RUSS BALLARD - Aschaffenburg, Colos-Saal

Russ Ballard gehört sicherlich zu der Kategorie Musiker und Songwriter, den man nicht gleich wahrnimmt, bzw. den man zwar registriert, jedoch ohne zu wissen, welch großartiger Musiker sich hinter diesem Namen verbirgt.
So war es nicht verwunderlich, dass gerade einmal etwa 300 Nasen den Weg in den Colos-Saal fanden, was sich meiner Meinung nach als großer Fehler derer darstellen sollte, die es vorzogen,  zu Hause zu verweilen, um sich dem Charme der durch Spielfilme, Serien oder Dokus unterbrochenen Dauerwerbesendungen in der von uns allen hochgeschätzten Glotze hinzugeben……tja, selbst schuld, denn was Russ Ballard und seine Band an diesem Abend zeigten,  kann nur als Meilenstein der Rockgeschichte gewertet werden.
Ballard und seine - zugegebenermaßen - in die Jahre gekommenen Mitstreiter, sieht man einmal von Thunder Bassist Chris Childs ab, starteten den Abend mit „Rene Didn´t Do It“, einem Hammersong des legendären 79er Albums „Barnet Dogs“, und ließen es, was das Stageacting anbelangt, eher ruhig angehen. Dies sollte sich jedoch im Laufe des Abends immer weiter steigern und in einer vor Spielfreude strotzenden Party enden.
Die Songs waren hervorragend zusammengestellt und boten einen Querschnitt aus Russ Ballards rund 50-jähriger Bühnentätigkeit. So durfte natürlich die Coverversion von Chuck Berrys „Little Queenie“ nicht fehlen, einer der Songs, mit denen Russ bereits im zarten Alter von 13 Jahren seinen Siegeszug durch die Welt begann oder die Argent Nummer „God Gave Rock´n´Roll To You“ (genau……die Nummer, die Kiss Jahrzehnte später erfolgreich covern sollte) oder das überragende „Hold Your Head Up“ oder, oder, oder……………es war ausnahmslos alles überragend und Russ Ballard hatte außerdem absolut keine Berührungsängste, Songs zu spielen, die man bei einem Rock´n´Roll Konzert niemals erwartet hätte. So fanden sich im Zuge eines Medleys neben bekannten Klassikern wie Rainbow´s „Since You Been Gone“ und Ace Frehley´s „New York Groove“ auch Hot Chocolate´s 77er Welthit „You Win Again“ und Anni-Frid´s (jawoll……die eine von Abba) „I Know There´s Something Going On“ aus dem Jahre 1982. Ihr werdet es ahnen und es fast nicht für möglich halten……alle diese Songs stammen aus der Feder Russ Ballards und machten ihn zu einem der erfolgreichsten Songwriter des letzten Jahrhunderts. Im stillen Kämmerlein geht das Gerücht um, dass Ballard mehr Songs geschrieben haben soll als Paul McCartney………wenn´s stimmt……Hut ab!!
Auch das neue Album „Book Of Love“ kam nicht zu kurz und Russ ließ es sich nicht nehmen, die Halbballade „Like Father Like Son“ ausführlich, unter Einbeziehung des Publikums, zu kommentieren. Im Übrigen muss man Russ hoch anrechnen, dass er gegenüber dem Publikum sehr höflich und freundlich agierte und sich am Ende des Konzerts bei jedem Einzelnen in den vorderen Reihen per Handschlag verabschiedete.
Meine persönlichen Highlights des Gigs waren definitiv „Crazy World“, „Voices“ und „The Fire Still Burns“. Letzteres trieb mir buchstäblich die Tränen in die Augen, da hier die Qualitäten der Band, gerade was den mehrstimmigen Gesang anging, deutlich zum Vorschein kamen……………………GROSSARTIG!!!!!!!
Russ selbst war stimmlich auf der Oberhöhe und traf jeden Ton, der durchaus das eine oder andere Mal auch in höhere Oktaven wanderte, auf den Punkt genau - ganz zu schweigen von seinen Gitarrenkünsten. Dabei möchte ich seine großartige Band nicht ungenannt lassen, die mit Chris Childs (Bass), Bon Henrit (Drums), Chris Winter (Gitarre, Keys) und Steve Smith (Keys) keine Schwäche zeigte und zusammen mit Russ zu einer Einheit verschmolz. Chris Winter sang im Mittelteil des Auftritts seine selbst geschriebene Ballade „Mankind“, die nicht nur durch die eingängige Melodie, sondern vor allem durch den aussagekräftigen Text, der aus der Sicht von Tieren gegenüber dem Menschen handelte (Kernaussage des Songs: Schau mal, sie spielen wieder Gott), für kräftigen Applaus sorgte aber auch ein wenig nachdenklich stimmte.

Leider war mit dem Konzert in Aschaffenburg das Finale der Tour erreicht, so dass mein Appell an alle, die den geradlinigen und gefühlvollen Rock zu ihren Favoriten zählen, für dieses Jahr leider verhallt, der da lautet: Wenn Russ Ballard in Eure Stadt kommt, lasst alles stehen und liegen und geht hin. Euch erwartet Spielfreude, Authentizität, musikalisches Können und Improvisationstalent…tolle Songs und ehrlicher Rock´n´Roll.

Ich bin dankbar, an diesem denkwürdigen Tag dabei gewesen zu sein.

Rock on Russ, hope to see you soon!

                                                                                                                         Foto: Stefan Hoidn

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