METAL CRASH FESTIVAL - Gießen, Hessenhallen
Konzert vom 07.10.17
Bands: PRIMAL FEAR, KISSIN‘ DYNAMITE, MYSTIC PROPHECY, REBELLION, SPITEFUEL, MERCURY FALLING
Homepage:
Metal Crash Festival
Ein Festivaldebüt stand im hessischen Gießen an, bei dessen Bekanntgabe sich jeder powermetallische Fan die Finger geleckt haben dürfte. Allerdings glaubte ich bei den bekannt gewordenen mageren Vorverkaufszahlen bis zuletzt nicht wirklich dran, dass dieses Event auch stattfinden würde. Gottlob wurde ich eines besseren belehrt, und mit den letztendlich doch 600 verkauften Tickets (40 €) dürfte man um eine finanzielle Bauchladung herumgekommen sein.
Die Tatsache, dass man regionalen Bands bei diesem Hallenevent Slots einräumte, macht die Planer dieser Veranstaltung sympathisch. So ergatterten sich MERCURY FALLING aus Fulda den Part des Openers, der bekanntlich ja nicht immer dankbar ist. Glücklicherweise ist der 5er schon zwei Jahrzehnte existent und somit bekannt genug, um auf eine eigene Fanbase zurückgreifen zu können. Da machte es bei einer Spielzeit von 30 Minuten auch nichts aus, dass es im Set etwas holperte und hier und da nicht alles rund klang, denn in Gießen hatte der brandaktuelle Neuzugang am Tieftöner namens Volkwien, nach dem jüngst verkündeten Ausstieg von Paul Viertel, seine Feuertaufe zu bestehen. Unter Berücksichtigung des verwaschenen Sounds, einer längeren Bühnenabstinenz, der Unruhe durch die sich erst füllende Halle, war es diesmal ein für mich nur passabler Auftritt der progressiv ausgelegten Dark Metaller, die ich schon deutlich ausdrucksstärker erlebt habe.
Auf kleineren Festivals derzeit an SPITEFUEL im Line Up vorbeizukommen, dürfte sich recht schwierig gestalten. Die melodischen Heavy Rocker aus Heilbronn, die sich erst im letzten Jahr aus den Überresten von STRANGELET gegründet hatten, hatten zwar auch den Zustrom der Fans ins Halleninnere zu verzeichnen, schafften es aber mehr und mehr, die Neuankömmlinge mit ihrer doch schon beachtlich großen eigenen Fanriege zu vereinen und ebenfalls gleich vor der Bühne zu fesseln. Die von mir schon erwartete souveräne Bühnenperformance wurde erfüllt. Rast- und ruhelos schoss die wohl mit einer Pferdelunge geborene Rampensau Stefan Zörner über die gesamte 45-minütige Spielzeit unentwegt über die Bühne, ohne auch nur im Geringsten Luftprobleme beim Gesang zu offenbaren. Des Fotografen Leid, des Betrachters Freud. Irre, dieser sympathische Sangesbarde, der wie seine Bandkollegen auch, später die ganze Veranstaltung über die perfekte Fannähe bewies und für jeden ein offenes Ohr hatte. So war es auch kein Wunder, dass zum Abschluss des Sets - es wurden hierbei sogar Stücke aus der STRANGELET Ära gezockt - die mittlerweile gut 400 Anwesenden lautstark mit der Band MOTÖRHEAD’s Klassiker „Ace Of Spades“ grölten. Gewusst wie, sag ich da nur!
Heimspiel die 2. mit REBELLION. Mitten im Aufnahmeprozess zum neuen Studioalbum nutzte man die Chance auf ein wenig Abwechslung, denn man hatte von allen hier auftretenden Künstlern die kürzeste Anreise, da fast alle Musiker aus dem Gießener Umland stammen, wie Bassist Tomy Göttlich bei der Bandvorstellung ausführte. Wer die hessischen „Vikings“ kennt und auch in der letzten Zeit, wie ich z. B. beim Rock in Schroth Festival mal erlebt hat, weiß, dass neben aller Ernsthaftigkeit zur Musik heuer der Spaß viel mehr im Vordergrund steht. Die gelebte Professionalität wie zu Uwe Lulis Zeiten (git., jetzt bei ACCEPT) scheint gewichen zu sein. Man klingt auch nicht mehr ganz so metallisch, sondern rockt eher breit grinsend einen frei von der Leber weg. Das überträgt sich auch auf die Songs an sich. „Arise“ gefällt mir mittlerweile in dieser Form sogar sehr gut. OK, mit „Rebellion - The Clans Are Marching“ in dieser Form tue ich mich immer noch ein wenig schwer, aber hey, hier geht die GRAVE DIGGER Nostalgie vor und das sah auch das Publikum so, das gerade bei diesem Stück einen voluminösen Chor anstimmte. Satt war auch hier der Sound an diesem Abend. Selbst das Blechdach der Halle dürfte sich hier erstmals zufrieden gezeigt haben.
Gefreut habe ich mich persönlich auch auf MYSTIC PROPHECY und das Wiedersehen mit Sänger Lia sowie Markus Pohl (SOULDRINKER) nach einer gefühlten Ewigkeit. Vor einigen Jahren habe ich mich im direkten Umfeld der Band über einen längeren Zeitraum hinweg bewegt. In dieser Zeit glichen die Posten des Drummers als auch des Leadgitarristen eher denen von Schleudersitzen. So durfte ich nach einem weiteren Besetzungskarussell aktuell am Bass für mich zum ersten Mal Joey Roxx erleben, die ich noch von ihrer Schweizer Ex-Band SHEEZO her kannte, zudem positiv überrascht sein ob des sehr jungen und talentierten Schlagwerkers Hanno Kerstan und eben mit Evan K. das nächste griechische Gitarrenwunder in den Mystic-Reihen bestaunen. Passend zu den aktuell re-releasten früheren Alben schlichen sich in die Setlist neben alt bekanntem auch Stücke ein, die ich live noch nie oder sehr selten gehört hatte. Ich für meinen Teil genoss dieses musikalische Wiedersehen nach all den Jahren, auch wenn mir die Phonzahl etwas zu laut vorkam, aber das war früher ja auch schon so.
KISSIN‘ DYNAMITE, für mich der musikalische „Außenseiter“ dieser Veranstaltung, aber ein Garant für unterhaltsame und kurzweilige Shows. Der Glamrock-5er aus Schwabistan setzte auch heute wieder besonders bei den zahlreich anwesenden Damen Zeichen (allen voran die beiden am Zapfhahn am Tresen, die vor lauter auf die Bühne gucken ihren eigentlichen Job aus den Augen verloren zu haben schienen und erst lautstark wieder in die brutale Realität zurückgerufen werden mussten), denn anders kann man diesen Hype auf die Jungs nicht beschreiben. Bei den Männern scheint das anders zu sein. Man(n) mag die Band oder eben nicht. Anders geht wohl nicht, wie man auch wieder in Gießen feststellen durfte. Die Performance wurde bei den Damen über den kompletten Headlinerset hinweg gefeiert bzw. bei den Herren belächelt, die eingängigen Songs/Chöre des quergeschnittenen Hitfeuerwerks mitgesungen oder eben nicht. Aber eines haben die Jungs geschafft und das auch bei den Männern! „Six Feet Under“ in der Zugabe führte durch die Reihen bis nach ganz hinten zu spektakulären Tanzeinlagen der lustigen Art (und ich verwehre mich hier gegen den Ausdruck der Bewegungslegasthenie), und dies sogar bei den älteren Semestern der Presseleute. Unfassbar, so etwas hab ich bei meinen ganzen besuchten Konzerten über die Jahre hinweg nicht erlebt. Chapeau KISSIN‘ DYNAMITE!
PRIMAL FEAR hatte ich eine gefühlte Ewigkeit auch nicht mehr live gesehen, wobei sie jetzt auch nicht unbedingt zu meiner musikalischen Leibspeise zählen. Von daher kamen mir die 90 Minuten der vorletzten PF Show in 2017 wie eine Zeitreise vor. Auch wenn die langen Spielzeiten der vorherigen Kombos bei meinen morschen Knochen Tribut zollten, verkniff ich mir eine vorzeitige Abreise, und das war eine gute Entscheidung. Ralf Scheepers bleibt für mich ein Phänomen. Seine Stimme klingt immer noch so kraftvoll wie schon bzw. noch zu GAMMA RAY Zeiten. Er schien auch heute jeden Ton zu leben, zumindest vermittelte er dies dem doch schon recht müden Publikum und fachte das Feuer dort immer wieder an. Anders als bei seinem Auftritt im Aschaffenburger Colos-Saal kürzlich mit VOODOO CIRCLE vermittelte Mat Sinner (b.) heute wieder Spaß und Lust auf die Show. Das übertrug sich merklich und nicht nur nach vorne, sondern es schien auch Tom Naumann (git.) anzustecken, der in seiner Spiellaune wohl keinem der agilen Akteure nachstehen wollte. PF hatten trotz aller Kontaktnähe zum Publikum und einer ausgewogenen All-Fave-Setlist der späten Anfangszeit (23.00 Uhr) Tribut zu zollen und mussten miterleben, dass gut 1/3 der Besucher bis zum regulären Setende den Nachhauseweg angetreten hatte.
Nachbetrachtung:
Die Feuertaufe hat das Metal Crash Festival in Gießen unterm Strich in Sachen Publikumszuspruch gerade so bestanden. Bei der Bandauswahl hat man den Nerv vieler Besucher zu 100 % getroffen, ist dabei aber auch ein erhöhtes Risiko gegangen, denn keine der Bands war aktuell auf Tour oder hatte irgendeinen Tonträger aktuell am Start, der eine erhöhte Aufmerksamkeit in Sachen Zuschauerinteresse hätte begründen können. An Werbung hat es sicherlich auch nicht gelegen, denn das Bemühen der Veranstalter hierzu war beispielhaft. Als Fotograf durfte man sich wohl über die spärliche Lichtanlage aufregen und sich über die Vergabe von über 30 (!) Fotopässen an diverse Medienvertreter gewundert haben, die letztendlich in zwei Gruppen nacheinander zum Fotografieren in den Fotograben geführt wurden. Nachgebessert werden muss auf jeden Fall in Sachen Regelung beim Einlass und vor allem bei der Getränkeausgabe in der Halle. Hier fehlte es überdeutlich an Personal und Equipment. Zwei Zapfhähne incl. unqualifizierten Personals für ca. 700 Besucher soll mancherorts schon zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt haben.
Fotos: Hans-W. Rock