NIGHTWISH - Umeå, Skycom Arena

Geschrieben von Dirk Hauer
07.12.2007



Support: Indica
Konzert vom 05.12.07

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www.indica.fi

Was für ein Tag. In der vorigen Woche waren hier (ca 700 km nördlich von Stockholm) noch -16 Grad. Am Wochenende fielen dann bei -10 Grad ca. 60 cm Schnee. Am Konzerttag, also nur 3 Tage später, war es +5 Grad und es regnete, regnete, regnete. Problem an der Sache? Die Bodentemperatur war immer noch bei 0 Grad, so dass sich auf den Straßen eine Eisschicht bildete, über der ein zarter Wasserfilm lag. Äh, war schon mal einer von Euch beim Eisspeedway? Teilweise kam man bei 30 km/h noch ins Schleudern und drohte die Kontrolle zu verlieren. Aber was soll man klagen, es ging hier nur um ein Konzert, welches noch 100 km nördlich stattfinden sollte. Nach Kopenhagen, Göteborg, Stockholm und Oslo war nun also Umeå an der Reihe.
Die Skycom Arena ist eigentlich eine Eishockeyhalle und ich schätze mal, dass sie so rund 3000 Besucher hätte fassen können, von Gedränge konnte aber nirgends die Rede sein, denn ich schätze mal, dass so 1000 Leute sich in der Halle verliefen. Naja, in meinem Alter ist man froh, einen guten Sitzplatz zu ergattern, in der Pause ohne anstehen zu müssen ne Wurst, Popcorn und Cola kaufen kann und zur Krönung auch noch fast alleine auf'm Klo ist.
Faszinierend mal wieder das Einlassprozedere in Schweden. Während sich in Deutschland in der Regel von der Eingangstür ein Trichter ausbreitet, so dass möglichst viele Menschen ganz nah am Nadelöhr Tür aufeinander treffen, gibt es in Schweden eine oder zwei Schlangen, in der maximal 2 Leutchen nebeneinander stehen. Diese Schlange verläuft dann kreuz und quer über den Parkplatz und die Bürgersteige vor der Halle. Aus keinem Auto dröhnt Musik, es gibt keine Alkoholleichen und das Rauchen in der Halle ist sowieso verboten.
Aber ich schweife ab. Kommen wir doch mal zum Punkt:

19:28 Uhr: Das Licht geht aus und INDICA kommen auf die Bühne. Wer ist INDICA? werdet ihr fragen. Nun, es sind fünf Mädels aus Finnland, die im Grunde hauptsächlich von der Präsenz der Frontfrau Jonsu lebt, die gleichzeitig Sängerin, Gitarristin, Violistin und Keyboarderin ist. Eigentlich singen die Mädels ausschließlich auf finnisch und ihre Alben sind leider auch nur in Finnland erhältlich, aber eigens für die Nightwish-Tour haben sie die Stücke auf englisch einstudiert. Übrigens singt Jonsu auf der neuen Nightwish-Single "Erämaan viimeinen" http://www.youtube.com/watch?v=RToE7oPf2u0 , wobei es sich dabei um den instrumentalen Song "Last of the Wilds" mit finnischem Text handelt. Die Musik und das Erscheinungsbild erinnerte mich von Anfang an an Kate Bush und prompt hatte ich dies meiner Frau mitgeteilt, kam auch schon eine Coverversion ebenjener Sängerin. Insgesamt wusste der Auftritt sehr zu gefallen. Äußerst sympathisch, sehr eingängig, schade, schade, dass es wohl zur Zeit keine Pläne gibt, ihre finnischen Lieder auf englisch zu veröffentlichen. Ich wäre sofort dabei. Einen 30 Sekunden-Schnipsel vom Konzert in Oslo kann man sich hier in recht guter Qualität anschauen http://www.youtube.com/watch?v=sCnJF3JQlUA .
Um 20:15 Uhr war dieser äußerst kurzweilige Auftritt leider schon vorbei. Für mich ganz klarer Daumen nach oben. Lautstärke war genau richtig, Sound war gut, die Lieder (obwohl vorher noch nie gehört) gefielen auf Anhieb!!! Toll!

Nun begann also das Warten und die Fragezeichen. Wie wird sich Anette Olzon in ihrem Heimatland schlagen, wie sieht die Playlist aus und warum dauert die Umbaupause (in der nur 10 Minuten tatsächlich umgebaut wurde) so verdammt lange?

Um 21:07 Uhr ging es also endlich daran, den Fragen auf den Grund zu gehen. Zunächst kam zu der schon sehr langen Pause auch noch ein sehr langes und langweiliges Intro hinzu, bevor dann endlich mit „Bye Bye Beautiful“ losgerockt wurde. Und wie! Zusätzlich zum guten Sound, der immer noch sehr moderaten und für alte, verbrauchte und empfindliche Ohren genau richtigen Lautstärke und der von Anfang an vorhandenen Spielfreude knallte es pyrotechnisch an allen Ecken und Enden. Flammen schossen meterweise empor und Raketen flogen alle Naslang über die Bühne. Na, da konnte doch nix mehr schiefgehen, oder?

Okay, okay, ich geb's zu, ich bin weder vom letzten NIGHTWISH-Album mit Tarja noch dem aktuellen Album mit Anette sonderlich angetan und das, was ich bisher von Anette gehört hatte, stimmte mich gesangstechnisch nicht gerade zuversichtlich, aber ich wurde doch positiv überrascht. Allerdings waren meine Erwartungen auch sehr, sehr niedrig und es leuchtete mir vor dem Konzert nicht ein, warum sich die richtig guten Musiker von Nightwish für eine mittelmäßige Sängerin entschieden haben. Allerdings denke ich, dass dies eventuell etwas mit der positiven, warmen und herzlichen Ausstrahlung von Anette zu tun hat. Tarja war gesangstechnisch perfekt, aber gleichzeitig eine Diva, die mehrmals während eines Konzerts ihre Kleidung wechselte und eher kühl und steif herüberkam. Ganz anders die neue Nightwish-Sängerin, ein Wirbelwind, der ununterbrochen glücklich und fröhlich aussieht, sich mutig an alle Stücke heranmacht, sehr oft gesangstechnisch wackelt und dann auf die schiefe Bahn gerät, aber sich einen Scheiß drum kümmert und weiterlacht, singt und tanzt. Und das alles tat nicht nur dem Konzert gut, sondern auch den Jungs von Nightwish, die ebenfalls jeden Spaß mitmachten und einfach nur gut drauf waren.
So freute es Anette z. B. tierisch, dass sie sich mit dem Publikum auf schwedisch unterhalten konnte und die Jungs einfach keinen Plan hatten, worum es ging und immer wieder fragten: „What does that mean?“ Köstlich.
Doch zurück zur Musik. Überwiegend wurde natürlich Neues dargeboten, wobei die 100%ige Playlist bzw. Reihenfolge mir nicht haften geblieben ist, aber definitiv ging es weiter mit „Cadence Of Her Last Breath“ und „Dark Chest of Wonders“. Es folgten Stücke wie „Whoever Brings the Night“, „Amaranth“ und die für mich Höhepunkte des Abends „The Islander“ und das 14 Minuten Stück „The Poet And The Pendulum“, für das der verantwortliche Keyboarder Tuomas Holopainen minutenlangen Applaus bekam. „Sahara“ und „Nemo“ bildeteten den Abschluss des regulären Sets, der genau 70 Minuten dauerte und vor Nemo kündigte der Bassist Marco Hietala an, dass nun eben das letzte Stück kommen würde, worauf natürlich Protestreaktion vom Publikum kamen, so dass er dann mal die Regularien erklärte, von wegen, dass man das eben als Rockband so macht, dass man das Stück ankündigt, spielt, dann von der Bühne geht, das Publikum nach mehr verlangt und die Band dann wieder kommt und weiterspielt. Das Publikum war somit also versöhnt und Emppu kündigte dann noch einmal Nemo mit den Worten, „das zunächst mal letzte Stück“ an.

Als Zugabe gab es dann noch „7 Days To The Wolves“, „Wishmaster“ und „Wish I Had An Angel“ und 22:37 Uhr, also nach 90 Minuten, war dann endgültig Schluss. Anette Olzon ließ es sich dann nicht nehmen, in den Fotograben zu springen und die komplette erste Reihe zu drücken, zu umarmen und abzuklatschen … tolle Geste!

Fazit: Insgesamt richtig gutes Konzert, bei dem meines Erachtens einzig die stimmlichen Unzulänglichkeiten und einige Längen vor oder während einiger Stücke (z. B. Intro oder Umbau vor „The Islander“) einen negativen Beigeschmack hinterließen. Gute Lichtschau, tolle Pyros, geiler Sound und passende Vorband für 375 schwedische Kronen (ca 40 €). Was will man mehr (außer besseres Wetter bei Hin- und Rückfahrt).