ROCK MEETS CLASSIC - Frankfurt/M.
Konzert vom 21.04.2023
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ROCK MEETS CLASSIC
Vier ganze Jahre musste diese Tour pausieren, wenn man nicht gerade in Berlin wohnt, wobei diese Stadt immer mehr zum Problem wird. Frankfurt war 2020 das erste Konzert, das abgesagt wurde und 2022 war die Vorlaufzeit für so ein Unterfangen einfach zu lang, zum geplanten Zeitpunkt war schon wieder was möglich. Was das Fehlen von Mat Sinner noch trauriger macht, offenbar gibt es doch noch andere Krankheiten auf der Welt. Der Mastermind wollte unbedingt fit werden, bis zur Tour, was leider nicht gelang. Dafür wurde man mit einem tollen Programm entschädigt, bei dem erstmals sechs Gastkünstler auf der Bühne standen.
Dabei wurde die Band nicht nur auf der Position des Bassisten umgebaut, der von Alex Jansen ersetzt. Jimmy Kresic ist an den Tasten ebenfalls von Bord, mit Lisa Müller übernimmt die neue musikalische Leiterin. Zuerst kamen natürlich wieder die Band und das Orchester zum Zuge, die wieder toll aufeinander eingespielt waren. Sascha Krebs, der als Moderator durch die Show führte, Gabriela Guncikova, Giorgia Colleluori und Sarah Fox durften sich dann an einem QUEEN-Medley beweisen, bevor sie auf ihren Riser in die Backgroundposition mussten, auch wenn sie stimmlich wie auch vom Stageacting alle gut in Form waren.
Unglücklicherweise war noch keiner von ihnen an einem Hit beteiligt, so standen wieder andere im Vordergrund. Eingeleitet wurden die kurzen Showcases sowohl von der Anmoderation als auch dem Anspielen verschiedener Melodien aus dem Repertoire des kommenden Sängers. Das zeigt wie gut sie sich mittlerweile in die Kompositionen einfühlen können. Was oft nicht so einfach ist wie bei den Sachen der britischen Legende zum Auftakt. Doch schon „Radar Love“ mit Mike Tramp von WHITE LION am Mikro zeigte die großartige Symbiose, speziell im Chorus, wo die Streicher und Blechbläser für mehr Tiefe sorgten, während „Tell Me“ eher den Chorgesang heraus stellte.
Er war der einzige der zweimal auf die Bühne durfte, im Gegensatz zu der letzten Ausgabe, wo jeder zweimal zwei Lieder hatte. Bei seinem zweiten Set orientierte sich „Broken Heart“ eher an der Neuversion von „Mane Attraction“, wo die Streicher die Rolle der Keyboardfanfaren übernahmen. Am besten kann man diese natürlich in getragene Balladen einpflegen, eine Disziplin, die mit „When The Children Cry“ optimal bedient wurde und viele Emotionen weckte. Leider ist Tramps Stimme nicht so gut gealtert wie der Vokalist selbst, er arrangierte bedächtiger, um mehr Atempausen machen zu können, was ein wenig den Fluss in den Melodien vermissen ließ.
Da war Ronnie Romero eine ganz andere Hausnummer, der mit nun richtig langen Haaren noch mehr Rockstarvibes mitbrachte. Stimmlich bot die RAINBOW-Röhre die beste Performance des Abends, sein raues Organ drückte die Nummern perfekt nach vorne. Dazu seine Gesten und Posen, die einfach die hohe Kunst des Frontmannes aufzeigten, der Mann ist für die Bühne geboren. Für die Orchesterbearbeitung ist auch „Long Live Rock´n´Roll“ geboren, das zum ersten Mal richtig Stimmung in die Bude brachte und jeden von seinem Sitz erheben ließ. Das markante Grundriff wirkte noch voller, die Hymnik wurde von den Bläsern getragen.
Bei „I Surrender“ waren es eher die Streicher, welche die Riffs unterstrichen und ihnen mehr Atmosphäre verliehen. Manch einer möchte jetzt unken, es würde sie weichspülen, aber bei der Kraft des Sounds konnte davon keine Rede sein. Wobei sich allerdings wieder zeigte, dass solche rifflastigen traditionellen Stücke dem Orchester weniger Entfaltungsmöglichkeiten geben, wie auch bei „Since You Been Gone“, das nun wirklich vom ganzen Saal mitgesungen wurde. Romero hielt es auch nur selten auf dem Platz, ständig war er unterwegs, am liebsten bei Gitarrist Alex Beyrodt, der ihm in Sachen Posing in nichts nachstand und Blackmores Soli sehr gut umsetzte.
Leider fiel danach das Stimmungsbarometer wieder, was nicht nur daran lag, dass die Titel von Maggie Reilly nicht komplett zum Thema passten, dafür durch die Bank auch zu ruhig waren. Schön umgesetzt waren sie auf alle Fälle, gerade ein an klassischer Komposition geschulter Künstler wie MIKE OLDFIELD bietet da viele Vorlagen. „“To France“ war stark von den beiden Flöten geprägt, welche die folkloristischen Anleihen noch mehr in Szene setzten und man die Rockband fast gar nicht vernehmen konnte. Das Selbe lässt sich dem letzten Song „Moonlight Shadow“ attestieren, in welchem die beiden Gitarristen sehr zurückhaltend und folkig spielten, wobei Tom Nauman das Solo nahe an Oldfields Klang umsetzte.
Dazwischen kam mit „Everytime You Touch“, das 1992 den größten Solohit der Schottin, der eher im Pop-Bereich angesiedelt ist. Doch Band und Orchester konnten die schöne Atmosphäre in ihre Version übertragen, seinerzeit mochte ich das Stück sehr. Das ist mehr als dreißig Jahre her und auch an Reilly ging die Zeit nicht spurlos vorbei. Zwar war das Timbre immer noch glockenklar, die Melodien sehr flüssig, doch alles fand eine Oktave tiefer statt, die Höhen schaffte die Dame nicht mehr. Zudem war ihre Präsenz zu bieder, optisch eher nette Sekretärin und auch kaum in Bewegung, weswegen sie es nicht so gut vermochte das Publikum mitzureißen.
Nach einem weiteren Intermezzo von Mike Tramp kamen mit Bernie Shaw und Mick Box zwei absolute Urgesteine auf die Bühne. Und die erfreuten das Herz des Rezensenten gleich zu Beginn mit „Free Me“, einem viel zu selten gespielten Song. Die zweite populäre Akustikballade bot aber wie die ewige „Lady In Black“ am Ende dem Orchester kaum Entfaltungsmöglichkeiten, auch wenn sie sehr ruhig gehalten waren. Ein paar Streicherakzente waren das einzige nennenswerte, und auch beim schnellen „Easy Living“ blieben sie blass. Galt auch für Naumann und Beyrodt, bei URIAH HEEP ist immer noch der gute Mick Chef im Ring an den sechs Saiten.
Es grinst auch keiner so freudig wie er und seine Gestik während den einhändigen Tappings ist mittlerweile Kult. Davon gab er am Ende von „July Morning“ eine Kostprobe. Wie geschaffen schien dieses Stück für eine derartige Version, in welcher auch Lisa Müller eine tragende Rolle übernahm. Wie das Orchester die atmosphärischen Tupfer in den Strophen darbot war große Klasse, ebenso wie es im Refrain und den instrumentalen Parts zu einer Soundwand anschwoll. Mittendrin dann Bernie Shaw, der wie immer ganz vorne an den Brettern war, das Publikum mitnahm, niemanden sitzen ließ und bei allem Bewegungsdrang stimmlich brillierte.
In der Kategorie legte Dee Sinder noch eine Schippe drauf, der unentwegt hin und her rannte und mit seinem exaltierten Posing die Meute so richtig abholte. Wer natürlich mit der Überhymne „We´re Not Gonna Take It“ loslegen kann, hat das Momentum auf seiner Seite. Sofort war das Publikum da, das von nun an fest nur nach stand. Weniger da war das Orchester, es ist wie gesagt einfach nicht die Machart der Songs, die sich für eine derartige Bearbeitung anbietet, was ebenso für „I Wanna Rock“ gilt. Dem Beitrag tat das indes keinen Abbruch, zumal Snider stimmlich noch voll auf der Höhe ist, und einfach eine Stimmungsgranate ist.
Was es da wieder an Sprüchen und Scherzen hagelte war einfach oberste Liga oder nach Lesart unterste. Natürlich wurde da einiges in die Länge gezogen, lange wurde über A.J. Pero referiert und andere gefallene Rockstars. Die flimmerten dann zu „The Price“ über die große Leinwand hinten von Dio bis Lemmy. Hier hatten die orchestralen Motive eine ganz andere Rolle und trugen die große Ballade. Überraschend funktionierte das Orchester auch mit dem abschließenden AC/DC-Cover „Highway To Hell“. Die Blechbläser verliehen dem Klassiker einen Boogie-Swing und drückten vor allem im Chorus nach vorne.
Besser von der Stimmung konnte es kaum noch werden, doch Joey Tempest ist von den Fronterqualitäten keinen Deut schlechter. Gut, er hatte nicht nur Hits im Gepäck, aber vielleicht machte ihn das zum authentischsten Act des Abends. Einzig der Titeltrack des letzten Albums konnte überzeugen, der den letzten Showcase eröffnete. Es war sicher vorhersehbar wie das ohnehin orchestral geprägte Lied in der Bearbeitung aufblüht, was den Hörgenuss von „Walk The Earth“ keinesfalls schmälerte. „Ready Or Not“ sah lediglich ein paar flächige Akzentuierungen und einen Tempest an der dritten Axt, was ihn da am herumwirbeln des Mikroständers hinderte.
Seine Ausstrahlung ist immer noch da, die Attitüde, das Lächeln des einstigen Teenieschwarms. Auch er war viel unterwegs poste mit seinen Gitarristen und suchte die Nähe zu den Fans, wobei er sogar Alben am Bühnenrand signierte. So gut er sich optisch gehalten hat, stimmlich musste man auch bei ihm Abstriche machen, er nahm sich Atempausen die früher nicht da waren, musste dadurch anders phrasieren. Dafür eignete sich sein Material für diese Herangehensweise vorzüglich, die weiten Fanfaren von „Superstitious“ übernahm das volle Orchester organischer und voluminöser und wie gut Powerballaden harmonieren wurde uns schon vor „Carrie“ zu Gemüte geführt.
Als Schlusspunkt kam natürlich „Rock The Night“, welches das Pendel mehr gegen Rock drückte, Nomen es Omen. Die Jahrhunderthalle stand komplett und holte nochmal alles aus den Stimmbändern heraus, der Drive blieb erhalten. Als krönender Abschluss bot sich natürlich „The Final Countdown“ als ultimativer Klassiker an, das Thema zu spielen dürfte jeden Musiker begeistert haben. Mitsingen durfte ebenso jeder, nachdem Tempest die erst Strophe alleine gebracht hat. Das unterstreicht immer den familiären Charakter der Tour, wenn alle Beteiligten nochmal auf die Bühne kommen und sich dann wirklich in Sachen Stageacting gegenseitig überbieten.
Nach zweieinhalb Stunden war dann die grandiose Aufführung zu Ende, wobei die Zeit wie im Flug verging. Schön zu sehen, wie ich die klassisch geschulten Musiker Spaß hatten und ihrerseits im Rahmen der Möglichkeiten mitgingen. Neben dem perfekt ausbalancierten Sound konnte die Lightshow zusätzliche Atmosphäre einbringen und einen perfekten Abend abrunden, bei dem zwei Welten zueinander fanden, die mehr miteinander zu tun haben, als man glaubt. Einzig an der Songauswahl sollte man etwas feilen, beim EUROPE-Part wurde es vorgemacht auch mal weniger bekanntes in den Ring zu werfen.
WHITE LION und TWISTED SISTER haben sicher genug Songs, um nicht auf Cover zurückgreifen zu müssen. Bei aller Liebe zu den Hits, bei RAINBOW hätte man sich eher „Stargazer“ oder „Gates Of Babylon“, die viel mehr Elemente zur klassischen Umsetzung beinhalten. Und URIAH HEEP haben erneut die Chance verpasst, „Salisbury“ in voller Länge aufzuführen, kein anders Stück schreit so sehr danach. Hier sollten die Macher ein wenig mehr Mut beweisen, damit nimmt man sich selbst die Relevanz. Die Hinwendung zur Hochkultur würde konsequenter durchgezogen werden, so läuft man Gefahr zu einer besseren Ü50-Party zu mutieren.