MERCURY FALLING - Hasselroth, Rock in Schroth Festival
Interview vom 30.06.12
Interviewpartner: Daniel Galmarini (Key), Tobias Galmarini (git.)
Homepage:
www.mercury-falling.de
F-R:
Moin ihr beiden, zunächst herzlich Willkommen beim Rock in Schroth Festival und meinen Glückwunsch zum Release von „Into The Void“ sowie dem endlich gelungenen Plattendeal mit Phonotraxx. Wie man in vielen CD-Besprechungen nachlesen kann, kennt kaum einer MERCURY FALLING. Das wollen wir hier mal ändern. Erzählt doch mal ein wenig über eure Band und ihre 15-jährige Historie.
Tobias:
Hallo Mike. Vielen Dank. Wir freuen uns auch sehr, dass wir bei dem Label unter Vertrag genommen wurden. Was kann man über unsere Band sagen… Nach unserer Gründung 1997 hatten wir durch Auftritte recht schnell eine regionale Fanbase. Wir haben einige Wettbewerbe gewonnen und von den Geldpreisen unser erstes Demo finanziert. Danach begann eine recht wechselhafte Zeit mit einigen Besetzungswechseln. Während dieser Zeit ist Michael als Sänger zu uns gekommen. Da auch unser damaliger Drummer und auch der Bassist sich umorientierten, mussten wir mit Sessionmusikern spielen. Unser erstes Album „Panta Rhei“ ist auch in dieser Zeit entstanden. Obwohl wir damit „Demo des Monats“ im Metal Hammer Magazin wurden und auch einige Angebote von Labels bekommen haben, waren wir der Meinung, dass die Band in dieser Situation noch nicht reif für diesen Sprung war. Ich glaube 2004 sind Paul am Bass und Maicel an den Drums zur Band gestoßen. Das war für uns ein großes Glück, weil wir einen ähnlichen Musikgeschmack haben und im Laufe der Zeit sehr gute Freunde wurden. In dieser Besetzung spielen wir bis heute zusammen und ich hoffe, dass wir das auch noch sehr lange in der Zukunft tun. Für uns ist es wichtig, in einer richtigen Band zu spielen. Wir ergänzen uns beim Songwriting sehr gut und teilen auch die organisatorischen Aufgaben. Ich denke, man hört uns auch an, dass wir als Band viel Spaß and der Sache haben und dass sich jeder damit identifiziert. Wir achten deshalb auch bei den Songs darauf, dass sie allen gefallen und die Möglichkeit bieten, dass sich jeder einbringen kann. Ich denke, das sollte auch unser Ziel sein, wenn man gemeinsam Musik macht.
F-R.:
„Into The Void“ ist jetzt euer 4. Studioalbum in 15 Jahren Bandgeschichte. Vor gut einem Jahr habt ihr diesen Longplayer den Fans vorgestellt und jetzt offiziell über ein Label veröffentlicht. Wieso diese Verzögerung?
Tobias:
Wir hatten die Songs eigentlich Ende 2010 im Kasten und waren von der Qualität des Materials überzeugt. Deshalb machten wir uns gleich auf die Suche nach einem Partner, mit dem wir die CD veröffentlichen konnten. Das gestaltete sich aber langwieriger als wir dachten. Wir hatten einige Angebote von Labels, die aber sehr zu unseren Ungunsten ausgefallen wären. Bei der Produktion von „Into the Void“ arbeiteten wir mit einem internationalen namenhaften Produktionsteam zusammen, was natürlich auch von uns finanziert wurde. Bei vielen Angeboten hatten wir das Gefühl, dass dies nicht genug beachtet wurde. Daher haben wir uns dafür entschieden, weiter zu suchen und – falls sich kein Partner findet – die CD im Eigenvertrieb über Plattformen, Konzerte und Homepage zu verkaufen. Es hat dann aber doch relativ lange gedauert, alle Angebote einzuholen und sie zu prüfen. Bei Phonotraxx haben wir einen wirklich fairen Deal bekommen und konnten schon sehr schnell nach der Veröffentlichung sehen, dass sich einiges bewegt. Die Jungs von Axxis, die das Label gründeten, haben ja auch genug Erfahrung und unterstützen uns wirklich.
F-R.:
„Into The Void“ ist eine ganze Ecke vielschichtiger und teilweise auch härter ausgefallen als noch sein Vorgänger „Human Nature“. In den letzten Jahren habe ich bei euch live bereits festgestellt, dass das ältere Material dort schon knackiger gespielt wurde. Ist die musikalische Ausrichtung von „Into The Void“ die logische Konsequenz daraus?
Tobias:
Natürlich wollten wir uns auf „Into the Void“ weiterentwickeln. Dazu kommt, dass „Into the Void“ von Anfang an härter angelegt war. Als wir mit dem Songwriting begonnen haben, hatten wir es uns zum Ziel gesetzt, eine düstere und härtere Scheibe zu machen. Außerdem wollten wir die Songs noch interessanter gestalten. Daher sind einige Parts komplex ausgefallen und die Scheibe wirkt insgesamt vielschichtiger. Natürlich spielt der Sound der Produktion dabei auch eine große Rolle. Hierbei haben wir darauf geachtet, dass das Album moderner klingt, die Gitarren weiter im Vordergrund stehen.
Daniel:
Auch Michaels Gesang wirkt im direkten Vergleich zum Vorgängeralbum energiegeladener, lebendiger und aggressiver. Ich glaube die Band hat bei diesem Output zu sich gefunden.
F-R.:
Viele Musikfans scheuen sich, die mit dem Zusatz „progressiv“ behafteten Bands anzutesten bzw. zu hören. In diese Sparte werdet ihr oft gesteckt, was in Teilbereichen der Songstrukturen im Bereich Gitarren- und Keyboard Harmonien ja auch zutrifft. Wie würdest du einem auf euch neugierig Gewordenen die Angst vor dem „progressive“ nehmen?
Tobias:
Unter Progressive Rock stellt man sich immer Songs vor, die von Musiker für Musiker gemacht sind und für das allgemeine Publikum zu kompliziert klingen. Wir sind durchaus von Bands wie Dream Theater oder Sympony X beeinflusst. Wir versuchen aber nicht, auf biegen und brechen aus einem geilen Gitarrenlick ein 15/16 zu machen, nur damit es schräg klingt. Unserer Meinung nach ist es wichtig, einen guten Song zu schreiben. Dazu braucht es einen coolen Lick, eine eingängige Melodie und ein passendes Arrangement. Die progressiven Elemente in unseren Songs haben lediglich die Funktion, das Lied für den Hörer und natürlich auch für uns als Interpreten interessant zu machen. Sie sind bei uns kein Selbstzweck. Daher würden wir auch nie soweit gehen, uns als Progressiv-Metal zu beschreiben.
Daniel:
Wenn man zum Beispiel einen Song über Jahre hört und beim Durchhören immer wieder was Neues entdecken kann, ist das super. Ich mag sowas! So ging`s mir damals mit der „Images and Words“ von Dream Theater. Wenn Du sowas für Deine Zuhörer schaffst, ist das meiner Meinung nach ganz großes Kino! – Das haben wir eben bei diesem Album auch versucht. Vielleicht wirken die Arrangements deshalb progressiv!? Wenn man jetzt einen 5/4 Takt bereits als progressiv verbucht, könnten wir sicherlich unter dem Label Progressive gehandelt werden, aber das tat beispielsweise Bach, Bartok oder Debussy bereits Jahrhunderte vor uns. Um den Zuhörern die Angst zu nehmen, würde ich einfach vorschlagen, dass sie sich das Album mal anhören und sich ihre eigene Meinung bilden. Musik ist in erster Linie immer Geschmackssache und selbst Bonfire spielen beim Intro von „Ready for Reaction“ krumme Takte und gehen nicht gleich als Prog-Band durch.
F-R.:
Wir könnten jetzt hier fast jeden Song auf „Into The Void“ näher beleuchten, jedoch würde das den Rahmen sprengen. Neben dem Titeltrack und „Long Way Out Of Hell“ begeistert mich jedoch „Queen Of Pain“. Ein außergewöhnliches Thema, welches Platz für Spekulationen lässt. Was kannst du über den Song und seine Entstehung erzählen?
Tobias:
Die Musik zu dem Song stammt hauptsächlich von Daniel und mir. Das ganze ist eigentlich eine klassische Double-Bass Nummer mit eingängigem Refrain. Textlich geht es um gewisse sexuelle Vorlieben.
Daniel:
Textlich handelt das ganze Album im Grunde, ähnlich wie das Vorgängeralbum, von der Auseinandersetzung des Individuums mit sich selbst und seinem Platz innerhalb der gesellschaftlichen Gruppen. Sexualität spielt in unserem Leben eine ungeheure wichtige Rolle. Sexualität ist ein ganz großer Motor für das was wir tun, wie wir es tun, wie wir gesehen werden möchten oder was wir darstellen. Es ist vielleicht die größte menschliche Thematik überhaupt. Dass der Text eine pervertierte, verzerrte Sichtweise von Sexualität zeigt, hat einen bestimmten Grund. Es geht in erster Linie nicht um den Akt an sich, sondern vielmehr um ein Machtgefälle zwischen dem devoten Diener und der Herrin. Diese Machtgefälle lassen sich eigentlich in jeder, auch nicht-sexuellen Beziehung wiederfinden. Ich fand das Bild, die Metapher, für diese Machtverhältnis beziehungsweise Machtgefüge sehr treffend.
F-R.:
Gastmusiker wie Oliver Palotai (Kamelot, Sons Of Seasons), Piet Sielck (Iron Savior) und Jens Ludwig (Edguy) habt ihr auf „Into The Void“ spielen. Welche Parts haben sie übernommen?
Tobias:
Jens und Piet waren maßgeblich an der Produktion beteiligt und wir dachen, es wäre schön, wenn sie nicht nur durch ihre Arbeit auf der Scheibe präsent sind, sondern auch wirklich zu hören sind – schließlich sind sie auch hervorragende Musiker, die die Lieder unheimlich bereichert haben. Daher haben wir Jens gefragt, ob er nicht ein Solo auf „Long Way Out Of Hell“ spielen möchte. Piet hat die Bridge auf „In Dark Waters“ eingesungen. Mit Olivers Band Sons Of Seasons haben wir einige Auftritte gespielt und uns sehr gut verstanden. Deshalb haben wir ihn gefragt, ob er ein Gastsolo spielen möchte. Er ist auf „Stranger In Us All“ zu hören.
F-R.:
Eure Plattenproduktion wartet mit recht bekannten Namen der Musikszene auf. Welche Stadien der Produktion haben Jens Ludwig (Edguy), Piet Sielck (Iron Savior) und Andy van Dette (Bruce Dickinson, WASP) übernommen und was habt ihr selbst gemacht?
Tobias:
Wir haben bereits auf unserem ersten Longplayer „Panta Rhei“ mit Jens zusammengearbeitet und schätzen seine Arbeitsweise. Mit ihm haben wir die Drums, die Gitarren und den Bass aufgenommen. Es war eine sehr entspannte und angenehme Arbeitsatmosphäre und wir konnten von seiner große Erfahrung profitieren und er hat die Songs durch viele Ideen bereichert. „Human Nature“ wurde damals komplett von Piet aufgenommen und gemixt. Er ist ein toller Musiker und hat auch mehr Abstand dazu, um noch mehr aus den Songs rauszuholen. Als Sänger und Produzent hat er ein unglaubliches Gefühl für Melodien und deshalb wollten wir gerne wieder mit ihm zusammenarbeiten. Bei ihm haben wir die kompletten Vocals aufgenommen und er hat auch den Mixdown übernommen. Die Keyboards hat Daniel dann in seinem eigenen Studio arrangiert. Das Mastering hat wie auch schon auf der „Human Nature“ Andy VanDette übernommen. Dazu haben wir die fertigen Songs nach New York geschickt. Andy hat dem ganzen den letzten Schliff gegeben.
F-R.:
Das Vorgängeralbum „Human Nature“ hatten wir bereits angesprochen und möchte dieses Thema hier auch noch einmal kurz aufgreifen, da dieses Album ebenfalls sehr stark ist und nicht unerwähnt bleiben sollte. Stelle die Platte bitte auch kurz noch einmal vor.
Daniel:
Ja, gerne. „Human Nature“ ist wie erwähnt das Vorgängeralbum zum aktuellen Output. Es war das erste Album in diesem Line-Up. Der Unterschied zu „Into the void“ ist der, dass Piet eigentlich alles, außer den Keyboards, aufnahm und produzierte. Thematisch beschäftigt sich das Album, wie der Titel schon erahnen lässt, mit der Natur des Menschen. Es geht hierbei lediglich aber um Gedankenanstöße. Zu dem Song „Sacred Love“ wurde noch ein Video gedreht. Leider wollte keine Firma das Album veröffentlichen. Was für uns wahrscheinlich ein Rätsel bleiben wird, da es alles hat was ein gutes Album braucht…unserer Vorstellung nach! Die ganze damalige Suche nach einem passenden Partner um die CD zu veröffentlichen hatte uns wahnsinnig viel Zeit, Geld und Geduld gekostet. Letztendlich sind doch alle Bemühungen im Sande verlaufen. Darum entschlossen wir uns die CD selbst zu vertreiben. Das ist auch einer der Gründe, warum die Aufnahmen zu „Into the Void“ etwas später als geplant beginnen mussten. Auf der Scheibe sind zehn großartige Songs! Um vielleicht eine nicht-eingefärbte Meinung zu lesen, wäre es das Beste das damalige Review zum Album bei euch auf FFM Rock zu lesen.
„Undertow“, „Sacred Love“, „New Gods“ und der Titelsong gehören zu unserem Liveprogramm und werden gut vom Publikum angenommen.
F-R.:
Live habt ihr große Events leider noch nicht spielen dürfen. Welches Venue oder Event wäre hier euer größter Wunsch? Und wo kann sich der neugierig Gewordene von euren Live Aktivitäten aktuell überzeugen?
Tobias:
Natürlich würden wir gerne die großen Heavy-Metal Festivals spielen. Ich glaube auf Wacken auf der Main-Stage zu spielen ist ein Traum vieler Bands – so auch unserer. Ich würde mir noch eine Tour im Herbst wünschen, um Mercury Falling einem breiteren Publikum vorzustellen. Heute spielen wir ja schon mal das Rock in Schroth zusammen mit Paul Di’Anno und Odium (beide lachen). Ansonsten sind im Herbst/Winter noch einige Clubgigs geplant.
Daniel:
Mit Axxis spielen wir schließlich noch auf der Phonotraxx Labelnacht am 02.11.2012. Ein paar Festivals nächstes Jahr wären schon ganz cool. Mal schauen was noch alles passiert!
F-R.:
Eine Frage, die alle meine Interviewpartner gestellt bekommen. Kannst du mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?
Daniel:
Wir sind mal zu einem Auftritt nach Hamburg gefahren und aßen in dem Restaurant einer schwedischen Möbelkette in Großburgwedel. Als wir so unser Mahl zu uns nahmen, fiel unser Augenmerk schließlich auf eine unglaublich attraktive 20 jährige. Wir bekundeten beim Verschlingen der Köttbullar untereinander unser Gefallen an Ihr. Jetzt kann man sich Vorstellen, dass sich dies nicht unbedingt in einem ruhigen, sachlichen Ton und Lautstärke von statten ging. Maicel, unser Schlagzeuger, meinte dann während unserem dinieren, dass der Vater der hübschen Blondine, die unsere Aufmerksamkeit vollends auf sich gezogen hatte, wirklich sehr stolz auf sich, seine damalige Leistung und seine Tochter sein könne. Nach einiger Zeit beendete die überaus begehrenswerte Frau ihr Essen, stand auf und war dabei das Restaurant in Begleitung eines älteren Mannes zu verlassen. Bevor sie allerdings den Essensbereich verließen, kamen die beiden an unserem Tisch vorbei. In diesem Augenblick beugte sich der ältere Mann zu Maicel runter und meinte zu ihm:“ Wissen Sie, das bin ich auch. Das habe ich damals wirklich gut gemacht!“
F-R.:
So, da sind wir auch schon am Ende. Eure persönlichen letzten Worte hier an unsere Leser und eure Fans sind jetzt gefragt.
Daniel:
Macht Euch Euren eigenen Eindruck von der Band und den Alben. Wenn es Euch gefällt, dann kommt zu den Konzerten und kauft die CD. Musik ist immer Geschmackssache! Wir tun das, was wir tun, aus völliger Überzeugung. Wir wollen keinen Trends hinterher hecheln oder Fastfood-Instant-Musik verkaufen. In erster Linie geht es um gute Musik! Vielen Dank für den bisherigen großartigen Support!
Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
Mike von FFM-Rock Foto by Astrid Reich