ANATHEMA - Göteborg, Sticky Fingers

Konzert vom 01.11.14
Support:  Mothers Cake

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Anathema
Mother's Cake

Da war er wieder, der typische Samstag eines Deutschen in Schweden. Erst Einkaufen fürs leibliche Wohl mit der Familie bei COOP und danach ein Abstecher zu IKEA um verlorengegangene „Billy-Pluppar“ zu holen. Danach schnell nach Hause, denn wir nähern uns 15:30 und der Anstoss zur grauenvollen 0:4 Heimniederlage meines VfB gegen Wolfsburg steht unmittelbar bevor. Mit dieser Niederlage und ein paar Käsebroten im Bauch ging es danach ab nach Göteborg ins Sticky Fingers.

Um 18:30 Uhr wollte ich meinen gewohnten Platz auf der Balustrade einnehmen, der am nächsten zur Bühne ist und musste erstaunt feststellen, dass hier schon zwei feuchtfröhliche Schweden ein Trinkgelage gestartet hatten. Keine Zeit für Enttäuschung, denn nur 10 Minuten später betraten Mother‘s Cake bereits die Bühne, um ihre Rage Against The Machine  angehauchte funky-jazzy-rocky Music auf die ca 80 Anwesenden loszulassen. Nicht nur musikalisch, sondern auch vom Stageacting her wirkte es doch häufig sehr von o.g. Band inspiriert. Nach etwas verhaltenem Beginn tauten die Österreicher, welche sich selbst als Progressive-Rock-Trio bezeichnen mehr und mehr auf und nahmen die Zuschauer mit auf einen unterhaltsamen 40 minütigen Rock-Trip, der durchaus zu gefallen wusste. Einzig die verzweifelte Frage, ob denn hier Jemand Weed verkaufen würde und wenn ja, dann sollte dieser Jemand sich doch bitte bei ihm melden, hätten sich der Sänger/Gitarrist Yves Krismer schenken können. Die zum Ende hin verdoppelte Anzahl Besucher bedachten die Band zum Abschluss mit wohlwollendem Applaus und waren gespannt auf den Headliner und dessen:

Satellites over Europe

Noch im Auto auf dem Weg nach Göteborg während Anathemas aktuelles Album Distant Satellites aus den Lautsprechern säuselte stellte ich mir die Frage, ob ich denn mit einer Tüte Taschentücher auskommen würde, angesichts des melancholischen ja fast schon depressiven Sounds den die Britten über die letzten Jahre perfektioniert haben. Doch bereits beim Opener erwiesen sich diese Gedanken als vollkommen unbegründet. Was sich ab 19:50 Uhr in den folgenden eineinhalb Stunden auf der Bühne präsentiert wurde war Spielfreude pur. Die Band rund um die Brüder Daniel, Vincent und Jamie Cavanagh präsentierten sich in exzellenter Verfassung und hatten das inzwischen auf ca 350 Fans angewachsene Publikum von der ersten Sekunde im Griff.

Der Schwerpunkt des Sets lag ganz klar auf dem aktuellen Album, aus dem ganze sieben Songs präsentiert wurden. Der Sound stimmte, die Songauswahl machte durchweg Spaß und die Interaktion zwischen Band und Fans war klasse. Nicht zuletzt die Songs, in denen Sängerin Lee Douglas mitwirkte sorgten immer wieder für Beifallsstürme. Natürlich war Fragile Dreams wie bei jedem Anathema Konzert der krönende Abschluss eines gelungenen Konzertabends. Weitere Highlights gab es viele, doch vor allem Closer und A Natural Disaster sorgten für Gänsehaut Stimmung.

Ach so, da waren ja noch die beiden Kollegen vom Anfang und was soll ich sagen? Der Eine (der vernünftigere???) hatte zwischendurch die weiße Fahne in Richtung Bar geschwenkt und sich auf die Musik fokussiert. Der Andere allerdings hielt unbeirrt an seinem Trinkrhythmus fest, welcher darin bestand, ca jedes fünfte Bier gegen einen Whiskey auszutauschen. In den drei Stunden des gesamten Konzertabends habe ich ihn jedenfalls nie ohne Alkohol in der Hand gesehen. Zum Schluss hin wurde jeder Schluck mit einer Ganzkörpereinlage zelebriert. Kennt ihr das? Wo am Anfang ganz normal die Hand inkl. Unterarm eine lockere Bewegung in Richtung Mund ausführt, um die Flasche/das Glas an die Lippen ansetzen zu können, so wird dieses Unterfangen bei entsprechendem Promillegehalt eine schier unüberwindliche Aufgabe, zu der der gesamte Körper zur Hilfe gerufen werden muss. Zunächst wird eine stabile Beinhaltung eingenommen, um den Oberkörper mittels Hebelwirkung vom stützenden Geländer  hochzuwuchten. Ein Ausfallschritt nach hinten fängt überschüssige Energie ab. Jetzt wird der gesamte Arm inklusive Schultergelenk in Richtung Mund geführt und sobald sich Lippen und Glas berühren neigt sich der komplette Körper in einer waghalsigen und fast nicht für möglich gehaltenen Biegeaktion nach hinten, sodass der Inhalt der Flasche/des Glases selbige verlassen kann, um in dem gierigen Schlund des Trinkenden zu verschwinden. Jetzt kommt der gefährlichste Teil, denn die Körpermasse muss nun wieder mit dem richtigen Maß an Schwung zurück auf das Geländer drapiert werden, ohne aufgrund von zu viel Schwung das Gleichgewicht zu verlieren und einen Sturz auf das Parkett zu riskieren. Auch für dieses unterhaltsame Schauspiel an dieser Stelle herzlichen Dank.

Setlist:

The Lost Song, Part 1
The Lost Song, Part 2
Untouchable, Part 1
Untouchable, Part 2
Thin Air
One Last Goodbye
The Lost Song, Part 3
Anathema
The Beginning and the End
Universal
Closer
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Firelight
Distant Satellites
A Natural Disaster
Fragile Dreams

Total playtime: 90 Minuten

Fotos: Dirk Hauer