ROGER WATERS - Frankfurt/M.

05 rogerwaters frankfurt 01Konzert vom 28.05.2023

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ROGER WATERS

Eigentlich hatte ich mir in meiner schreibenden Funktion vorgenommen, mich nicht mehr politisch zu äußern. Aber wenn ich fühle, dass unsere Lieblingsmusik angegriffen wird, muss ich doch wieder die Waffe des Wortes zücken. Um ein Haar hätte nämlich das Konzert des früheren PINK FLOYD-Mitgliedes nicht stattgefunden, weil eine laute Minderheit die Politik bestürmt hat, diese zu verbieten. ROGER WATERS sein ein Antisemit und Kriegstreiber waren ihre unreflektierten Argumente. Ich denke ein Veranstalter wie die Batschkapp würde niemanden mit dem Mindset auftreten lassen.

Die Vorwürfe sind meiner Meinung, nach und wie ich seine Karriere und persönliche Geschichte einschätze, aus der Luft gegriffen. Der Künstler engagiert sich seit Jahren für Palästina und kritisiert die israelische Siedlungspolitik völlig zu Recht. Sicher musste dieses Volk mehr erleiden als jedes andere, nur müssten sie auch besser wie jedes andere wissen, wo genau so eine Politik der Internierung hinführt.
Letztlich ist das gekippte Auftrittsverbot ein doppelter Sieg für Waters, denn es waren ausgerechnet die unabhängigen Gerichte, die Israel in seinem Land so gerne abschaffen würde. Auch der zweite Vorwurf ist völlig hanebüchen wenn man bedenkt, dass dieser Mensch ein Leben lang unter dem Verlust des Vaters im Krieg litt. Nicht nur sein Leben, sondern seine ganze Karriere wurde davon geprägt, was auch zum Zerwürfnis mit seinen alten Kollegen führte.

Schaut man auf die Argumentation seiner Gegner, dann stellt man fest wie selektiv sie vorgehen, wie Dinge aus dem Zusammenhang gerissen werden. Der Krieg in der Ukraine wird klar bedauert und verurteilt, aber die Schuld auch bei der Einflussnahme des Westens gesucht. Bei den Vorwürfen des Antisemitismus wird zu gerne verschwiegen, dass auf dem für PINK FLOYD seit 1977 typischen Schwein auch andere religiöse und antikapitalistische Symbole prangen. Davon sehr viele, die auch seine Gegner bejubeln würden, allen voran Donald Trump. Zum Glück gibt es Menschen in dem Land, die Kunstfreiheit noch zu schätzen wissen und deren Gewissen nicht reingewaschen werden muss.

So fand das Konzert dann glücklicherweise statt, dennoch ließen sich es die Gegner nicht nehmen, vor der Festhalle großen Protest aufzuziehen. Es fanden sich schon einige ein, die mit Israel-Flaggen behangen waren, ob die Führung in Jerusalem allerdings die Regenbogenfahnen mit dem Davidsstern so toll findet, darf zumindest bezweifelt werden. Was ich im Vorbeigehen hörte waren Apelle den Krieg in der Ukraine zu beenden und damit Europa zu stärken. So viel anders denkt das israelische Volk scheinbar nicht als die Fans des Art Rockaltmeisters, schade, dass gewisse Machthaber einen Keil dazwischen treiben.

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Drinnen herrschte große Spannung, das Konzert begann mit 15 Minuten Verspätung, während auf den Leinwänden ein Statement des Künstlers zu lesen war, auf dem er sich noch einmal klar gegen Faschismus und Krieg positionierte. Die Leinwände bedeckten noch die kreuzförmige Bühne inmitten der Festhalle. Nur in den Nischen standen Instrumente, auf denen dann das ganz große Epos von „The Wall“ in einer sehr reduzierten Fassung interpretiert wurde, zu welchem Gitarrist Jonathan Wilson sang. Ein Solo war keinem der Sechssaiter vergönnt, die Orgel bestimmte das Geschehen, was die Fans sicher verwunderte.

Doch wer, wenn nicht der Meister selbst dürfte die Songs umarrangieren, wobei jedes Mal etwas ganz Großes dabei heraus kam. Teilweise kamen die Synthesizer schwerer, moderner als bei den Originalen wie etwa in „Sheep“, von „Shine On You Crazy Diamond“ nahm man sich die Teile “VI – IX“ vor, zu denen Jon Carin auf der Lap Steel brillierte. „Have A Cigar“ haben schon viele Coverbands rockiger dargeboten, hier setzte Waters mit seiner rauen Version noch einen drauf.
Überhaupt agierte die Band kantiger, nicht so weich wie man es gewohnt ist, dadurch aber lebendiger, erwies sich als engeres Bandgefüge, das auch miteinander auf der Bühne kommunizierte. Gerade im letzten Song stand man um das Piano, nur spärlich beleuchtet und beschwor so eine fast clubmäßige Atmosphäre, zu welcher Gus Seyffert das Akkordeon bediente. So ging man auch von der Bühne durch den Graben bis man backstage ausklingen ließ.

ROGER WATERS selbst kam erst zu den großen Hits von „The Wall“, als die Leinwand hochgezogen wurde auf die Bühne und ließ sich ausgiebig feiern, während er diese mit theatralischen Posen sang. Das Besteigen der Treppen und Rampen machte ihm mit seinen 79 Jahren schon einige Mühe, seine Bewegungen wirkten steifer, und öfter verzichtete darauf, sich ein Instrument umzuhängen. Doch seine Schärfe hat er nicht verloren, den Biss dahinter konnten seine alten Knochen nicht verbergen, das Feuer loderte immer noch in ihm.

Wie seine Mitmusiker nutzt er die Abmessungen der Bühne und war auf allen vier Flügeln präsent, wo er oft außen auf der Rampe sang. Seine Mitstreiter suchten auch die Nähe zum Publikum, vor allem Wilson als zweiter Leadsänger und Saxophonist Seamus Blake, der die bekannten Spots perfekt darbot. Dave Kilminster standen die meisten Soli zu, welche der neben Carin treueste Sidekick bravourös mit all seiner Erfahrung in Szene setzte.
Nach ein paar eigenen Songs präsentierte die Legende ein komplett neues Stück, zu welchem die sich wie so oft ans Piano setzte. Dabei war die namensgebende Bar eine Art Ritual, eine Art Symbol für den Zusammenschluss der Band untereinander und mit dem Publikum, das sich natürlich schon zu Beginn lautstark bemerkbar machte. So Verwunderte es nicht, dass darauf eine Flasche Mezcal stand, von dem sich ab und an ein Glas genehmigt wurde. Die Bar sei offen für alle, ein Treffpunkt, an dem man über unterschiedliche Meinungen diskutieren kann, setzte Waters zu einem minutenlangen Monolog an.

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Gemeint waren natürlich seine Kritiker, denen er aber das Recht zugestand vor der Halle ihre Meinung kundzutun, solange sie ihn nicht daran hindern, für sein Publikum zu spielen. Der Austausch sei ihm wichtig, und dass er sich über Gegendemonstranten freue, die Kunstfreiheit verteidigen und ihn willkommen heißen. Er versicherte, was alle Anwesenden ohnehin wussten, dass sein Outfit im zweiten Teil der Show den Schrecken des Faschismus darstellen und nicht verherrlichen soll. Dennoch tut es ihm leid, Menschen damit erschreckt zu haben, er wisse, was dieses Volk durchmachen musste und kündigte an, heute besagten Mantel nicht zu tragen.
Diese Geste des Zugehens auf seine Gegner löste weitere Begeisterung in der altehrwürdigen Halle aus. Durch den vielen Zuspruch wurde der gute Roger plötzlich übermannt, und fing an auf dem Schemel sitzend zu weinen, was weitere stehende Ovationen nach sich zog. Da merkte man wie sehr ihm die ungerechtfertigte Kritik nahe ging, ich kann ihn sehr gut verstehen, viele fühlten mit ihm. Da saß er, der Unbeugsame und wurde ganz menschlich, offenbarte sein Inneres, genau was ein Künstler tun sollte. In einer gigantischen Show lieferte er mit der Geste den Höhepunkt.

Es sollte nicht das letzte Mal hochemotional werden, zum ewigen Lagerfeuer-Hit flimmerte die Geschichte zwischen ihm und Syd Barrett in erzählenden Textzeilen über die Leinwände. Es wurde der Verlust von Menschen thematisiert, der Verlust von sich selbst. Diese Lieder mögen viele schon unendlich oft gehört haben, an jenem Abend berührten sie noch einmal tiefer, weil diese ehrliche Note hinzu kam. Besonders die neu arrangierten zeigten wie groß diese sind, wenn sie in den Fassungen ebenso tiefe Emotionen auslösen können, die Erpelpelle zeichnete sich öfter am Abend auf den Armen ab.

Die Leinwände waren ebenso Ausdrucksmedium für viele politische Botschaften, die oft plakativ drauf prangten wie „Resist Capitalism“ in riesigen Lettern. Vielleicht bemühte er die abschreckenden Kriegsbilder und Hintergrundgeräusche zu sehr, vielleicht drückte es ein wenig die Musikalität in den Hintergrund, doch Waters wollte sichergehen, dass jeder Atomwaffen ablehnt und kam mit dem Holzhammer.
Hämmer marschierten auch zu weiteren Songs von „The Wall“ über die mächtigen LED-Screens, die viel in die Show einbezogen wurden. Im Takt dazu klatschte jeder mit, die Hits wurden früh gespielt, was dennoch jeden aus dem Stuhl hob. Die Center Stage gibt den Zuschauern auch einen besseren Blick auf die anderen Fans, wodurch das Publikum noch mehr zusammen rückt. Diese Kulisse zu sehen, wie alle Handpaare gleichzeitig gegeneinander schlagen, war fantastisch.
Auf dem Schwein prangten diesmal viele Namen von Konzernen, das „Like“-Symbol war sehr oft vertreten. Doch neben diesem flog auch noch ein Schaf komplett eine Runde über den Köpfen des Auditoriums hinweg. Die Fans standen hinter den Ansichten, weil sie verstehen, was ausgedrückt werden soll. Als dann Chelsea Manning und Julian Assange groß auf der Leinwand zu sehen waren, wurden sie frenetisch gefeiert, von letzterem forderten Aktivisten im Foyer die Freilassung.

Nicht komplett gab es auf der Tour „Dark Side Of The Moon“, von dem nur die zweite Seite gebracht wurde. Gegen Ende fuhren Spiegel entlang der Bühne hoch, die mehrere Prismen um die Bühne warfen, während die dazugehörigen Farben das riesige Kreuz dominierten. Speziell in der Architektur der Festhalle wirkte jene wuchtige Konstruktion noch besser. Möglicherweise wäre es schon ohne die ganzen Elemente ein ebenfalls toller Konzertabend geworden, doch wenn alle Sinne so gefüttert werden, wird man komplett hinein gezogen. Ein überlebensgroßer Rausch aus Rockklassikern, Botschaften, Gefühlen und Multimediaoverkill war selbst nach zweieinhalb Stunden noch zu früh zu Ende.

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Setlist ROGER WATERS:
Comfortably Numb
The Happiest Day Of Our Lives
Another Brick In The Wall, Part 2
Another Brick In The Wall, Part 3
The Powers That Be
The Bravery Being Out Of Range
The Bar
Have A Cigar
Wish You Were Here
Shine On You Crazy Diamond (Part XI-IX)
Sheep
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In The Flesh
Run Like Hell
Déjà Vu
Déjà Vu (Reprise)
Is This The Life We Really Want?
Money
Us And Them
Any Colour You Like
Brain Damage
Eclipse
Two Suns In The Sunset
The Bar (Reprise)
Outside The Wall

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