DREAM THEATER - Esch-Sur-Alzette
Konzert vom 15.05.2022
Support: DEVIN TOWNSEND
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DREAM THEATER
DEVIN TOWNSEND
Seit drei Wochen läuft die Europatournee der Prog Metal-Götter schon, natürlich in England begonnen, wo Konzerte seit Herbst wieder möglich sind. Dabei ging ihre letzte Rundreise kurz vor der Pandemie zu Ende, die Pause dazwischen wurde mit Studioprojekten und einem neuen Album überbrückt. Mit jenem im Gepäck machten sie auch im luxemburgischen Esch-Sur-Alzette Halt, wo sie der Rezensent sei schon mehrmals bewundern konnte. Für das Vorprogramm wurde DEVIN TOWNSEND verpflichtet, da man mittlerweile ohnehin beim selben Label veröffentlicht.
DEVIN TOWNSEND
Beim ersten Erlöschen des Saallichtes war es zuerst recht finster in der Rockhal, denn auf große Lightshow verzichtete der Kanadier weitgehend. Wenn kamen bevorzugt Stroboskop-Blitze, welche die Sicht nicht unbedingt verbesserten. Zu Beginn war das auch kein Problem, denn zu Songs vom DEVIN TOWNSEND PROJECT wie „Failure“ war das Stageacting recht statisch, was aber zur Musik passte. Die derben Staccato walzten unaufhaltsam und stoisch über die Köpfe hinweg, der Sounddruck war enorm, es versprach ein intensives Spektakel zu werden.
Townsend und der zweite Gitarrist Stephen Platt legten ihre Saiten ganz tief, das groovte und schob, so dass auch direkt die ersten Matten geschwungen wurden. Vom technischen Level standen die beiden sowie Bassist James Leach dem Hauptact kaum nach, tight wie ein Uhrwerk ballerten sie ihre Nummern runter, die zumeist von älteren Werken stammten, während die letzten Alben nicht beachtet wurden. Völlig abgedreht wurde es natürlich mit „By Your Command“ von „Ziltoid The Omniscient“, während mit dem STRAPPING YOUNG LAD-Song „Aftermath“ eine herrliche Thrash-Keule ausgepackt wurde.
Während Leach die ganze Stunde über konsequent auf seinem Platz verharrte, gab der Mainman immer mehr Gas und markierte den irren Professor, wie man es von ihm gewohnt ist. Das Arsenal an Grimassen wird nur noch von Louis DeFunes übertroffen, wobei der nicht so irre dreinblickte. Mal spielte er als sei er auf der Flucht vor seinem Gitarristen, dann kniete er direkt vor einem Scheinwerfer und ließ sich anstrahlen. Doch den Spaß dabei konnte er nicht verhehlen, immer wieder huschte ihm ein Grinsen durch das Gesicht, scherzte viel rum und animierte immer wieder das Auditorium.
Die weiten, epischen Stücke wie „Deadhead“ oder „Deep Peace“ kamen erst später zum Zuge und verfehlten ihre Wirkung nicht. Allerdings hätte es ein paar mehr Musikern bedurft, denn so einiges kam vom Band wie Chöre oder Synthies. Der Rest des Vortrages war auch effektgefüttert, über Townsends Stimme wurde so viel Hall gelegt, dass die Stadionrockbands, welche der Rezensent die Woche sah vor Neid erblasst wären. So entfachte man einen Orkan, der mit ohrenbetäubender Lautstärke auf die vorderen Reihen losgelassen wurde, dank der guten Spieltechnik kam das alles sauber und eben druckvoll, falls ich das noch nicht erwähnt habe.
Da ist es auch gut eine Darby Todd hinten sitzen zu haben, der vom Spiel weniger an extremen Prog Metal erinnert, wenn nicht gerade seine DoubleBass alles in Grund und Boden prügelt. Seine Beckenarbeit war fordernder, direkter, seine Haltung lockerer, das gab eine zusätzliche rockige Note, welche sich am Ende beim punkigen „More!“ auszahlte. Townsend war nun endgültig der irre Derwisch, welcher ebenso viel Freude hatte wie seine Fans, und Platt schüttelte seine ultralange Matte, dass der Autor vor Neid erblasste. Feiner Abriss mit Niveau!
DREAM THEATER
Bei dem technischen Aufwand dauerte die Umbaupause recht lange, doch für die Herren muss eben alles perfekt sein. Irgendwann wurde das Publikum mit Animationen auf der großen Leinwand bei Laune gehalten, die einen Vorgeschmack gaben, auf das was kommen sollte. Angeheizt waren die etwa 2.000 Besucher ohnehin genug, weswegen sofort Jubel aufbrandete, als das Licht aufging und die Fünf zum Introtape auf die Bühne kamen. Sogar bei den neueren Stücken verwunderte die Textsicherheit der Fans, aber Proggies beschäftigen sich eben ein wenig intensiver mit der Materie.
Auf alte Klassiker muss man zum Auftakt ohnehin nicht mehr setzen, der Treue ihrer Fans ist man sich bewusst, auch wenn es im Großherzogtum mal mehr waren. Wer endlich seinen Grammy bekommen hat, der darf das frisch gekürte Stück natürlich am Anfang präsentieren. Was erstmal Nebensache war, denn fuhr der Begleitact schon eine massive Soundwand, so gab es hier noch weit mehr zu bewundern. Vom extrem lauten und dennoch wunderbar klaren Klanggewand würde man schier erdrückt.
Dieser Komplex ist immer wieder eine Wonne zu erleben, hier hat sich wer etwas dabei gedacht, als er das Ding für den einzigen Zweck konstruierte, Musik zu erleben. Jedes Detail war transparent vernehmbar, die Wucht ging durch den Körper und animierte denn noch mehr zum Mitmachen. Die hohe Decke gab natürlich den Effekten viel Raum, hinten gab es so viel zu entdecken, was sich zu den Klängen gesellte. Großflächige Installationen und traumhafte Landschaftsbilder flossen ineinander über. Beim Titelsong des neuen Albums bekam der Zuschauer fast schon Schwindelanfälle, ob der gezeigten alpinen Action.
Doch die optische Hauptattraktion sollten vor allem die Instrumentalisten sein, die gewohnt viel Raum bekamen, sich auszutoben. John Petrucci beweist immer mehr Entertainmentqualitäten, auch wenn seine Optik Rübezahl immer ähnlicher wird, dafür behält er sein Training bei. Neben Backinggesängen sucht er immer den Kontakt zu den vorderen Reihen, früher gab er sich deutlich introvertierter. So posierte er nicht nur mit einem Bein auf seinen zwei kleinen Podesten, sondern erhob sich mal neben das Drumkit auf den Riser, wo er sich extra weitere Monitore platzieren ließ.
Viele Soli lieferte er auch auf der Frontposition ab, wo er Szeneapplaus bekam, den es ohnehin den ganzen Abend hagelte. Bei der Saitenanzahl ist er mittlerweile bei acht angekommen. Ich bin ja ein Freund klassischer Modelle, aber was da an Spielzeug heute auf dem Markt ist, ist schon beindruckend. Es waren aber nicht nur die ultraschnellen Fingerübungen, die begeistern konnten, die vielen Longtracks beinhalteten auch wunderbare sphärische und melodiöse Leads, oft getragen von Synthieschwaden, welche in Harmonie die Szenerie mehr als einmal abheben ließen.
Davon gab es reichlich, in eindreiviertel Stunden gab es gerade mal zehn Songs zum Besten, alleine die drei letzten dauerten fast eine Stunde. Was nicht die einzige Überraschung im Set war, welches immerhin vier Nummern von „A View From The Top Of The World“ aufbot. Die beiden Referenzwerke blieben komplett außen vor, wurden sie auf den letzten beiden Touren komplett gespielt. Der Fokus lag auf den Nullerjahren bis zum Ausstieg von Mike Portnoy, die letzten drei Scheiben fanden ebenso keine Berücksichtigung. Interessant auch ein Auszug aus dem „Six Degrees Of Inner Turbulence“-Mammuttrack.
Jordan Rudess erwies sich als genialer Partner des Gitarrenhexers, mit dem er sich öfter duellierte, einmal packte er auch die Keytar aus und die beiden frickelten vorne in der Mitte Auge in Auge. Ist das Instrumentarium von Petrucci schon erstaunlich, so kann man jenes des Tastenmannes schon als futuristisch bezeichnen. Was der alles an Tönen heraus holte war unglaublich, doch auch die ganz klassische Orgel bildete er ebenso gut ab wie Streicher. Da der Synthesizer sich in alle Richtungen drehen und schwenken lässt, konnte er den Zuschauern gute Einblicke in sein Spiel geben. Es bereite ihm diebische Freude, wenn er merkte wie jeder darauf schaut, wie seine Finger über die Tasten und Pads gleiten.
John Myung gab sich als Partner für gemeinsame instrumentale Abfahrten eher seltener her, aber wenn dann haute er mit seinem Gitarristen einen unfassbaren Grove heraus. Der Mann ist ein Phänomen, fast regungslos steht er am vorderen Rand und bearbeitet in atemberaubender Präzision seinen Bass mit seinen dünnen, langen Fingern. Da kommt man bei Zuschauen kaum hinterher, so wild traktieren die meisten Sechssaiter ihr Arbeitsgerät nicht, wobei auch er zu der Saitenzahl aufschloss.
Hinten war Mike Mangini ebenso rastlos an der Schießbude unterwegs, nicht immer hielt sein Baseball-Cap dem Trommelwirbel stand. Die Konfiguration seines Kits fiel für seine Verhältnisse eher reduziert aus, da er auf hochhängende Becken verzichtete, musste er etwas tiefer bauen, um die Zuschauer sehen zu können. Aber der Weg von einer Seite des Schlagzeugs zur anderen war immer noch weit genug, um seine genialen Drumrolls anzusetzen. Er mutierte dann zum Mittelpunkt, wenn James LaBrie nicht auf der Bühne war.
Was natürlich ob der Epen oft der Fall war, über so lange Passagen kann nicht der beste Entertainer da oben durchweg eine gute Figur abgeben. Dafür war er sehr präsent, wenn er die Frontmannrolle inne hatte und wusste vor allem bei den großen Melodien zu überzeugen. Er suchte immer den Publikumskontakt und bedachte auch die weit außen stehenden Fans, indem er teilweise aus dem Scheinwerferlicht an die Ränder verschwand. Eigentlich machte er nur eine größere Ansage, aber die war wichtig, dass sie hier sind um zwei Dinge zu feiern: Den menschlichen Spirit und die Musik, welche nach seinen Worten das wichtigste Element unserer Gesellschaft ist.
Den Herren war s anzusehen, wie sehr sie es genossen endlich wieder gemeinsam los zu zocken und sich mit den irrsten Kabinettstückchen zu übertrumpfen. Gerade Petrucci war die Spielfreude ins Gesicht geschrieben, doch auch der Publikumszuspruch schien den Akteuren auf der Bühne viel zu geben. Das ja bekanntermaßen reservierte Luxemburger Auditorium meldete sich lautstark und war vor allem von den Überraschungen der Setlist angetan. Schön dass die Welt ihr Traumtheater wieder hat, ihren Status können sie auch nach Corona klar untermauern, warfen ihre Anhängerschaft ein einziges Klangmeer.
Setlist DREAM THEATER:
Alien
6:00
Awaken The Master
Endless Sacrifice
Bridges In The Sky
Invisible Monster
About To Crash
The Ministry Of Lost Souls
A View From The Top Of The World
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The Count Of Tuscany
Alle Photos von Rainer Petry