HARTMANN

Mailer

Interviewpartner:  Oliver Hartmann (voc., git.)

Homepage:
www.oliverhartmann.com

F-R:
Moin Oliver, zunächst meinen Glückwunsch zum neuen Album „Balance“, eurem vierten HARTMANN Album. Hört man sich die 12 neuen Tracks genauer an und kennt die ersten drei Alben, wird man mit „Balance“ eine Schnittstelle finden. Seid ihr mit dem neuen Album jetzt da angekommen, wo HARTMANN musikalisch hin wollte?

Oliver:
Es ist auf jeden Fall in unseren Augen das beste und in sich stimmigste Album, das wir bis jetzt veröffentlicht haben. Das Songwriting für eine Band ist natürlich ein unaufhörlicher Prozess und ständig in Bewegung. Auch wir haben uns musikalisch seit dem ersten Album ständig weiterentwickelt, obwohl wir stilistisch unseren Pfad nie wirklich verlassen haben. Somit ist das Album in der Tat eine Art Schnittstelle. Irgendwie war für uns diesmal auch alles in einem bestimmten Gleichgewicht, angefangen beim Songwriting über das Recording bis hin zur Auswahl der richtigen Titel für dieses Album, was auch letztendlich zum Titel „Balance“ geführt hat.

F-R.:
Wer eure Alben kennt und euch schon live erlebt hat, wird schnell feststellen, dass ihr eine homogene Truppe darstellt. Zieht ihr auch musikalisch alle am gleichen Strang oder bestimmst du als Hauptsongwriter weitestgehend selbst die musikalische Marschrichtung innerhalb der Band?

Oliver:
Als Hauptsongschreiber gebe ich natürlich in gewisser Weise die musikalische Richtung von HARTMANN vor, aber innerhalb der Band hat jeder beim Songwriting natürlich die Möglichkeit, Einfluss auf die Songs zu nehmen und seine Ideen einzubringen. Und über gute Ideen bin ich immer froh. Speziell unser Bassist Armin (Anm.: Donderer) hatte beim letzten Album schon einige Songs mitarrangiert und auf dem neuen Album mit “Like A River“ und „From A Star“ erstmals auch 2 komplette Songs beigesteuert, die beide absolut klasse geworden sind und sich super in das Album einfügen. Natürlich ist man mit 4 Musikern bezüglich der Songs und ihrer Auswahl nicht immer absolut einer Meinung, daher bleibt als Namensgeber die letztendliche Entscheidung dann doch bei mir. Ich nenne es immer eine „demokratische Diktatur“, haha ;-)

F-R.:
Der Titeltrack „All My Life“ ist wieder so ein Airplay tauglicher Ohrwurm geworden, wie man ihn bisher mit mindestens einem Song auch auf den HARTMANN Vorgängeralben vorgefunden hat. Findet euer Melodic Hardrock eigentlich bei großen Radiosendern Beachtung oder sind HARTMANN vornehmlich nur bei Online Radios zu hören?


Oliver:
Es werden natürlich immer mal wieder hier und da auch in speziellen Sendungen der größeren Radiostationen vereinzelt Titel von uns gespielt, aber das ist doch leider immer noch sehr übersichtlich. Wie Du schon gesagt hast, waren bisher eigentlich auf jedem Album ein bis zwei Songs, die durchaus auch als Single sogar im sogenannten „Formatradio“ funktioniert hätten, aber bisher hat sich noch keiner gefunden, der bereit gewesen wäre, mal einen in die Heavy Rotation zu nehmen. Die Großen im Radiobusiness sind da doch leider sehr unbeweglich, daher läuft auch bei den meisten bekannten Sendern überall den ganzen Tag dasselbe.

F-R.:
4. Album – 4. Label bzw. Vertrieb. Wie frustriert oder glücklich bist du für dich selbst in Sachen der HARTMANN Veröffentlichungspolitik?


Oliver:
Über die momentane Situation mit Avenue of Allies als Label bin ich eigentlich ganz glücklich. Es ist zwar ein kleines Label, die aber viel für uns tun, da wir für die ein wichtiges Hauptthema sind. Die ersten beiden Alben sind ja bei Frontiers erschienen. Obwohl die Verkäufe eigentlich gut waren und speziell das erste Album ein wirklich unerwarteter Erfolg, gingen die Meinungen über die musikalische Richtung von HARTMANN dann doch zu weit auseinander. Da von Frontiers damals an unserer Live-DVD „Handmade“ keinerlei Interesse bestand, entschlossen wir uns daher, die Produktion und den Release über ein befreundetes Label abzuwickeln. Für das letzte Album 3“ habe ich den Schritt gewagt, ein eigenes Label zu gründen und lediglich den Vertrieb und die Promotion außer Haus zu geben. Finanziell kann das für eine gut laufende Band natürlich absolut von Vorteil sein, aber ich musste doch feststellen, dass die ganze Arbeit, die damit zusammenhängt einfach extrem viel Energie und Zeit in Anspruch nimmt und das eigentlich Wichtige, nämlich das Musikmachen an sich, dabei etwas auf der Strecke bleibt. Also sind wir den vermeintlichen Schritt zurück gegangen und haben uns im konservativen Sinne wieder ein Label gesucht, was aber eher – wie es sich bis jetzt zeigt – ein deutlicher Schritt nach vorne war.

F-R.:
Mich persönlich freut auf „Balance“ auch, dass euer ehemaliger Keyboarder und zweiter Sänger Jürgen Wüst auf „Fall From Grace“ wieder den Weg auf das Album geschafft hat. Alte Verbundenheit oder ein Song aus älteren Tagen, der hier mit ihm auf „Balance“ platziert wurde?


Oliver:
Jürgen Wüst ist ja leider aus zeitlichen Gründen seit ca. 2 Jahren nicht mehr dabei, was sehr schade, aber verständlich ist. Der Titel „Fall From Grace“ war schon für „3“ fertig im Kasten, hatte es aber einfach irgendwie nicht mehr auf’s Album geschafft. Für das neue Album habe ich den Song dann wieder aufgegriffen und Jürgen gefragt, ob ich seine Keyboards, die ja schon eingespielt waren, benutzen kann. Jürgen ist ein wirklich toller Keyboarder und Musiker und daher freut es mich, dass er sich zumindest bei diesem Titel noch mal auf „Balance“ verewigt hat.

F-R.:
Seit Anbeginn deiner Solokarriere als HARTMANN setzt du soundtechnisch auf die Zusammenarbeit mit Sascha Paeth. Wer euch beide z. B. zusammen bei der AVANTASIA-Tour erleben durfte, sollte meinen, dass hier mehr als nur eine Geschäftsbeziehung sondern auch musikalisches Verständnis besteht. Richtig oder falsch?


Oliver:
Oh, ja, uns verbindet mittlerweile wesentlich mehr als nur die geschäftliche Beziehung. Wir kennen uns seit über 10 Jahren und mittlerweile ist daraus eine wirklich enge Freundschaft entstanden, nicht zuletzt natürlich auch durch AVANTASIA. Sascha weiß eigentlich immer recht genau, wo ich bei einer Produktion in Sachen Sound und Mix hin will, kann aber einfach wesentlich objektiver an die Sache rangehen als ich. Es war bisher für uns immer von Vorteil, ihn bei den Produktionen dabei zu haben.

F-R.:
Ihr habt mit „Shout“ einen Song von TEARS FOR FEARS gecovert, der musikalisch zwar eine kleine Schnittmenge zu eurer Musikausrichtung bildet, aber dennoch genretechnisch etwas aus dem Rahmen fällt. Wie kam es dazu, dass gerade „Shout“ den Weg auf das aktuelle Album gefunden hat?

Oliver:
Die Version von „Shout“ schlummert schon sei einigen Jahren bei uns in der Schublade, eigentlich schon seit „Home“, nur wollte sie bisher nicht so recht auf eines unserer Alben passen. Wir haben den Song, der übrigens einer meiner Favourites aus den Achtzigern ist, für „Balance“ dann aber noch mal erneut überarbeitet und sind mit dieser Version jetzt eigentlich genau da gelandet, wo wir hin wollten. Sie steht irgendwie für sich und passt dennoch gut zu dem, was wir sonst mit Hartmann machen und bisher gemacht haben.

F-R.:
Mit Tobi Sammet’s AVANTASIA und Mat Sinner’s ROCK MEETS CLASSIC hast du in der nahen Vergangenheit zwei interessante Touren gespielt, die zu dir auch musikalisch sehr gut gepasst haben. Was darf man von dem Musiker Oliver Hartmann neben den eigenen HARTMANN-Shows in diesem Jahr dahingehend noch erwarten?

Oliver:
Neben HARTMANN ist für dieses Jahr nicht mehr so viel anderes geplant, aber dafür laufen die Planungen bereits für nächstes Jahr, z. B. eine erneute Tour mit ROCK MEETS CLASSIC, auch wieder mit tollen Gästen. Einige andere große Sachen sind auch noch geplant, aber das ist noch nicht ganz spruchreif. Den Rest des Jahres will ich mich erstmal voll auf HARTMANN konzentrieren und bin gerade u. a. dabei eine Tour für den Herbst zu planen. Es ist auch im Gespräch eventuell in Südamerika zu touren, was für uns natürlich eine tolle Sache wäre. Mal sehen wie sich das Ganze die nächsten Wochen entwickelt.

F-R.:
Und wie immer diese Frage. Kannst du mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?

Oliver:
Eine lustige Anekdote gab es bei einem Gig in Rom, wo wir als Support von TOTO unterwegs waren. Als wir nach 13 Stunden Fahrt dort ankamen, hieß es erst einmal, dass wir gar nicht spielen können und auf die Frage warum, wurde uns einfach keine Antwort gegeben. Aufgrund von fehlender Organisation seitens des Veranstalters - oder wahrscheinlich auch, weil er einfach nicht wollte - hatten wir den ganzen Tag keinen Backstageraum und schmorten somit den ganzen Tag von 10 Uhr morgens bis spät nachmittags in der glühenden Julisonne. Als dann endlich klar war, dass wir doch spielen könnten, waren wir doch schon leicht weich in der Birne, hatten aber trotz allem einen guten Auftritt - oder wahrscheinlich genau deswegen, haha ;-) Nach dem Konzert wurde uns plötzlich offeriert, das wir sämtliches Equipment, das wir zum Grossteil nicht mal benutzt hatten, zu zahlen hätten. Und das inklusive eines Schlagzeugpodests, das angeblich speziell für uns angefertigt wurde. Nach Bezahlung könnten wir das natürlich auch mitnehmen. Da ist mir dann schlussendlich der Kragen geplatzt und hab den Idioten gesagt, das sie sich ihr Podest in den A.... schieben können. Er bestand aber weiterhin auf die Bezahlung seiner seltsamen Holzkiste, worauf ich ihm mitgeteilt habe, das wir sie gerne mitnehmen, falls er sie vorher noch auseinandersägt, damit sie auch in den Bus passt ;-) Nachdem wir ohne Bezahlung und Podest abgereist waren, bekam unser Drummer Dario noch wochenlang Mails und SMS, wann denn nun das Podest bezahlt würde, das von Mail zu Mail immer teurer wurde, plötzlich Rollen hatte und Vieles mehr. Die ganze Situation war in dem Moment, als sie passierte, natürlich alles andere als lustig, aber im Nachhinein konnten wir uns immer wieder herzlich darüber totlachen.

F-R.:
So, dann zum Schluss noch deine persönlichen Worte an unsere Leser, eure Fans und die, die jetzt erst auf HARTMANN aufmerksam geworden sind.

Oliver:
Ja klar. Ich möchte erstmal alle Hartmann-Fans und Leser von FFM-Rock grüssen und hoffe, das der ein oder andere, der die Band noch nicht kennt, mal in unser neues Album reinhört. Wir sind wie schon gesagt sind wir gerade dabei eine kleine Tour für den Herbst zu planen und wir würden uns natürlich freuen, auch einige FFM-Rock Leser dort wiederzusehen!

Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft!

Mike von FFM-Rock                                                          Foto by Hartmann