• Home
  • Reviews & Interviews
  • Live - Reviews
  • BREAK THE BARRIERS FESTIVAL – Wilhelmshaven, Pumpwerk

BREAK THE BARRIERS FESTIVAL – Wilhelmshaven, Pumpwerk



Konzert vom 25.10.14
Bands: GAMMA RAY, MOB RULES, LOVE.MIGHT.KILL, DYSTOPOLIS

Homepages:
DYSTOPOLIS
LOVE.MIGHT.KILL
MOB RULES
GAMMA RAY

Für einen Hessen steht ein Konzertbesuch im Pumpwerk in Wilhelmshaven eigentlich so gut wie nie an. Mich hat es jetzt seit 2006 sogar schon zum zweiten Mal in diesen wirklich sehenswerten Club verschlagen. Immer veranstaltete und spielte dann auch eine bestimmte Band, nämlich MOB RULES. Heuer wurde die Veranstaltung allerdings als das BREAK THE BARRIERS Festival angesetzt, zu dem es im Vorfeld sogar einen Bandkontest im Rahmen von einigen MOB RULES Shows gab, um den Opening Act für das Festival zu ermitteln.
 

Diesen Slot konnten DYSTOPOLIS aus Bremen für sich einheimsen. Das Quintett schien dem schon zahlreich anwesenden Publikum keine unbekannte Band zu sein, denn schon beim Opener wurde hier mächtig Lärm gemacht. Frontmann Andreas Müller hatte aber auch nahezu von der ersten bis zur 30. Minute der Show das Volk fest im Griff. Er verstand es, sich durch ausgewählte Posen zu den jeweiligen Songs, unter Ausnutzung der Lichtspielereien, am Monitor auf dem kleinen Laufsteg gekonnt in Szene zu setzen. Musikalisch kamen die Songs, die im episch angehauchten, progressiven Power Metal angesiedelt sind und mich an einen Mix aus RAGE, EDGE OF THORNS und MERCURY FALLING erinnerten, recht gut an. Auch wenn der Sänger zweifelsohne optisch als auch stimmlich den Mittelpunkt der Band bildete, gefielen mir die beiden Gitarristen mit ihren Soloparts und ihren Axtduellen sehr gut. Die Anwesenheit eines Rollstuhlfahrers mit eingegipstem Haxen vor der Bühne wurde auch schnell noch aufgeklärt. Es handelte sich um den etatmäßigen Drummer André Gertjejanßen, der heute durch Dirk Meyer-Berhorn von ORDEN OGAN vertreten wurde. Jeder Freund von Endzeitstimmung à la Blade Runner oder Mad Max, davon handeln die Texte der Band weitestgehend, kam hier zudem auf seine Kosten. Das hier war mal ein Opener, der ein dickes Ausrufezeichen auf der Bühne markiert hatte.
 

Der Auftritt der zweiten Band hatte nebenbei für Insider schon einen etwas nostalgischen Touch. LOVE.MIGHT.KILL haben mit ihren beiden Gitarristen Christian Stöver und Stefan Ellerhorst zwei gebürtige Wilhelmshavener Jungs am Start, die so ganz nebenbei mal in einer hier sehr bekannten Band namens CROSSROADS spielten, was auch die Anwesenheit der restlichen ehemaligen Bandmitglieder im Publikum erklärte, die sich seit Mitte der 90er heute das erste Mal alle wiedersahen. Denen wird es aber während der ersten drei Songs erstmal ähnlich gegangen sein wie mir, denn das sah sehr nach einem Blindflug in Sachen Bühnensound aus, was da ablief. "XTC", ein Song der normalerweise zu einem Herzstück einer LMK-Show zählt, glich mehr einer Fahrt über einen Rübenacker. Dem Soundmann sei Dank, mit Ende des dritten Songs war alles eingepegelt und das merkte man nicht nur am Sound, sondern auch an dem Gute-Laune-Funken auf der Bühne, der wie ein Lichtbogen auf einmal ins Publikum übersprang. Nicht ganz unschuldig an dieser Selbstentzündung war neben Schlagwerker Michael Ehré, der mit LMK die erste von zwei Shows am heutigen Tag spielte, eben Sänger Jan Manenti, der ebenfalls den kleinen Catwalk für sich ausnutzte. Den ständigen Kontakt mit dem Publikum baute er geschickt in die Songs ein. So wurden beispielsweise Teile der Besucher oder eben alle zusammen bei "Caught In A Dream" zu einem kompakten Chor, was danach sogar zu lautstarken Publikumssprechchören bei "Restless Heart" führte und mit der Halbballade "Pretty Little Mess" in einem finalen Triumphzug endete. Die Halle tobte und wer in die Gesichter der Protagonisten schauen konnte, wird festgestellt haben, dass sie es genossen und eine ordentliche Visitenkarte abgegeben haben. Auf jeden Fall aber Basser Jogi Sweers, denn ein schöneres Geburtstagsgeschenk kann man wohl kaum bekommen.
 
Tracklist LOVE.MIGHT.KILL:
XTC
Brace For Impact
Burn The Night
Caught In A Dream
Restless Heart
Addicted To The Night
Perfect Mistake
Calm Before The Storm
Pretty Little Mess


Nun war es aber an der Zeit, 20 Jahre MOB RULES zu feiern. Es wurde recht voll im Innenraum. Wohl dem, der einen kostenfreien Sitz- oder Stehplatz an der Seite oder auf der Empore ggü. der Bühne hatte. Hier aber auch wieder das gleiche Phänomen während der ersten zwei Songs. Verhaltener, fast schüchterner Beginn, was u. a. aber auch daran gelegen haben könnte, dass mit dem aus Oldenburg stammenden Mazze (UNITED FOUR) kurzfristig ein Ersatzbassist mit guter Chorstimme eingearbeitet werden musste, der den frisch am Arm operierten Markus Brinkmann zu ersetzen hatte. Kaum war Mazze im Beisein von Markus nach "Celebration Day" vorgestellt, platzte aber auch hier der Knoten und die Geburtstagsparty auf der Bühne startete. Ohne groß irgendeinen Schnickschnack aufzufahren, konzentrierte sich das Sextett auf seinen 75-minütigen Best Of – Set zum gerade veröffentlichten Jubiläumsalbum „Timekeeper“. Trotz Erkältung und Show am Vorabend in Duisburg schlug sich Klaus Dirks recht wacker am Mikro. Er verzichtete zum Wohl seiner Stimme und der Spielzeit auf ausschweifende Ansagen, wofür ihm die Fans wohl recht dankbar waren. Feierlaune auf und vor der Bühne wohin man blickte. Selbst Matthias Mineur, der sonst eigentlich eher zurückhaltend an seiner Gitarre agiert, war oft mit einem verschmitzten Lächeln bei einem seiner seltenen Ausflüge zu beobachten. Für die Gänsehautfetischisten hatte Sven Lüdke wieder einige Gitarrensoli im Gepäck, wobei erwartungsgemäß „Veil Of Death“ für mich hervorstach.  Nach „Fire & Ice“, einem live eher selten gespielten Stück, brachten die sympathischen Nordmänner mit „In The Land Of Wind And Rain“ die Halle an den Siedepunkt und läuteten das Showende ihrer melodic metallischen Geburtstagsständchen ein. Die Songs der Zugabe entpuppten sich sogar noch als meine Showhighlights, aber waren sie das in der Vergangenheit nicht eh schon? Ach, was hatte ich meinen Spaß hier!
 
Tracklist MOB RULES:
Broken
Celebration Day
Trial By Fire
Astral Hand
Lost
My Kingdom Come
Veil Of Death
Last Farewell
Ice And Fire
In The Land Of Wind And Rain
Black Rain
Hollowed Be Thy Name
Rain Song
 

Und der Spaßfaktor sollte weitergehen. Wer GAMMA RAY auf ihrer letzten Tour mit den aus der Not heraus verpflichteten Gastsängern erlebt hat, weiß, wovon ich rede. Eigentlich hätte ich nach dem Opener „Avalon“ mit einem diesmal stimmlich top fitten Kai Hansen gehen können, da ich das gehört bzw. gesehen hatte, was ich hier nochmal erleben wollte. Die Performance von „Heaven Can Wait“ und Kai’s Ansage „Schluß mit den Faxen. Wir sind hier nicht auf dem Ballermann. Jetzt wollen wir mal Party machen“ ließen mich aber bleiben (Muhahaha) und miterleben, dass eine Stimmungssteigerung heute doch noch möglich war. „I Want Out“ mit seinem Reggae Part brachte hier in der Pumpstation so ziemlich jeden Metaller zum Toben. Falsche Welt im hohen Norden? Nee, die sind hier so. Von wegen kühle Norddeutsche! Mein nächstes Highlight fand bei “Tribute To The Past” statt. Hier hatte der als einziger heute nicht aus Norddeutschland stammende Akteur seinen ersten Einsatz als zweiter (Solo)Sänger neben Hansen, der wiederum seinen jetzt gewonnenen Freiraum für ein sehenswertes Gitarrenduell mit Henjo Richter nutzte. Dass Frank Beck (RED RAVEN) eine gute Stimme besitzt und diese einsetzen kann, hat er auf der Tour eindrucksvoll bewiesen. So auch heute wieder, und das zeigte er nachhaltig bei „Time For Deliverance“, wo er seine für mich beste Performance am heutigen Abend ablieferte. Wie ein Ritterschlag muss es dem guten Frank da vorgekommen sein, dass er nach Herzenslust agieren durfte und nach jedem Song, von Hansen bedankend, in den Arm genommen wurde. Den Hut allerdings musste man auch vor Michael Ehré ziehen, der mit diesem Auftritt seine zweite Show an diesem Abend als Drummer spielte und zudem noch mit einem lautstark abgefeierten Solo glänzen durfte. Zum Niederknien, dieser Auftritt, dieser Konzertabend, die Leistungen der gesamten Bands…. muss sich Kai Hansen wohl gedacht haben, als er in der Zugabe bei „To The Metal“ den Catwalk ein letztes Mal für sein Posing nutzte, da er nicht an sein Mikro gebunden war. „Send Me A Sign“, der Schlusspunkt des heutigen Konzertabends hatte für mich etwas von einem geflügelten Wort. Zum einen alles richtig gemacht, was die Festivalauswahl an diesem Wochenende betraf; zum anderen die Erkenntnis, dass kostendeckende Zuschauerzahlen für Veranstalter im Melodic bzw. Power Metal Bereich doch noch erreicht werden können und schlussendlich die Erkenntnis, dass ich vielleicht nicht wieder acht Jahre warten sollte, um diesen sehenswerten Club zu besuchen.

Tracklist GAMMA RAY:
Avalon
Heaven Can Wait
Hell Bent
I Want out
Tribute To The Past
Time For Deliverance
Drumsolo
Basssolo
Blood Religion
Master Of Confusion
Rebellion In Dreamland
Land Of The Free
Man On A Mission
Zugabe:
To The Metal
Send Me A Sign

Nachlese:
Ein gelungenes, von Matthias Mineur (MOB RULES) mitorganisiertes, kleines Hallenfestival in einem regional renommierten und sehr anschaulichen Club. Bei der Preisgestaltung des Tickets gab es auch nichts auszusetzen. 40 € für vier Bands incl. Festival Shirt sind völlig in Ordnung. Selbst zeitlich gut organisierte Autogrammstunden aller Bands in der Clubkneipe fehlten nicht. Bei den Getränkepreisen des Clubs können sich viele Veranstalter mal ne Scheibe abschneiden – z. B. 0,5 l gezapftes Jever Bier für 4 €. Kostenfreie Parkplätze, fünf Gehminuten vom Bahnhof, also zentrale Lage obendrauf. Einfach klasse.

Fotos von Astrid Reich