
Oliver:
Wenn du bei Bands aufspringst, die schon seit vielen Jahren existieren, dann ist es klar, dass dies immer begrenzt ist – vor allem, was das Songwriting angeht. Du bist zwar offiziell Bandmitglied, aber es gab die Bands teilweise dann schon 10 Jahre oder länger bevor ich dann ins Boot gekommen bin. Und ich hab einfach so meine Spielwiese für Kompositionen gebraucht, ohne dabei durch Vorstellungen von anderen Künstlern eingeschränkt zu werden. Eigentlich alle Bands – ob Doro oder Blaze – haben mir unheimliche Freiheiten gelassen. Aber man muss natürlich ihren spezifischen Sound berücksichtigen, und mit SONS OF SASONS habe ich einfach mein Ding, das mir keine Limits setzt.
Ffm-Rock:
Im Line-Up von SONS OF SEASONS stehen einige bekannte Namen der deutschen Musikszene. Wenn man euch zusammen sieht und die Band mal näher kennen gelernt hat, stellt man schnell fest, dass die Charaktere gut zusammenpassen. Wie bist du auf die einzelnen Musiker gekommen?
Oliver:
Ja, den Daniel (Schild, dr.), den hab ich mitgenommen von Blaze. Die komplette Band hat ja Blaze damals verlassen, weil wir mit dem Management Ärger gehabt haben. Eigentlich ist es nicht mal wert, das „Management“ zu nennen, das war einfach ein Haufen Verbrecher – kann man nicht anders sagen. Und den Daniel hab ich mitgenommen, weil ich schon immer mit ihm Musik machen wollte. Und die Blaze-Periode war mir einfach zu kurz. Danach in Japan habe ich Jürgen (Steinmetz, b.) getroffen. Der war damals Vorgruppe bei Kamelot mit seiner Band Silent Force. Lustigerweise habe ich Henning (Basse, voc.) auch in Japan kennen gelernt. Dort hat wiederum Firewind die Vorgruppe von Kamelot gestellt, und Henning war damals der Sub für den eigentlichen Sänger von Firewind. Also so ein bisschen durch verschiedene Ecken und Enden. Dann lass mich überlegen … Der Pepe (Pierez, git.) ist ja erst nach der „Gods of Vermin“ ins Boot gekommen. Den hat Henning mitgebracht. Pepe ist ein wahnsinnig guter Gitarrist, aber er hatte Vocal-Stunden bei Henning, der ja wiederum auch Gesangslehrer ist. Das waren sie, glaub ich, alle (lacht).
Ffm-Rock:
Wer dich persönlich näher kennt, der weiß, dass du neben dem Metal in vielen weiteren musikalischen Richtungen, wie z.B. in der Klassik oder dem Jazz auch beheimatet bist. Du bist auch der Haupt-Songwriter bei Sons of Seasons. Welche musikalischen Vorgaben und Ziele hast du dir im Vorfeld beim Komponieren des Debüts „Gods of Vernim“ und jetzt auch bei „Magnisphyricon“ gesetzt?
Oliver:
Beim Debüt war das echt noch ein bisschen so ein Stochern im Dunkeln. Also ich hab einfach keine direkten Vorgaben gehabt. Ich wusste noch nicht, wohin die Reise geht. Das Line-Up war nicht da. Ich wusste nicht, für welchen Sänger ich schreibe, und das ist elementar wichtig fürs Songwriting. Das war ein bisschen nur ein Rumprobieren. Ich bin eigentlich erstaunt, dass sich „Gods of Vernim“ doch relativ homogen anhört. Wobei die Songs im Laufe von zwei Jahren entstanden sind. Wir hatten ja auch noch einen anderen Sänger vor Henning, der völlig anders gesungen hat. Wiederum „Magnisphyricon“ hört man diese Entwicklung an. Plötzlich war ne Band da, mit der wir auch schon durch Europa getourt sind. Ich wusste, welchen Stil wir ungefähr einnehmen und in welche Richtung ich komponiere. Also die ganze Produktion, auch die technische Seite hinter der Produktion von „Magnisphyricon“, die war zehnmal professioneller als von „Gods of Vernim“.
Ffm-Rock:
Da schließt sich auch gleich die nächste Frage an: Euer Debüt klingt eher düster. „Magnisphyricon“ ist durch mehr Symphonic-Anteile freundlicher und melodiöser. Worin siehst du selbst die eigentlichen Unterschiede vom Debüt zum aktuellen Werk? Ist es nur das, was du eben erklärt hast oder gibt’s da noch speziell was anderes?
Oliver:
Ich würde sagen, bei uns war immer ein großer Widerspruch zwischen dem, was wir auf der Bühne live präsentiert haben und der Platte „Gods of Vernim“. Es kamen sehr viele Leute dann zu uns nach den Live-Konzerten und haben gesagt: Ihr klingt ja live viel, viel härter als auf der Platte. Und diesen Gegensatz, den wollte ich eigentlich schließen. Ich denke, das haben wir mit „Magnisphyricon“ weitgehend geschafft. Natürlich klingt ne Band live immer ein bisschen rauer und unmittelbarer. Das kann man auf CD glaub ich nie so rüber bringen. Aber auf jeden Fall, „Magnisphyricon“ ist heavier, das denke ich. Und es ist vielleicht ein bisschen eingängiger, weil es bestimmte Hook-Melodien gibt, durch die ich den Hörer ein bisschen sanfter an die doch recht komplexe Musik ranführen wollte.
Ffm-Rock:
„Magnisphyricon“ ist ein ungewöhnlicher Name für ein Album. Welche Bedeutung steckt hinter dem Wort?
Oliver:
Also: Das ist erstmal aus der Silbe „magnus“ aus dem Lateinischen, was „groß“ heißt oder in dem Fall dann „allumfassend“. Dann ist „Sphäre“ und dann haben wir noch dieses „con“, welches die beiden Wörter verbindet. Was ich damit eigentlich umschreiben will, ist so die tägliche Existenz eines Künstlers, der sich seine Welt schafft, um darin zu existieren und die oft im krassen Gegensatz steht, sag ich mal, zur Realität. Das sieht man auch auf dem Cover: Da ist der Künstler quasi, liegt auf dem Klavier und ist damit in seinem Universum, in seiner eigenen Welt. Und an der Seite eben diese Zombi-Banker, die auf das Klavier zukriechen. Wenn man genau hinguckt, dann spielt das alles auf der Spitze von einem Wolkenkratzer, der aber wiederum eher wie so ein Abgrund erscheint. Und das heißt es dann: die Bedrohung dieser künstlerischen Existenz durch finanzielle Erfordernisse, durch die Probleme im Alltag, vielleicht auch dieses Nichtverständnis der Menschen in der eigenen Umgebung. Das hat aber auch noch eine zweite Bedeutung, und das ist, dass die Band durch die Hinzunahme von Pepe Pierez zum neuen Gitarristen komplett ist.
Ffm-Rock:
Das ist schön erklärt und du hast meine nächste Frage, die über das Cover gegangen wäre, gleich mit beantwortet.
Dann eine Frage zur Zukunft von KAMELOT: Ich meine, es ist mit Sicherheit momentan ein aktuell sehr schweres Thema für die Band. Die Frage sollte aber dennoch gestattet sein. Ich weiß nicht, inwieweit du in die Planungen da mit eingeschaltet bist. Der Ausstieg von Roy Khan traf hart. Mit Fabione Lione wurde ein guter, aber nicht wirklich passender Live-Ersatz gefunden. Er hat zwar eine Super-Show in Köln gemacht, wir waren ja da. Ich muss sagen, er hat super gesungen und alles – nur fehlt ihm dieser Ausdruck, diese Aura von Khan. Das meine ich damit. Tommy Karevik (Seventh Wonder) hat zweifelsohne Qualitäten und durfte auf der Tour auch verschiedene Songs performen. Also in Köln haben wir einen gehört, ich hab irgendwo in einem Review gelesen, da hat er einen anderen gesungen – was man also als Laie oder vielleicht auch beim aufmerksamen Beobachter als „antesten“ auslegen könnte. Wie geht es im Hause KAMELOT mit der Suche nach einem neuen Sänger jetzt weiter?
Oliver:
Nächstes Jahr haben wir ja überhaupt keinerlei Live-Aktivitäten, also es ist zumindest nichts geplant. Wir konzentrieren uns komplett auf die neue Platte und eigentlich auf die Sänger-Suche: einen Sänger zu finden, aufzubauen, mit ihm aufzunehmen und ihn in die Band zu integrieren. Deswegen haben wir im Moment jeden Tag 5-10 Anfragen von Sängern weltweit, die natürlich gern Roys Stelle einnehmen würden. Wir haben jetzt wirklich noch gar nichts entschieden. Also, wer der neue Sänger wird: Wir haben echt noch keine Ahnung. Tommy, find ich, hat sich unheimlich gut entwickelt. Am Anfang von der Tour hatte ich so meine Zweifel, vor allem was so die Bühnenpräsenz angeht. Gegen Ende der Tour, vor allem in Skandinavien, hat er ne unheimliche Entwicklung hingelegt, und man darf eins nicht vergessen: Damals, als Roy in die Band gekommen ist – das war ja noch vor meiner Zeit – war Roy auch nicht diese Macht auf der Bühne, die er dann später war. Also man muss Leuten auch einfach Zeit geben, sich zu entwickeln. Was natürlich schwer ist, für ne etablierte Band wie KAMELOT. Insgesamt steht uns ein langer Prozess bevor, und das nächste Jahr ist wirklich nur dieser einen Sache gewidmet. Dann werden wir Videos drehen, werden neue Foto-Shootings machen, mit dem neuen Sänger und ihn dann eben den KAMELOT-Fans vorstellen. Hoffentlich wird er dann eben auch dementsprechend akzeptiert.
Ffm-Rock:
Das ist schon mal eine gute Aussage.
Wie in all meinen Interviews gibt es eine Pleiten-Pech-und-Pannen-Frage. Kannst du mal irgendwas Lustiges, wenn’s geht, noch nicht Veröffentlichtes aus deinem Tourleben oder dem Studio erzählen?
Oliver:
Also, gerade jetzt mit SONS OF SEASONS, dadurch, dass wir natürlich noch auf einem sehr bescheidenen Niveau touren, gibt es massig Pleiten, Pech und Pannen, z.B. die Tatsache, dass wir dann mit unserem Camper bei der Europa-Tournee mit EPICA damals, der ist also so nach und nach auseinander gefallen: Die Fenster sind rausgefallen, die Dusche ging plötzlich an und unser Equipment und Schuhe waren drunter. Wir haben zwei Unfälle gebaut in Bilbao und Paris, beide unverschuldet; aber gut, man weiß ja, dass dort ein bisschen ein anderer Fahrstil herrscht als hierzulande, eher intuitiv. Also das war ziemlich krass. Henning lag auch in so einem Bett, und wir haben irgendwann mal rausgefunden, dass man die komplette Wand aufklappen konnte. Da haben wir uns unsere eigene Würstchenbude gestaltet mit dem Camper, also wir hätten uns vielleicht unsere Kasse ein bisschen aufbessern können durch den Verkauf von Würstchen. Das z.B. hatten wir noch nie veröffentlicht (grinst).
Ffm-Rock:
Das ist gut, das ist was für mich (lachen).
So, dann sind wir auch schon am Schluss, du hast ja noch ein bisschen was vor. Deine letzten persönlichen Worte an eure Fans und unsere Leser von FFM-Rock.
Oliver:
Das, was ich eigentlich immer wieder auch sage: Ich hoffe einfach, oder ich kann immer nur jedem raten und hoffe, dass die Leute einfach ein offenes Ohr für alles haben, nicht in Schubladen denken, weil das ist das, was mich persönlich am meisten ankotzt bei Leuten, die schon erstmal mit gewissen Vorurteilen an Musik oder an ganze Stilistiken rangehen. Allerdings muss ich sagen, dass ich mit dem Metal super Erfahrungen gemacht habe in dieser Hinsicht, im Gegensatz zu vielen anderen Stilen, in denen ich ja auch gespielt habe und wo die Leute wesentlich größeres Scheuklappendenken haben wie beim Metal, also da sag ich schon, Hut ab vor der Metal-Szene.
Danke für das Interview und alles Gute für die laufende Tour!
Mike von FFM-Rock Foto by SONS OF SEASONS