VIRON


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Mailer
Interviewpartner: Andreas "Neudi" Neuderth (dr.)

Homepage:
www.viron1.com

F-R:
Hi Neudi, VIRON waren für mich im letzten Jahr schon ein Underground-Geheimtipp und sind es jetzt mit dem Debüt „NWOGHM“ immer noch. Stelle doch bitte zunächst mal die Band vor und gebe einen kurzen Einblick in eure Historie.

Neudi:
Unsere Bandhistory ist in der Tat etwas schräg. Wir wurden unter dem Namen Seduction gegründet, und das Wort „wurden“ ist wörtlich zu nehmen. Crematory Drummer Markus Jüllich, in dessen Band Century ich getrommelt habe, ist auf Sänger Alexx Stahl aufmerksam geworden, als der noch in einer recht unprofessionellen Band gesungen hat. In seiner unnachahmlichen Art meinte er zu mir „die Band braucht kein Mensch, aber der Sänger ist ein Killer und auch noch was für die Mädels“. Also gründete er das Projekt „True Metal Band“ unter dem Namen Seduction und rekrutierte neben Alexx und mir das Gitarrentalent Thilo, den Maiden Fanatic Ingmar und den Keyboarder Mad. Thilo schrieb in seinem Auftrag und mit einem vorgegebenen stilistischen Rahmen die Songs, die dann auf das erste Demo kamen. Dies klang dann auch sehr nach Hammerfall und Konsorten. Es folgten Auftritte und ein weiteres Demo, es lagen sogar Plattenverträge vor, doch die ganze Sache zerschlug sich. Zu diesem Zeitpunkt wusste eigentlich niemand vom Anderen, was er gerne spielen würde, wenn wir ohne Vorgaben komponieren und arrangieren. Beinahe hätten wir es auch nie herausgefunden, doch das Schicksal wollte es nicht anders. Alexx und ich trafen bei der Deep Purple Tribute Band „Child in Time“ wieder aufeinander und es folgte, nach ein paar coolen Sessions, die Wiedergeburt von Seduction. Niemand hatte Bock auf Tralala-Metal, alle wollten einfach echten Metal spielen. Schon bald stand der erste Song, „For her Majesty“, ein Midtempo-Banger der am Ende in einen Thrashpart mündet. An diesem Song erkannte man bereits, dass es für die neuen Seduction keine Regeln gibt. Was gefällt wird auch umgesetzt. Wir warfen dann auch den Bandnamen über Board und spielten, noch zu viert (Seduction minus Mad, dem Keyboarder), das erste und einzige Viron Demo ein. Etwa zur gleichen Zeit stieß der zweite Gitarrist Roger zu uns, mit dem ich vor ein paar Hundert Jahren mal bei Sudden Darkness und Economist gezockt habe. Nach kurzer Zeit lagen uns vier Angebote vor und bei Sonic Age mussten wir einfach zugreifen, denn die Griechen stehen total auf Viron. Dies ist einfach die beste Vorraussetzung für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Tja, und nun liegt das Debüt vor...


F-R.:
„NWOGHM“ steht doch sicherlich für „New Wave of German Heavy Metal“, oder? Klingt für den Anfang etwas gewagt, wenn man sich aber mit eurer Musik auseinandersetzt zeigt der Titel doch eure Marschrichtung an. Kannst du das so stehen lassen?


Neudi:
Ja, es klingt wunderbar überheblich **lach** Im Grunde würde man unter dem Titel etwas Anderes erwarten. Als Kind der Achtziger verbinde ich mit German Metal jene Gruppen, die damals Scheiben auf Noise, Shark oder Steamhammer rausgebracht haben. Eher das Stampfige und vielleicht Altbackene. Nun bestätigt uns aber jeder, dass wir fatal nach US-Metal klingen würden, wobei ich das Einstiegsriff zu „Blow The Fuse“ (Opener der CD) eher in die NWOBHM-Ecke schieben würde. Langsamer gespielt würde es eher nach Diamond Head klingen. Allerdings haben die alten Metallica von denen geklaut (nicht nur bei den Coverversionen!) und somit sind wir ja dann doch wieder beim US-Metal... Die NWOBHM war eine aufregende Zeit und lässt sich heute nicht wiederholen. Auch kann man im Metalbereich nicht wirklich Neues fabrizieren, lediglich neu durchmischen und durchrütteln und die Teile neu zusammensetzen. Einflüsse von anderen Stilarten im Metal (Mittelalter, Gothic, etc.) sehe ich nicht als stilistisch neu an. Trotzdem hoffen wir, den gleichen Spaß zu haben, wie die Briten in der Sturm- und Drangphase des Heavy Metal Anfang der Achtziger. Und bis jetzt haben wir das auch! Hinzu kommt beim Titel auch noch, dass uns der Begriff NWOAHM mächtig auf den Sack geht, denn Metalcore ist einfach kein wirklicher Metal. Uns sich dann an einem solchen Begriff zu bedienen ist einfach ein Frevel. Das darf man so nicht stehen lassen...


F-R.:
Eine Frage, die vielleicht einige Hörer interessieren wird. Wer oder was ist Frau Sander aus dem Intro?


Neudi:
Frau Sander? Sie wohnt in Darmstadt und war die Beste von allen Sanders, die wir angerufen haben **lach**. Das Intro ist echt, nicht gestellt. Wir haben uns durch das Darmstädter Telefonbuch gewählt und diese Frau Sander war perfekt: Kein „Hallo Sander“ oder „Ja, Sander“, sondern einfach nur ein kurzes, knackiges „Sander“. Vielleicht ist sie AC/DC Fan? Ich glaube eher nicht... Ich hoffe, man versteht diesen Gag auch im Ausland!


F-R.:
Mit Sonic Age Records habt ihr euch die Dienste eines griechischen Labels gesichert. War hier in Deutschland nichts adequartes bereit euch unter Vertrag zu nehmen?


Neudi:
Wenn ich Dir sage, dass wir die üblichen Verdächtigen gar nicht erst bemustert haben, wirst du dich sicher wundern, aber genau so war es. Wir haben geschaut, bei welcher Firma wir musikalisch in guter Gesellschaft sind und das war u. a. Sonic Age. Rein geschäftlich haben wir darauf geachtet, dass das Label weltweit vertrieben wird und dass sie in Deutschland einen Partner haben, der bei den „Großen“ wie Media Markt oder Saturn gelistet ist. Dies trifft bei Sonic Age/Twilight zu. Wir hatten in der Tat ein anderes Angebot, bei dem wir schon im Vorfeld mehr Geld bekommen hätten, aber die Vertriebsfirma von diesem Label ist auf dem absteigenden Ast (keine Namen) und das bringt uns dann nicht viel. Wie gesagt, die beiden Betreiber von Sonic Age sind Geschäftsleute und Fans zur gleichen Zeit und diese Mischung ist perfekt. Sowohl S A, als auch Twilight arbeiten sich gerade nach oben und diese positive Entwicklung ist wichtig für uns.


F-R.:
Was mir bei euch besonders gefällt ist die Symbiose zwischen den Gesangslinien und den Gitarrenriffs, sorry natürlich auch der Schlagzeugarbeit…. Sag doch mal bitte etwas zu eurem Songwriting. Wer macht das bei euch, wer schreibt die Texte? Welche Songs bevorzugst du selbst auf „NWOGHM“?


Neudi:
Die Songs auf der CD stammen bis auf „Bound to Die“ von Thilo. Er nimmt zuhause ständig Riffs und teilweise komplette Songs auf, die er dann per mp3 verschickt. Seit seinem Einstieg gehört auch Roger zum Kreis der Songschreiber. Er arbeitet ähnlich. Meistens ändern sich die Songs dann im Proberaum, denn jeder Musiker gibt seinen Senf dazu und man arrangiert gemeinsam. Wenn das Grundgerüst eines Songs steht, arbeitet Alexx seine Gesanglinie aus. Obwohl wir als Band arbeiten, muss man die Grundideen und manches mehr, den beiden Gitarristen zusprechen. Mir persönlich gefallen „Blow The Fuse“, „Bound to Die“ und „Lucifer Arise“ am Besten. Das Schöne ist, dass in den bisherigen Reviews immer wieder andere Songs hervorgehoben werden und auch innerhalb der Band die Favoritenliste unterschiedlich ist.

F-R.:
Seid ihr beim Songwriting eigentlich durch etablierte Bands oder Heroen aus den 80ern beeinflusst? Wenn ja, welche und wer sind deine Favoriten privat?


Neudi:
Auch hier kann man die einzelnen Mitglieder von Viron nicht über einen Metal-Kamm scheren. Die Basis der Achtzigerbands, also Maiden, Saxon und alte Metallica trifft auf alle zu. Thilo hört aber sehr gerne Bands mit guten Sologitarristen, was ja durchaus nachvollziehbar ist. Neben der old-Metallica-Schlagseite ist er von Children of Bodom beeinflusst. Roger ist ein alter Bay-Area-Hecht und würde er eine Soloplatte machen, dann würde sie mit Sicherheit danach klingen. Auch Hades höre ich aus seinen Songideen häufig heraus. Ingmar ist ein Maiden-Freak, doch er tendiert auch zu metalfremden Gruppen wie Porcupine Tree. Alex rührt zwar nicht so stark im Metalunderground herum, steht aber total auf die Achtziger. Judas Priest, Saxon, Maiden und –wegen dem Gesang – Helloween in der Kiske Ära. Ich selbst bin vorrangig NWOBHM- und US-Metal Fan (Sammler...), stehe aber auch auf den Rest der Metalwelt der Achtziger. Mit vielen aktuellen Bands kann ich, alleine aus produktionstechnischen Gründen, nix anfangen. Derzeit geht mein Interesse aber sogar bis ca. 1969/1970 zurück, denn da gibt es Vieles zu entdecken (kennt jemand das Trio DUST??). Die privaten Vorlieben mischen sich bei uns direkt mit dem Songwriting, keine Frage. Es existiert kein großer Unterschied, denn mit Viron machen wir ja exakt das, was wir auch gerne hören.


F-R.:
Im Gesamten finde ich das Album für ein Debüt sehr gelungen. Was mich jedoch ein wenig stört ist die für mich nicht ganz so ausdrucksstarke Produktion. Sie nimmt eurem Metal ein wenig den Druck, wie ich finde. Das fällt mir aber öfters bei reinen Metal-Produktionen aus dem „Kohlekeller“ auf. Denkst du, dass es daran liegen könnte, dass dort eigentlich mehr die härtere Gangart zu Hause ist?


Neudi:
Nein, eigentlich nicht. Die härtere Gangart (Metalcore) benötigt einen ganz anderen Sound als Viron oder Killer (beide Kohlekeller). Die Klangästhetik ist komplett verschieden. Kohle (der Inhaber) hätte bei uns auch auf Druck gehen können, aber das wollten wir nicht. Wir hatten das Ziel, eine transparente, aber druckvolle Produktion zu erzielen und all das mit Naturdrums, mit Mikros abgenommen Boxen und ohne dieses gnadenlose Aufblähen beim Mastern. Also eigentlich so, wie es früher war: Eine Band geht ins Studio und auf der Scheibe ist dann die Band zu hören. Von ein paar Gitarrenspuren und ein paar Chören können wir NWOGHM live ohne Probleme reproduzieren – ein weiteres Ziel, welches wir uns im Vorfeld gesteckt haben. Da wir unsere Instrumente gut beherrschen (dieses Eigenlob muss ich an dieser Stelle einfügen), war es uns möglich, im Rahmen unseres Budgets, so aufzunehmen. Viele Bands rumpeln heute ihre Spuren ein und dann hockt der Produzent/Mischer ein paar Tage am PC und richtet die ganze Chose wieder. Wir haben die Zeit lieber mit Spielen und anschließend Abmischen verbracht. NWOGHM ist einfach „echt“ und das gibt uns auch die Möglichkeit, stolz auf dieses Album zu sein. Das Kohlekellerstudio hat eine große Zukunft und wir denken auch nicht an einen Wechsel zu einem anderen Aufnahmeort für die nächste Scheibe.


F-R.:
Live habe ich euch jetzt mal gesehen und das hat mir richtig zugesagt. Wie sieht es bei euch mit Gigs aus? Organisiert ihr das noch selbst oder arbeitet ihr professionell mit einer Agentur?


Neudi:
Im Moment befinden wir uns in einer Phase, in der man die Reviews sammelt –live und CD- und abwartet, was in den nächsten Wochen und Monaten passiert. Wenn ein Trend vorliegt, werden wir uns an Agenturen oder Managementcompanies wenden, so dass wir uns voll auf die Musik und Promoaktivitäten konzentrieren können. Momentan machen wir noch alles selbst.


F-R.:
Wie denkst du im Moment über eure musikalische Zukunft? Was plant ihr für euch selbst in der nächsten Zeit?


Neudi:
Im Moment läuft alles super. Wir haben eine Plattenfirma, die zwar klein ist, aber voll auf und hinter uns steht. Ähnlich sieht es bei unserem Vertrieb Twilight aus. Alle bisherigen Reviews sind super und wenn das auch die Tendenz für die großen Mags ist, dann sieht es bereits richtig gut aus. Wir haben die großen Metal-Companies bewusst nicht zwecks Dealangebot bemustert. Wir fühlen uns dem Metal-Underground zugehörig und wollen dort eine Fanbasis haben. Alles Weitere wird die Zukunft zeigen. Ich bewundere die Karriere von Metallica (bis zum schwarzen Album). Erst Tapetrading, dann ein eingerotztes Debüt auf einem Indielabel und danach Schritt für Schritt größer, ohne die Fanbase zu verlieren. Das ist der einzige richtige Weg für eine Genreband. Warum sollten wir ein Debüt bei Nuclear Blast veröffentlichen? Ich würde mich freuen, wenn wir irgendwann bei einer großen Firma landen würden, aber dann muss die wichtige Vorarbeit geleistet sein. Ich baue ja auch kein Haus und beginne mit dem Dach.

F-R.:
Kannst du mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?


Neudi:
Hat das Swordbrothers nicht schon gelangt? *Lol* (Anm. d. Verf.: Der Kenner genießt und schweigt
J) Ich kann vielleicht ein paar Geheimnisse lüften: Unser Gitarrist Thilo hat mal eine Tournee mit einer Skiffle Band (Durchschnittsalter 60) gemacht. Unser Bassist ist berühmt für sein überdimensionales Gemächt! Alexx´s Astrovan verbraucht 20 Liter und auf der Heckklappe klebt der Aufkleber „Ich bin Energiesparer“ (übrigens 80er Kult!). Roger hat in seinem Schrank eine pinkfarbene BC-Rich. Ich stehe ausschließlich auf mollige Frauen... Sind das genug Interna?

F-R.:
Ja, das reicht fürs erste. So, kommen wir zum Schluss und deiner persönlichen Ansprache an die Metal Gemeinde, der wir hier u. a. versuchen, euch ein wenig näher zu bringen?

Neudi:
Der Metal ist nicht tot und er war es auch nie. Neben dem Hören dieser Musik, erzählt sie auch eine interessante Geschichte, die bis ins Jahr 1969 zurückgeht. Junge Metaller werden sich vielleicht fragen, was an Samson (NWOBHM), Sir Lord Baltimore (70er Band) oder den ersten beiden Manilla Road „metal“ ist, doch geht man kategorisch Jahr für Jahr zurück und versetzt sich in die Zeit zurück, als verzerrte Gitarren etwas Besonderes waren, dann erlebt man eine Reise, die einen Jahre lang auf Trab hält. Metal ist mehr als Priest, Maiden und Metallica. In der „vierten und fünften Reihe“ gibt es zwischen 1969 und 2006 zahllose grandiose Bands zu entdecken, die es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geschafft haben. Viron vereint vieles aus diesen ca. 35 Jahren. Den Metal können und wollen wir nicht neu erfinden, aber wir möchten die Zutaten nicht aus einer Spanne von vielleicht nur 5 Jahren nehmen. Alleine bei dem Song „Bound to Die“ kann man diese Reise machen, wenn man aufmerksam zuhört. Erst ein US-Metal Riff á la Death Angel, dann ein Doom Part der aus der Anfangszeit von Black Sabbath stammen könnte, ein schneller Thrashpart, der mich persönlich an das zweite Album von Hades erinnert, danach ein hymnischer Instrumentalpart, den man in die Masters of Puppets-Ecke stecken könnte...das alles ist in einem Song. Metal bedeutet für uns: Abwechslung innerhalb eines Songs und nicht nur per verschiedenartige Songs über ein ganzes Album, also dieses typische Speedsong, Mid-Tempo-Song, Hymne etc. Es gab Leute, die meinten, wir würden „For Her Majesty“ mit dem Thrashende zerstören. Wir sehen das anders **lol**

Vielen Dank für das Interview!!

Ich danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
Mike von FFM-Rock       

 © Foto 2006 by Mike Langer 

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