SLAYER - Göteborg, Lisebergshallen
Konzert vom 05.12.2015
Support: Anthrax, The Haunted
Homepages:
Slayer
Anthrax
The Haunted
Ein Samstag im Dezember in Schweden. Morgen ist Nikolaus und fast könnte man meinen es sollte im Land der Elche so langsam Weihnachtsstimmung aufkommen… weit gefehlt. 9 Grad Außentemperatur und Dauerregen seit Tagen. Dazu ein Sturm, der sich gewaschen hat und an diesem Wochenende seinen Höhepunkt mit der höchsten Unwetterwarnklasse 3 erreichen sollte. Überschwemmungen an vielen Orten, Haushalte ohne Strom, blockierte Straßen wegen entwurzelter Bäume und… halt – Stop! Bin ich hier jetzt der schwedische Wetterdienst oder soll ich mich dann doch mehr auf das Wesentliche konzentrieren?
Also noch mal vorne: Ein Samstag in Schweden. Ein Sturm zieht auf und lässt sich nieder im Zentrum Göteborgs. Der Name: Fucking Slayer! Mit im Gepäck, die ewige Vorband Anthrax sowie die Göteborg Thrasher von THE HAUNTED.
Pünktlich wie angekündigt um 19:15 Uhr entern die Veteranen von The Haunted die Bühne, welche sofort vom aktuellen Sänger Marco Aro in der ganzen Größe eingenommen wird. Ich gestehe, ich bin ein großer Fan vom ehemaligen Frontman Peter Dolving und den früheren Werken von The Haunted. Allen voran latürnich „The Haunted Made Me Do It“, welche wunderbare Slayer parts in eine eigene Form presste. Mit den letzten Alben kann ich weniger anfangen, da zu undifferenziert und zuviel geknüppelt und gegrowlt wird. Lierum larum, der 45 Minütige Auftritt hatte vor allem durch die einnehmende verrückt sympathische Art Aros seine Vorzüge, wurde aber durch einen breiigen Sound ziemlich übel in die Tonne gekloppt. Zwischendurch waren zwar einige Songfetzen wiederzuerkennen, aber insgesamt war es zwischendurch vor allem bei den neueren Songs anstrengend, etwas zu unterscheiden.
Nach nur 15 Minuten Umbau enterten dann die Crazy Guys von ANTHRAX die Bühne und eroberten das Publikum im… ja… hier kommt schon wieder die Wetterfee in mir zum Vorschein… Sturm. Man kann sich latürnich fragen, ob es Sinn macht, wenn eine Band, die es seit 1981 gibt, die zahlreiche Alben veröffentlicht und dementsprechend viele Songs zur Auswahl hat, in einen Auftritt bestehend aus 10 Songs, 3 Cover Versionen einbaut, aber geschenkt. Got The Time gehört zu meinen All-Time Anthrax Faves und March Of The S.O.D. ist ja zumindest mit auf dem Mist von Guitarrist Scott Ian und Drummer Charlie Benante gewachsen, von daher… Schwamm drüber. Apopo Charlie Benante… dieser wurde mal wieder ersetzt, da er zzt wegen des Karpaltunnelsyndroms in Behandlung ist, eine Krankheit, die gerade für Musiker schwerwiegende Folgen haben kann. Vertretenwurde er diesmal von Jon Dette. Kuriosität am Rande, Jon Dette schwang auch schon mal die Trommelstöcke für Slayer. Wie dem auch sei, Dette machte seinen Job grandios und darüber hinaus. War die Bühne ansonsten eher spärlich beleuchtet und wenn dann mit blauen oder roten Scheinwerfern, so stand Dette selbst ständig im Rampenlicht, intensiv ausgeleuchtet von 6 hellen Strahlern, was sogar dazu führte, dass die Gitarren-Fraktion sich ein ums andere Mal um das Drumkit versammelte um ein wenig aus der Dunkelheit ins Licht zu kommen. War es Zufall, oder deutet sich hier tatsächlich ein baldiger Wechsel auf der Hockerposition bei Anthrax an? Zurück zum Set. Anthrax machten alles richtig an diesem Abend: Spielfreude pur, ständiger Kontakt mit dem Publikum, tolle Performance. Mit Evil Twin wurde auch ein Song vom im Februar erscheinen Album „For All Kings“ gespielt, der sich gut in den Set einfügte. Ein überragendes „Among the Living“ beendete den einstündigen Auftritt standesgemäß.
Bleibt im Grunde die Frage: Warum empfinde ich Anthrax als ewige Vorband? 1987 und 1993 habe ich sie zwar als Headliner gesehen, aber ansonsten nur als Vorband oder auf Festivals und die Antwort auf diese Frage kam eine halbe Stunde später und lautet schlicht und einfach: SLAYER!
Was für eine Brachialgewalt rollte über die Bühne der Lisebergshalle. Slayer gibt es ebenfalls bereits seit 1981 und klar, es ist nicht mehr die gleiche Band wir damals. Dave Lombardo musste Slayer 2013 wegen Vertragsstreitigkeiten ein weiteres Mal verlassen, kurz danach verstarb Jeff Hanneman und trotzdem ist da wo Slayer drauf steht immer noch Slayer drin.
Eröffnet wurde die Reise in die Abgründe der Hölle mit dem Intro und Titelsong des aktuellen Albums Repentless. Waren The Haunted und Anthrax schon laut, so grenzte das, was nun folgte fast schon an Körperverletzung. Ich weiss nicht mehr, ob ich erst aus den Augen oder doch direkt aus den Ohren zu bluten begann. Egal, da muss man jetzt einfach durch, denn Postmortem und Hate Worlwide fegten bereits ohne Pause durch die Halle, die den Sturm, der draußen tobte wie ein laues Lüftchen aussehen ließ. Bei Disciple gabe es dann kurz Zeit zum Atem holen, denn irgendjemand stolperte wohl über ein Kabel und die Band brachte den Song ohne Unterstützung der Lautsprecher zu ende, was durch den Gesang der knapp 3000 anwesenden Fans kompensiert wurde. Mein persönliches Highlight folgte mit God Send Death wieder in voller Lautstärke. Danach dann zum ersten Mal ein kurze Verschnaufpause, die Tom Araya dazu nutzte um sich artig beim Publikum zu bedanken und zu fragen, ob denn alle bereit wären für den Krieg, der zu einer Art Sport geworden ist? Es konnte nur eine Antwort geben: War Ensemble!
Was danach kam war der einzige Schwachpunkt im Set, denn die „Ballade“ When The Stillness comes“ wollte nicht richtig zünden. Alsbald ging man viele Jahre in der Bandgeschichte zurück und haute Black Magic, Chemical Warfare, Die By The Sword und viele weitere Klassiker aus den Boxen. Hatte ich tatsächlich Tränen der Freude in den Augen oder war es doch wieder nur Blut?
Der Vierer war unglaublich tight, locker und kompromisslos. Gary Holt lies Jeff Hanneman fast vergessen und selbst Paul Bostaph interpretierte die alten „Lombardo Songs“ famos. Die Lightshow war gewaltig und untermalte die Songs perfekt. Auf Feuer musste in Göteborg verzichtet werden, was aber im Grunde nicht ins Gewicht fiel. Die Übermacht der Lieder hätte jede Flamme eh im Keim erstickt. Die umgedrehten Kreuze von der Decke waren ein nettes Gimmick und verstärkten den 3D Effekt des Backdrops. Mit zunehmender Spieldauer, entpuppte sich ein unglaublich gut aufgelegter Tom Araya mehr und mehr als Mittelpunkt des Geschehens. Ständig schaute er intensiv in die Menge und interagierte mit Grimassen, Lachen und Gesten mit einzelnen Fans. Wärend Mandatory Suicide dachte ich einen Moment, er müsste den Song abbrechen, da er vor Lachen einfach nicht mehr weitersingen konnte. Irgendwann setzte er den Dialog dann auch zwischen den Songs mit einzelnen Slayer Jüngern fort. Dazu kamen dann noch seine lustig anzuschauenden Tanzbandbewegungen, da dem Frontman aufgrund einer Operation jedwedes Headbangen verboten ist. Diese jahrzehntelang ausgeführten Bewegungen sind aber in jeder Muskelzuckung weiterhin wahrnehmbar. Ständig bedankte sich Araya für das Kommen und konstatierte dann schließlich mehrmals: „You guys make me laugh“. Den obligatorischen Abschluss nach 95 Minuten bot dann das triumphale Dreigestirn: South of Heaven, Raining Blood und Angel of Death.
Slayer sind und bleiben eine Macht auch wenn nur noch 2 Gründungsmitglieder vorhanden sind. Die Qualität der Songs spricht einfach eine Sprache für sich. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass das rauschende Dauerklingeln irgendwann auch wieder aus meinen Ohren verschwindet.
Setlist Anthrax:
Caught in a Mosh
Got the Time (Joe Jackson cover)
Madhouse
Antisocial (Trust cover)
Evil Twin
Fight 'Em 'Til You Can't
Indians
March of the S.O.D. (Stormtroopers of Death cover)
In the End
Among the Living
Spielzeit: 60 Minuten
Wertung 8/10
Topp: March of the S.O.D., Among the Living, Jon Dettes Drumming, Stimmung
Flopp: Ständiges Stroboskoplicht, Jon Dette-one-man-show
Setlist Slayer:
Intro: Delusions of Saviour
Repentless
Postmortem
Hate Worldwide
Disciple
God Send Death
War Ensemble
When the Stillness Comes
Take Control
Mandatory Suicide
Chemical Warfare
Die by the Sword
Black Magic
Vices
Seasons in the Abyss
Hell Awaits
Dead Skin Mask
World Painted Blood
---------------------------------------
South of Heaven
Raining Blood
Angel of Death
Spielzeit: 95 Minuten
Zuschauer: ca 2800
Wertung 9,5/10
Topp: God Send Death, Dead Skin Mask, Tom Araya, Atmosphäre
Flopp: Lautstärke, When The Stillness Comes
Fotos: Dirk Hauer