ROCK HARD FESTIVAL - Gelsenkirchen
Festival vom 26.05. - 28.05.2023
Gelsenkirchen, Amphietheater
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ROCK HARD FESTIVAL
Zur 20. Jubiläumsausgabe lud das ROCK HARD FESTIVAL rund geschätzt um die 7.000 Heavy Metal-Fans in die kampferprobte Location mit bunt gemischtem Billing inklusive prima Früh Sommerwetter gaben sich 22 Bands diverser Stilrichtungen ihr Stelldichein in Gelsenkirchen, Tatort: Amphietheater. Das Pfingswochenende hielt im Rahmen des vielseitigen Programms gleich mehrere Bandjubiläen bereit, die es auf 4 Jahrzehnte bringen, so alt sind, wie das ROCK HARD-Magazin selbst. Bahnverbindungs bedingt werden SCREAMER und MOTORJESUS leider verpasst. Der zeitlich später gegen Nachmittag erfolgte Festivalbeginn ist von Vorteil, da Gelsenkirchen eine längere Anreise bedeutet, die ihre Zeit in Anspruch nimmt. Mein Einstieg erfolgt überraschenderweise nach zügigem schneller als erwartetem Einchecken im Hotel und flotter Verbindung nach Gelsenkirchen mit der dritten Band im Freitagsbilling, um sie noch mitzunehmen.
ROCK HARD FESTIVAL-Freitag, 26.05.2023
HOLY MOSES
wurden bereits im Jahr 1980 gegründet (vor den Big 4, SODOM, TANKARD und KREATOR!) sowie deren Vorgängerstadium als diese noch nicht so hießen. Auch DESTRUCTION kamen erst nach HOLY MOSES. Vielleicht sind HOLY MOSES die am längsten aktive Thrash Metal-kapelle der Republik, wenn auch soviel sei hierzu angemerkt, ohne Originalmitglied. HOLY MOSES sind allein deshalb wichtiger Bestandteil der German-Thrash-Bewegung, obwohl ihnen der große Durchbruch versagt blieb, der den 'Big 4' als Szenezugpferden gelang..
Begleitet an den Gitarren von den DESILANT-Bandmitgliedern Peter Geltat (Gitarre) und Thomas Neitsch (Bass), hinterm Schlagzeug sitzt Gerd Lücking, der u. a. schon live on Stage für TANKARD, COURAGEOUS und REBELLION die Klöppel schwang, kommt HOLY MOSES Frontfrau Sabina Classen als einzige der Urbesetzung stilecht in Kutte und schwarzer Spandex auf die Bühne, brüllt sich die Lunge heißer, ist ein ständig in Bewegung befindlicher Wirbelwind mit ihrem dreckig fiesen Silben verzerrend teils gar in den Death-Growl-Sektor tendierenden Organ. Die 'Grande Dame' des Oldschool-Thrash ist eine Ausnahmeerscheinung der Metalszene, sie genießt jeden Moment vom Heimspiel in vollen Zügen. HOLY MOSES bringen Stimmung in den Pulk! Ihre sympathisch ehrliche Art kommt jederzeit bei den Fans an. Sabina Classen sagt: „Rock Hard Festival - ihr seid die geilsten überhaupt eines der geilsten Festivals und ich finde es so krass, wie viele von euch schon am Freitag nachmittag hier sind. Mega, Mega, danke! Und ich muss schon sagen: 43 Jahre Holy Moses bin ich in dieser fuckin' Band und das hab ich nur euch zu verdanken“ (zeigt mit dem Finger ins Publikum, greift sich an die Brust), „Mein Herz geht an euch. Danke Gelsenkirchen! Danke Rock Hard Festival!“ Beinharte Oldschool-Thrash-Granaten Marke „Near Dark“; „Invisible Queen“, „World Chaos“, „Undead Dogs“ heizen das Stimmungsbarometer gewaltig auf. Anlässlich eines alten Thrashfegers kommt ein besonderer Gast auf die Bühne. Sabina macht die Ansage: „Lasst uns gemeinsam jetzt ins Jahr 1987 gehen...“ sie geht an den Bühnenrand wirkt etwas ausgepowert, spricht zunächst leise mit fast belegter Stimme, und mein Verdacht auf einen bestimmten Song erhärtet sich..: „Und ich sage euch ganz ehrlich, ich bin gerade sehr emotional, denn es wird jetzt jemand auf die Bühne kommen, mit dem ich 30 Jahre nicht auf der Bühne stande, aber der Mensch, der die ersten Hits von Holy Moses geschrieben hat, und ich weiß auch mit eure Lieblingsalben - und ich glaube ihr seht jetzt nur dieses T-Shirt, wenn da S.O.D. Draufsteht, - wisst ihr, wer das ist?“ Sabina ruft es feierlich ins Rund, und der angesprochene zeigt mit gespreizten Armen zu beiden Richtungen Hörnergabel: „Hier ist für euch Andy Claaaasen!“
Sabina ruft freudestrahlend: „Andy seid ihr alle bereit?“ (Kopfnicken des angesprochenen) - „Hier ist für euch... „Finished with the Doooogs!“ Andy Classen mit langem grauen Bart nimmt die Axt in die Hand... Sabina und Andy auf der Bühne singen den Chorus im Duett. Sie reicht ihm das Mikro, er brüllt die Schlagworte Dogs – (Sabina) everywhere Fear - in my brain (Andy) Pain - In my head Andy: High – (Sabina) voltage in my head! Andy bearbeitet die Gitarre, steigert sich in irrsinnigen Rausch, thrasht was das Zeug hält auf der Klampfe, kreischt den Text infernalisch ins Mikro, das ihm Sabina hinhält, die lächelnd das Feeling genießt, nach so langer Zeit mit ihrem Bruder gemeinsam auf der Bühne zu stehen, die Vergangenheit aufleben lassend. 'Finished With the Dogs wird zur einzigen Geschwindigkeitsorgie, dass kein Auge trocken bleibt! Im Rund herrscht mächtig Stimmung der Pit rotiert. „Jau! Andi Classen!“ Bruder und Schwester umarmen sich. Andy lächelt, hat den Gastauftritt genossen, und flüstert ihr ins Ohr ehe er die Bühne verlässt, wieviel Zeit noch verbleibt. Sabina nimmt den Faden auf:
„Ok, wir haben noch vier Minuten hab ich gerade gehört, wir müssen einen rausstreichen. Wollt ihr lieber „Live's Destroyer“ oder „Current of Death?“ Die Reaktionen fallen auf letzteren Song. „Ok, dann ist hier der letzte Song für euch „Current Of Death!“ Sabina und Bassist Thomas kommen sich fröhlich breit grinsend im Trippelschritt entegen– neben unbändiger Energie gehört ein wenig Spaß zum Auftritt. Faustrecken, Headbangen, Hörnergabel, - bei der quirligen Frontfrau gehört alles dazu, was Heavy Metal ausmacht. Zum Schluß dankt Sabina den Fans erneut und kündigt als Liveauftritt den 27.12.2023 in der Markthalle Hamburg einen ganz besonderen Termin an, - es wird der letzte HOLY MOSES-Auftritt sein, wo sie ihren 60. Geburtstag mit den Fans feiern will! Eingefleischte Thrashlunatics sollten sich den Termin mit Rotstift im Kalender vermerken.
VICIOUS RUMORS
Druckvoll Heavy dröhnen zu bester Nachmittagszeit die ersten rassiermesserscharf schneidenden Riffs von Bandurgestein Geoff Thorpe und Ex-AIR RAID-Gitarrist und Gunnar DüGrey durch's Rund, beide bilden eine richtig massive Gitarrenfront, deren rassiermesserscharfe Riffs so arttypisch VICIOUS RUMORS sind, wie sie es nur sein können!Ungemein dynamisch, spielfreudig, ausgeglichen präsentieren sich VICIOUS RUMORS im Amphietheater. Drummer Larry Howe und DÖD/Ex-AIR RAID-Tieftöner Robin Utbult bilden eine kraftvoll harmonische Rhythmussektion. Ex-METAL CHURCH-Frontmann Mike Munroe singt weitaus höher als beim KIT passt sein Stimmvolumen der Theatralik des auf klassischen Heavy/Power Metal fußenden Songmaterials an, womit dem Gesamtresultat das entscheinde Quäntchen Würze zufließt, welches ein VICIOUS RUMORS-Gig haben sollte damit Hämmer wie„Abandoned“, „Digital Dictator“, „Minute To Kill“, „Strange Behaviour, „Down To The Temple“ entsprechend Wirkung entfalten. Beide Gitarristen gönnen sich öfters mal den Ausflug zum Bühnenrand um Leadsoloeinlagen für das fleißig Matten schüttelnd, Fäuste in die Luft reckende Fanvolk zum Besten zu geben, das einem schwindelig wird, die bei VICIOUS RUMORS natürlich dazu gehören.
Viel besser als auf dem KIT finden VR auf dem ROCK HARD FESTIVAL zurück zu alter Stärke. „Lady take a Chance“ oder ein kurz vor Schluß noch gewaltig abgefeiertes „Soldiers Of The Night“ lassen überhaupt keinen Zweifel daran aufkommen! Das Metalvolk tobt! Wenn Geoff Thorpe den letzten Song regelrecht fordernd ins Mikro brüllt: „We'll give you everything we got, - you give me everything you got: Don't Wait For Me!“ ins Mikro brüllt, und danach eine Power Metal Rock n' Roll-Orgie einsetzt, die sich gewaschen hat, ist man als Fan danach glücklich aber fertig mit der Bereifung! Reiner US-Power Metal auf bockstarkem Level oder schlichtweg formuliert: VICIOUS RUMORS, wie man sie als Fan wertschätzt und mag. Nichts erwartet, angenehm überrascht. - Phantastischer Gig!
Nach der satten Power Metalvollbedienung steht eine ganz andere auf dem Programm, die in Sachen Death Metal...
BENEDICTION
Dave Ingram gehört zu der Sorte Frontmänner, die vor allem Death Metal Fans ein sicherer Begriff sein sollten, selbiges gilt insgesamt für BENEDICTION, die BOLT THROWER-Abteilung sollte den Name in jedem Fall kennen! Was ganz besonders bei BENEDICTION beeindruckt ist weniger die Geschwindigkeit, sondern die Verknüpfung mit schleppenden fast Doomlastigen Parts wodurch das Songmaterial erheblich Wiedererkennungswert bekommt. Hinsichtlich solcher extrem tonnen schwer walzenden sich mit Stakkatorifforkanen verbindenden Tempowechsel tun sich Parallelen zu den Holländern ASPHYX auf, die schon ähnliche Gastspiele auf dem ROCK HARD-FESTIVAL 2017 bzw. 2022 gaben. Neben tonnschwer tempogedrosselten Riffs schält sich eine das Tempo steigernde Death Metal-Walze heraus, die mit zerstörerischerer Brachialgewalt alles wegmäht.
Dafür sorgt auch das immerhin seit Bandgründungsdatum 1989 aktive aus allen Rohren feuernde Gitarrentandem Peter Rew/Darren Brookes, das eine tödliche Riffkaskade nach der anderen und filigrane Leadsoli aus den Äxten heraus holt, während Schlagzeuger Giovanni Durst mit Bassist Nik Sampson den wuchtigen Hintergrundteppich legt. Im rotierenden Moshpit wird sich nichts geschenkt. Da kann es draußen noch so brütend heiß sein, - BENEDICTION entfachen einen kompromisslos über den Rhein-Herne-Kanal hinwegfegenden Death Metal Sturm! Unabhängig ob Material aus frühen Demotagen, sowie der drei ersten Studioalben 'Subsconcious Terror'/'The Grand Leveller'/Transcend The Rubicon' bis zum letzten, 2020 veröffentlichten 'Scriptum' werden BENEDICTION ihrem Ruf samt aller in sie gesetzten Erwartungen gerecht. Schwerkaliber vom Typus „Vision in the Shroud“, „Unfound Mortality“, „I Bow To None“; „Nightfear“, „Progenitors of a New Paradigm“, „The Grotesque“ oder „Subsconcious Terror“ bringen die Masse zum Ausklinken! BENEDICTION sorgen vor gewaltig abgehender Fankulisse für eine kompromisslose Live- Demonstation reinster Oldschool-Death Metal-Lehre. Fazit: Brutale Death Metal Walze englischer Kategorie auf erstklassigem Niveau!
TRIPTYKON performing early CELTIC FROST
Das über dem Schlagzeug angebrachte 'To Mega Therion Bühnenbackdrop vom obskuren Künstler H. R. Giger lässt viel erwarten, gegen 21:30 mit Eintritt der Nacht wenn die Sonne am Himmel verschwunden ist, und sich der zunehmend Neumond am Himmel über dem Ambiente zeigt, steigt die Spannung ins Unermessliche. Nebel kriecht über die Bühne... elektrisierendes Knistern die Luft brennt... passend zu dem finsteren Elixier. TRIPTYKON bringen das gesamte Programm aus dem kultigen Früh-CELTIC FROST-Fundus mit bretthart alles niederreissenden Gitarrenwänden, ballernden Drums in dessen Zentrum der harrsche Gesang von Tom G. Warrior liegt. Die vier geben sofort mächtig Vollgas! Flankiert von der quirligen beständig Bass spielend ihre Haare schüttelnden Vanja Slaigh, zur linken und NONEUCLID-Ex-DARK FOTRESS-Gitarrist V. Santura zur Rechten und Drummer Hannes Grossmann (u. a. ALKALOID/THE FRACTURED DIMENSION) steht ihm ein schlagkräftiges Trio zur Seite, um den Triumph im Amphietheater am Rock Hard Festival-Freitag perfekt zu machen.
TRIPTYKON brettern sich durch einen alles vernichtenden Sturm garstig böser Finstersongs der frühen CELTIC FROST-EP's 'Morbid Tales' und 'Emperor's Return', kein Wunder, dass unten im Rund mächtig die Luzi abgeht, während sich weiter hinten auf den Rängen Nostalgie mit Staunen bei kraftvollem Headbanging einschließlich Faustrecken mischt. Auf den morbiden Tanz des Makabren („Danse Macabre“) folgt („Dethroned Emperor“ ausgenommen) mit „Into The Crypts of Rays“, „Visions Of Mortality“, „Procreation Of The Wicked“, „Return To Eve“ und „Nocturnal Fear“ die komplette Morbid-Tales EP (!) in knarrzig volumös-beissend kratzigem Oldschool-Sound, - fast so als würden CELTIC FROST hier stehen!
Mit allen Gedenktracks der 'Emperor's Return'-EP wird gewaltig nachgelegt... Auch der überall mächtige Bringer „Circle Of The Tyrants“ löst Faszination, Beklemmung und Exstase aus. Gerade bei diesem Stück schälen sich Parallelen zu den Floriada Deathern OBITUARY (ehemals XECUTIONER) heraus, die es ohne das Triple VENOM, POSSESSED und CELTIC FROST nicht geben würde. „Visual Aggression“ und „Suicidal Winds“ geben erneut kompromisslos auf die Ohren. Der Auftritt wird zum Triumphzug für Tom G. Warrior, dessen sympathisch ehrliche Ansagen zeigen, dass er trotz gereifterem Alters er selbst geblieben ist. „The Usurper“ vom 'To Mega Therion'-Debütalbum schließt den Set gewaltig ab.
TRIPTYKON performing early CELTIC FROST könnte überhaupt nicht näher weil unmittelbar direkter am Original dran liegen. Tom G. Warrior sagt, dass dieser Gig auch dem verstorbenen Ex-CELTIC FROST-Bandmitglied Martin Eric Ain (R.I.P!) gewidmet ist. Dieses ehrlich aus dem Bauch kommende Statement verfehlt seine Wirkung nicht, ohne den verstorbenen CELTIC FROST Bassisten wäre vieles bei CELTIC FROST anders gelaufen. CELTIC FROST mögen in der Tat Geschichte sein, was TRIPTYKON brachten, ist kein Gramm weniger bedeutungsvoll. Das Amphietheater wurde Zeuge einer Morphose zwischen 80erStyle und Gegenwart Nicht nur einzigartig, sondern geradezu legendär... fast wie CELTIC FROST..!
ROCK HARD FESTIVAL-Samstag 27.05.2023
Nach dem harten Festivalfreitag... geht’s gleich mal mörderisch heftig weiter. Gerade rechtzeitig angelangt, präsentiert sich bereits am frühen Nachmittag bei warmen Temperaturen eine Band, von der ich mir kürzlich auf einem anderen Festival ein Bild machen konnte, die einen Wahnsinnsabriss liefert, der schon fast erhahnen lässt, dass sie nächstes Mal wenn ihre Fanschaar erheblich gestiegen ist, beim ROCK HARD FESTIVAL nicht mehr so früh auf die Bretter müssen...
KNIFE
liefern ein irrsinniges Black Speed Thrash-Inferno dass wieder mal kein Auge trocken lässt. Anhängerschaft knallharter Abrisskommandos Marke BÜTCHER, MIDNIGHT und BEWITCHER sowie Oldschoolthrashlunatics bekommen die pure Vollbedienung. Schon zu früher Nachmittagsstunde sorgen Nackenwirbelzersetzer vom Kaliber „I am The Priest“, „Black Leather Hounds“, die Bandsignaturhymne „K.N.I.F.E.“ und „Sacrifice“ für ein trotz spürbarer Hitzetemparaturen mächtig abgehendes Publikum, dessen wahnsinniger Stimmungspegel bis weit über den Rhein Herne-Kanal herausdringt. Das Stageacting des Marburger-Vierers packt ebenso wie die Ansagen von Sänger Vince Nihil, die sich u. a. gegen die Machenschaften faschistischer Kriegstreiber richten.
Da steckt reichlich Message mit Aussagekraft drin! So viele Leutchens am Frühnachmittag im Gelsenkirchener Amphietheater sind selbst beim bewähren ROCK HARD FESTIVAL nicht alltäglich. KNIFE bleiben mit ihrer straight nach vorn gehenden von knallender Wucht bei mörderischem Tempo angetriebenen Performance sicherer Garant für fetzigen Extremmetal. Bleibt nur noch festzustellen, dass die kein Gramm weniger aggressiv-rotzräudig wie die besten Oldschool-Thrashacts ballernden Marburger nächstes Mal wenn sie nach Gelsenkirchen zu Gast kommen, wovon auszugehen ist, nicht mehr ganz so weit oben im Billing angesetzt stehen. - Steiler Auftritt!
DEPRESSIVE AGE
haben mir damals nicht gelegen und tun es trotz Comebacks nicht, weshalb ich mir Kräfte schonende Auszeit einschließlich Spaziergang über den Markt genehmige.
Randnotizen:
Dadurch, dass NESTOR gezwugenermaßen ihren Flug canceln mussten, verschiebt sich das weitere Programm erheblich. Statt an dritter Position rücken die Berliner DEPRESSIVE AGE an Stelle von NESTOR als dritte Band im Samstagbilling nach vorne auf. Kleine Anekdote als Unterhaltung für Zwischendurch: Eine junge Dame meint es mit dem Crowdsurfing megaheftig übertreiben zu müssen, nach etwa knapp dem halben Dutzend wird sie beim nächsten Crowdsurfing-Versuch zwar in die Höhe gehoben, doch zu ihrer Verwunderung vom Fanpulkt anstatt in Richtung nach vorn zur Bühne in die andere Richtung nach ganz hinten bis zum DJ-Pult weiter gereicht. Ihrem ungläubigen Blick lässt sich ablesen, dass sie in dem Augenblick als ihr Körper in die Gegenrichtung gedreht wird, nicht so recht weiß wie ihr geschieht, bis sie registriert, was gerade abläuft. Danach ist die Dame nicht mehr aktiv am Crowdsurfing beteiligt, die Patientin entsprechend kuriert. Das nennt sich jemandem amtlich einen Denkzettel verpassen... hahaha! Die Spezialeinlage sorgt auf den Rängen für zahlreiche Lacher und ganz ehrlich, dass kann sich auch das verfassende Individuum dieser Zeilen kaum verkneifen... Geil!
Während des SODOM-Auftritss begibt sich folgende Situation auf den Rängen:
Den Abstieg seiner Lieblingsfußballsmannschaftvon der 1. in die 2. Bundesliga kommentiert Tom Angelripper süffisant mit den Worten: „Fußball brauchen wir heute nicht, lieber Musik!“ Augenzwinkernd lächelnden Patriotismus für den FC Schalke 04 kann er sich trotzdem nicht ganz verkneifen und fügt an... - „Aber ihr seid ja auch Gelsenkirchen-Fans.“ „Deeeer ändert sich nie...“; brummt jemand kopfschüttelnd hinter meinem Rücken. „Ne, brauch er auch nicht“, lautet mein Kommentar dazu. Für solche Sprüche ist Tom Angelripper ohnehin bekannt.
VOIVOD
Eigentlich sollten die Punk-Urgesteine von DISCHARGE am Samstagnachmittag um 16:55 im Amphietheater aufschlagen. Die Band musste aus gesundheitlichen Gründen, wie es laut Veranstalter heißt absagen, weshalb im letzten Moment mit VOIVOD noch für hervorragenden Ersatz gesorgt wurde, damit es keinen Ausfall im Billing zu beklagen gibt, erweisen sich VOIVOD als guter Griff für's Festival.
VOIVOD gibt es auch schon seit 42 Jahren, die Band ist immer noch fleißig aktiv. Mit Drummer Away und Sänger Snake blieb immerhin die Hälfte der Urformation übrig. Im Vergleich zu den vorherigen Bands ist der Sound bei den Sci-Fi-Thrashern wesentlich leiser. Aberwitzige Tempowechsel und Futuristisches Flair im Progressive Thrash-Gewand lassen das auf VOIVOD eingeschworene Publikum nicht kalt, wenngleich der Sound gerade bei den Gitarren den gesamten Set über etwas leiser aus den Verstärkern dröhnt. War das tatsächlich so beabsichtigt oder hat es die Soundcrew schlicht verpennt? Irgendwie passt der verwaschene Sound zum Gig, dann wahrscheinlich ersteres. VOIVOD stehen für sich, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel; entweder man mag die progressive Space Thrasher oder macht einen Bogen um VOIVOD. Abgesehen davon präsentieren sich Roky, Chewy, Snake und Away auf der Bühne als hervorragend aufeinander eingespieltes Team, was nicht zuletzt der Spielfreude des kanadischen Vierers geschuldet sein mag, dessen energiegeladenes Stageacting dazugehört . Ein Song wird auch dem verstorbenen VOIVOD-Gitarristen und Bandgründer Piggy (R.I.P.) gewidmet, ohne dessen Zutun VOIVOD wohl nicht dort stünden, wo sie heute angelangt sind.
Handwerkstechnisch ist die Ahornblattcrew mit vorzüglich dargebotenen Sci-Fi-Knallern Marke „Killing Technology“, „Rebel Robot“, „Holografic Thinking“ sowie der zum Schluß kommenden Bandhymne „Voivod“ eine sichere Bank.
BRIAN DOWNEYS ALIVE AND DANGEROUS
Das über der Bühne hängende Alive and Dangerous-Logo lässt im ungefähren erahnen, was innerhalb der nächsten sechzig Minuten kommt.Sänger/Bassist Matt Wilson sieht dem legendären Phil Lynnott nicht nur optisch gesehen unglaublich ähnlich, auch die Art von Bassspiel und Gesangsfärbung sind regelrecht authentisch zum Idol. Dem Bandname verpflichtet, spielen BRIAN DOWNEYS ALIVE AND DANGEROUS das gesamte Alive and Dangerous-Album von 1978. Die 70er Hard Rockabteilung feiert fleißig im Gelsenkirchener Apmphiehtheater mit THIN LIZZY Ursprungsmitglied Brian Downey das 1978er Alive and Dangerous-Album, das zu den großen Liveglanztaten des 70er-Zeitgeistes gehört. Die Gitarren von Joe Merryman/Michael Kulbaka röhren herrlich schön erdig, während Bandmastermind seine routiniert sichere Drumkelle schwingt. Angefangen mit dem Rocker „Are You Ready?“ verteilen BRIAN DOWNEYS ALIVE AND DANGEROUS eine mit jedem Ton mehr Lust auf hand gemachte Rock-Musik aus den 70ern weckende Wundertüte klassischen 70er Hard Rock umgarnt von irischem Folkspirit.
Ob Abenteuerhymne -„Emerald“, BOB SEEGER-Cover „Rosalie“, der „Cowboy Song“, „Warriors“, „Still in Love With You“, „Dancing In The Moonlight“, „Johnny The Fox“ (mit heroisch gesprochenem Intro), „The Boys are Back in Town“, „Black Rose (Roisin Dubh)“ bis zum überragenden das gesamte Amphietheater mitreissend fesselnden Cover des weltberühmten Irish Folk-Traditional-Songevergreens „Whiskey in the Jar“ knistert die Luft. An diesem schönen Vorsommerabend ist alles vertreten, was eine magisch fesselnde Hard Rock-Stunde auszeichnet. Rhythmus und Beat umrahmt von Freheitsgefühl und traumhafte Leadsoloschleifen, erzeugen großartiges Live-Flair.
Vor dem, was THIN LIZZY Schlagzeuger Urgestein Brian Michael Downey, Zeitzeuge vergangener Tage sowie Legende heutiger Gegenwart und seine LIVE AND DANGEROUS-Crew auf der Amphietheater-Bühne leisteten, muss man respektvoll den Hut ziehen! Ein echtes Highlight auf dem klassischen Hardrock-Terrain, dass reichlich viel Spät-70er-Spirit von Irland nach Gelsenkirchen transportierte. Zeitlos nostalgisch, mit jedem einzelnen Song berauschend!
NESTOR
kommen bedingt wegen bereits erwähnten Umstandes als drittletzte Band im Billing vor den zwei Thrash-Institutionen. Ob das wohl etwas geben würde? 1989 gegründet, 2021 wieder neu gegründet, schwimmen die Schweden auf einer ungeahnten Erfolgswelle. Überzeugt von den enormen Live-Qualitäten der Band auf dem KIT RISING I überwog mein inneres Gefühl, dass NESTOR selbst in dieser Position im Festivalerprobten Amphietheater knackig punkten. „Kids In A Ghost Town“ markiert den kraftvollen Einstieg, NESTOR spielen sich mit ihrem poppigen direkt an Kinofilme und Serien wie Miami Vice, Night Rider, Rocky oder Top Gun erinnernden Melodic AOR-Hard Rock selbst in die Herzen der Fans.
Ähnliches gelang schon der wesentlich mehr diverse Instrumentierung setzenden Kollegschaft THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA, bei NESTOR liegt der Fall jedoch anders. Alles ist simpel, geradlinig von Eingängigkeit inklusive catchy Refrains beseelt. Das heftig überseelastig von US- und Kanada-Combos geprägte im 80er Stil gehaltene Songmaterial wirft literweise Adrenalinstöße in die Location. Größen wie JOURNEY/TOTO/LOVERBOY, nicht zuletzt ganz deutlich: SURVIVOR sind bei NESTOR musikalisch wie im Geiste präsent. Kraftvoll eingängige Hochkaräter-AOR-Rockhymnen Marke „“On The Run“, „Perfect 10“ (Eyes Like Demy Moore) „These Days“ oder „Firesign“bringen das Rock Hard-Fanklientel stufenweise in Fahrt: Mit den letzten zwei Songs folgt ultimativer Stimmungskick auf höchstem nicht mehr zu toppendem Level: „1989“ und ganz am Schluß der Charthit „I Wanna Dance With Somebody“ von R&B/Soul/Popikone WHITNEY HOUSTON im knalligen Stadion-Rockformat wo die Stimmung in jeder Hinsicht überkocht bringen ein vielschichtiges Publikum von Hard Rock und Metalfans unterschiedlichster Stilrichtungen kräftig headbangen regelrecht zum Ausrasten, durchdrehen und frenetisch abtanzen! Vokuhila-Frisurträger und Mantafahrer Tobias Gustavsson sowie dessen motivierte Adult Orient Rock-Crew haben auch in Gelsenkirchen wieder alles richtig gemacht. - Chapeau!
SODOM
heftiger könnte der Kontrast zum nächsten Act, dem Co-Headliner kaum sein. SODOM dürfen den Pott nach allen Regeln der Kunst auseinander nehmen. Munition dafür haben sie genug. Signalisiert der kompromisslose Einstieg mit „Nuclear Winter“ sofort wo es lanngeht, schließen sich weitere Granaten aus dem Hause SODOM einschließlich Tom Angelrippers schrägem Spruchrepertoire an.
SODOM hauen einen Thrash-Hammer nach dem anderen raus, bringen nahezu wortwörtlich 'den Pott zum Kochen' darunter ganz altes Zeug der frühen Ära – Auf „Nuclear Winter“ folgen „Outbreak Of Evil“, „Sodomy and Lust“, „Blasphemer“ und natürlich generell unverzichtbar „Agent Orange“! Bei der mit jeder Strophe berechtigten Kampfansage gegen den Vietnam-Krieg inklusive Einsatz schädlicher Entlaubungsmittel tobt ausnahmslos die ganze Location! „Sodom and Gomorrah“ vom 2020er-Album 'Genesis XIX' vollzieht gelungenen Brückenschlag zu den ruppigen frühen Alben, an Stelle von „Tired and Red“, „Magic Dragon“ oder dem tempo gedrosselten Kriegsgefallenen-Gedenkapell „Remember The Fallen“ wird ein geradlinig alle Gehörgänge ruppig brutal freiblasendes „Incest“ gebracht“.
Für weitere Überraschungen eines die Höchstzahl an Publikum erreichenden das Amphietheater in der Tat gewaltig durchschüttelnden Heimspiels garantieren selten bis überhaupt noch nicht gebrachte Nummern wie „Book Burning“, „Silence Is Consent“, „Conflagration“, „Caligula“ und „Equinox“. Das TANK-Mitbegründer Algy Ward (R.I.P.) vor wenigen Tagen verstarb, lässt auch Tom Angelripper nicht unberührt, der zuvor den Einfluss dieser Band als für ihn heute noch wichtig hervorhebt. Das TANK-Cover von „Don't Walk away“ folgt auf dem Fuße.Einzig Bombenhagel wird am Ende übelst versemmelt, doch stört's keinen mehr Hauptsache SODOM haben das Ambiente in Grund und Boden gethrasht! Und wie!
Beste Band vom ROCK HARD-Samstag, diesmal auch ohne Specialgig wie beim KIT, waren SODOM ein echtes Festival-Highlight. Tom Angelripper & Co. wurden ihrem Status im Rahmen eines gelungenen, das gesamte Ambiente völlig auf den Kopf stellenden Heimspiels eindrucksvoll gerecht. - Welch ein Thrash-Manifest!
TESTAMENT
müssen wie schon beim letzten Mal 2014 mit Soundproblemen kämpfen, und es erschließt sich keineswegs, warum jedesmal gerade bei TESTAMENT so ein Murks fabriziert wird (?!?) Unüberhörbar fordernde „Lauter, Lauter“-Sprechchöre aus der Publikumskulisse dringen berechtigtermaßen durch's Rund. Immerhin bekommen der Soundmensch das Problem dieses Mal besser in den Griff als 2014, wo der Sound trotz motiviertem Auftritts der Bay Area Thrasher beinahe durchweg schlecht war. Alte Thrashgranaten wie „The New Order“ zünden effektiv. Mit „Practice What You Preach“ kommt die nächste vom kultigen Drittwerk stammende Kampfansage bei der Chuck Billy betont, das man nicht nur reden, sondern praktizieren soll, wovon gepredigt wird, wobei er das Publikum in den Kontext einbezieht, dem er zu verstehen gibt: Amphietheater! All Of You are practicising what' You've preach! Amphietheater, Alle von euch praktizieren, was ihr predigt!“
Eric Peterson muss in Gelsenkirchen auf seinen Partner an der Leadgitarre Alex Skolnik verzichten, weil familiäre Gründe ihn zwangen, die Tour abzusagen. Für die restlichen Dates wurde VIOLENCE-Axeman Phil Demmel als Springer verpflichtet, der zusammen mit Eric Peterson auf der Bühne steht und seinen Job prima erledigt. Beide bilden eine versiert aufspielende Axemenfraktion. Für Ex-SLAYER-Drummer Dave Lombardo der 2022 bei TESTAMENT hinter den Kesseln schon längst nicht mehr dabei ist, sitzt mit Chris Dovas ein Mann hinter der Schießbude, der sein Metier kennt, dessen Schlagzeugspiel arschtight und sicher ist. Mit dem langen Steve DiGeorgio steht ihm ein erfahrener Bassist zur Seite. Bandmastermind Chuck Billy verbreitet gute Laune auf der Bühne, nimmt sich gern mal die Minute Zeit für lockere Ansagen, und ist kräftig bei Stimme.
Gerade im zweiten Teil wo ein halbes Dutzend Thrashbretter aus früheren Zeiten („Over The Wall“, „Disciples Of The Watch“, „Alone In The Dark“) den Pott mächtig außer Rand und Band bringen, zieht der Bay-Areafünfer alle Register seines Könnens, zeigt spieltechnisch Klasse, kommt gut in Schwung.
Bevor „Into The Pit“ in den Pulk geschmettert wird, deutet Chuck Billy lächelnd mit dem Finger auf den Pit und sagt: „Oh I see a Pit here, it's a very nice Pit... the next Song is for you... here comes Intooo theee Piiit!“ Die gestandenen Bay Area-Thrasher können selbst nach Top-Headiner Auftritt von SODOM trotz dessen superbenHeimspiels hervorragend punkten, da wären viele andere Acts gnadenlos untergegangen. TESTAMENT hielten dem heftigen Ruhrpottgewitter stand. Als Headlinging-Act sie liegen unmittelbar auf Augenhöhe zum Co.Headliner SODOM, woran sich zeigt, warum TESTAMENT gerade in den letzten Jahren zunehmend an Beliebtheit gewannen, zu einer im Thrashbereich unverzichtbar wichtigen Größe wuchsen. - Practice What You Preach? Definitiv! - Well Done, TESTAMENT!
ROCK HARD FESTIVAL-Sonntag, 28.05.2023
Rechtzeitig zur ersten Band im Rund angekommen, zieht es mich sofort zur Bühne. Die nächste Band will ich endlich live sehen. Kaiserliches Wetter führt mich zur Metalband aus der Kaiserstadt vor die Bühne in den Schatten unter's Dach.
IRON FATE
Schon früh zu brütender Mittagshitze schlagen IRON FATE im Gelsenkirchener Rund auf, mit dem vielleicht besten Traditions-Heavy Metal Sänger hierzulande, Dennis Brosowzki geschmückt von dem Spitzname „Iron Ivan“ klingt wie der zweite Geoff Tate, sämtliche Mimiken, Ansagen, Posen haben internationales Format. Augen zu genießen... QUEENSRYCHE... (!) nein IRON FATE, aber mit deutlichen QUEENSRYCHE-Influenca, hinzu kommt ein kräftiger Schuß OMEN, FIFTH ANGEL und LEATHERWOLF, in deren grober Schnittmenge sich die Band bewegt. „Iron Fate, Iron Fate, Iron Fate“ Schlachtgesänge dröhnen im weiteren Verlauf durch's Rund, was die Goslarer in vollen Zügen genießen. Aufforderungen zu Faustreckbewegungen und 'Hey, Hey, Hey' Anfeuerungsrufen kommen die Fans munter nach. Mit soviel Publikum hätten IRON FATE niemals gerechnet. Die Goslarer werden fleißig von der eifrig mitgehenden Fanschaar unterstützt.
Starkes Songmaterial bei dem vereinzelte Proganteile herausstechen, haben IRON FATE genügend mitgebracht. Ein beschwörend heroisches “Crimson Messiah“, der von kräftigen Backingvocals flankierte in trauerleidendem Pathos schwimmende Hexenhammer - Malleus Maleficarum setzt Akzente mit gesellschaftskritischem Unterton „Strangers (In My Mind)“ sorgt als halbbaldeske für bezaubernde Airplay-Ballade im QUEENSRYCHE/tempogedrosselt mystisch melancholischen METAL CHURCH/CRIMSON GLORY-Modus für gewaltig Stimmung inklusive heftiger Gänsehaut, denn am Schluß wird nocheinmal kräftig das Tempo angezogen. Die Gitarrenfraktion Harms Wendler/Oliver von Daak post zwischendurch demonstrativ mit in entgegen gesetzt in die Luft gehaltenen Klampfen. „We Rule the Night“ kommt von druckvollen Riffs auf hardrockigem in Richtung DOKKEN/FIFTH ANGEL plus zeitweise IRON MAIDEN-Gedächtnispassagen schielendem Faible, „Walk in the Shadows“ bringen ordentlich Stimmung rein. Schade, dass keine Zeit für's BLACK SABBATH-Cover „Lost Forever“ blieb... Von Zugaberufen und kräftig Applaus verabschiedet geben IRON FATE die Bühne frei. Danach sind sich viele Fans einig – das war fabelhaft und hätte gerne länger gehen dürfen... Toll!
UNDERTOW
Zur nächsten Band UNDERTOW geht’s zwischendurch den Hunger stillen, Groove Thrash ist nicht mein Ding, – Zeit für Essen fassen – Ohne Mampf, kein Kampf!
WUCAN
Auch mit verkürztem Set sind WUCAN eine Live-Macht, die man immer überall auf der Rechnung haben muss, infolge dessen darf der Soundcheck schon mal ein wenig länger dauern, dann geht es los. Hinter mir höre ich jemanden sagen die klingen wie JETHRO TULL...“ „wenn du wüstest, was da alles drin steckt...“ denk ich mir innerlich kopfschüttelnd bei der Bemerkung. Alle sind gespannt, das Rund füllt sich allmählich mit Leuten. Statt gemischter Setlist nutzt der Dresdenvierer das Zeitlimit zur Vorstellung des kompletten aktuellen Albums Heretic Tongues. Ketzerisch? Gewagt, experimentiell und richtungsweisend. Wer ein solch bären starkes nur feines Material beinhaltendes Album veröffentlicht, darf es verdienter maßen auch bringen! Frontfrau Francis zieht im verführerischen Sternentop und Hotpants-Outfit zahlreich Blicke auf sich, ehe sie zur Flöte greift, damit erwacht die exzessive Livemusikerin in ihr, um sich mit irrsinnigem Charisma einer besessenen gesegnet, zu vereinen. Gitarrist Tim George lässt lieber flexibel die Gitarre mitsamt dazugehörigem Posing sprechen und bedient zwischendurch das Keyboard. Schlagzeuger Tim Knöfel haut extrem taktsicher auf Becken und Felle, während Alexander Karlisch den ruhenden Pol in der Band markiert, der sein Instrument sicher bearbeitend mannschaftsdienlich spielt. Francis ausdruckstarker Gesang findet durch ihre drei Mitmusiker von Backing-Vocals flankiert, Unterstützung.
Auch das Wetter strahlender Sonnenschein leicht bewölkt, blauer Himmel, meint es gut mit dem Dresdener Quartett. Ein auf der Bühne stehendes Theremin weckt Neugier, was ist das? Ein Äetherwelleninstrument, das auch in moderner Musik, bei Popmusik und gar in Science Fiction-Filmen zum Einsatz kommt. Durch Franzis' Handbewegungen werden Schwingungen in Töne umgewandelt, öfters greift sie selbst gern zur Gitarre, rockt zusammen mit Tim George kernig hart und heavy!
Der Band ist die Konzentration verbunden mit Motivation am Gig anzusehen. Francis gibt die geborene Entertainerin, sie bekommt überall ihr Publikum sicher in den Griff; daran führt kein Weg vorbei. Ob sie klar singt, laut wie eine Furie brüllend schreit oder sich leiser Tonlage hingibt – die WUCAN-Fronthexe zieht alle Register ihres Könnens. Heavy vorgetragene Hymnen wie der vom Titel schon mal an die legendären RAINBOW erinnernd fulminante Liveopener „Kill The King“, von galoppierenden Beats voran getriebene Gesellschaftskritisch Hintergründe ans Tageslicht bringende Gitarrenriffstampeden („Fette Deutsche“), Hymnenkracher „Don't Break The Oath“ sorgen für Gänsehaut im Rund. Selbst 80er Jahre Beats (Far and Beyond“/“Far Beyond until we met again“) lassen kräftig bis zum Schluß mitgrooven. Danach verlassen WUCAN die Bretter über'm Rhein Herne Kanal.
Ketzerische Zungen sprechen dynamisch zum Volk, 45 packende Minuten vergehen wie im Flug. Den Tribut für ihren ehemaligen Mentor KLAUS RENFT plus Band (KLAUS RENFT COMBO) feiern die Fans kräftig ab, manch altlinke sind linkisch augenzwinkernd am Grinsen. Ohne Schlußakkord verlassen WUCAN die Bühne nicht, den gibt’s noch in der gedehnt über zwölfminütigen Mixtour aus Rock, Jazz, Blues, Funk, Beat und Spaceeffekten, womit sich WUCAN wahrlich gebührend vom Amphietheater verabschieden. Phantastisch! Feuerprobe im Thrashzentrum erfolgreich bestanden, verlässt das Heavy Flute Rock-Quartett die Bühne als Sieger.
Gelsenkirchen mag vielleicht nur Zwischenstation für das sympathische Dresdener Quartett gewesen sein, doch eine ziemlich wichtige, denn wer dort besteht, hat das Zeug zu großem und bei WUCAN ist das keine Frage der Zeit mehr, sondern mit jedem ihrer Auftritte Realität. - Um WUCAN zu toppen, muss man etwas können!
LEGION OF THE DAMNED
Was wäre besser für den Ruhrpott geeignet als Thrash Metal? Bei LEGION OF THE DAMNED wissen Fans, was sie bekommen und kriegen es in jeder Hinsicht knüppelhart vor den Latz geballert. Bevor es losgeht sorgt mal kurz ein zu hörender Choral von DEAD CAN DANCE (manna e manna meina, meina, madu damadu) die Stimmung auf. Ein mit Totenschädeln, Monster und Cruzifixen gespicktes Bühnenbackdrop zeigt, was danach zu erwarten ist: Kompromissloser Thrash Metal, der keinen Stein auf dem anderen lässt. Davon schenken „Son Of The Jackal“, die Bandhymne „Legion Of The Damned“, „Beheading Of the Godhead“ und „Poisoned Chalice“ genügend aus.
Hollands Oldschool-Thrashbrigade tut, was sie am besten kann, macht keine Gefangenen, hobelt straight ihr brutal ballerndes Brett runter, genießt die Stimmung vom Ambiente und hat abermals gezeigt, dass sie zu der Sorte Thrashkapellen gehört, wo der Inhalt hält, was er verspricht. - Fett!
ENFORCER
werden mit den Worten das jetzt 'pure Metal Mania' herrscht, angekündigt, auf welche Band trifft dies mehr zu, wenn nicht auf diesen furiosen die Bretter zerlegenden von Leadgitarrist/Sänger Olof Wikstrand angeführten Heavy/Speed-Vierer aus Wasaland. Mit gekonnt spritzigem fast halsbrecherischem Stageacting stellen die Schweden in Sachen Beweglichkeit wieder mal so ziemlich alles in den Schatten. Dazu kommt eine hervorragend aufgelegte ständig die Seite wechselnde Gitarrenfraktion bestehend aus Olof Wickstrandund (Gitarre, Gesang), Jonathan Nordwall (Gitarre) und Garth Condit am Bass, während Schlagzeuger Jonas Wickstrand seine Vordermannschaft mit kraftvollem Schlagzeugpunch Dampf unterm Hintern macht. Hymnen vom Hitalbum 'From Beyond' wie „Destroyer“, „Undying Evil“ „Beyond The Slumber“ (hochgradig dramatisch, eingeläutet von einer verlängerten Gitarrensoloeinlage) finden sich im Set. Weitere Perlen vom Zweitwerk Diamonds und dem dritten der Band erst ihren Weg Release 'Death By Fire' „Death Rides This Night“,“Running in Menace“ „Mesmerized By Fire“, „Katana“ und ein gewaltiges „Take Me Out Of This Nightmare“ gehören zu der Art Stücken die ENFORCER-Fans lieben, denen es weder an Energie noch unbändiger Heavy/Speed-Dynamik fehlt. Zahlreich wirbelnde Haarmähnen, und manches in die Luft steigende Crowdsurferpig verdeutlichen, wieviel Spaß die Schweden am Gig haben, - sechzig Minuten reine Metalmania ausnahmslos am Stück. - Wie wahr!
Dazu gehört das Olof Wikstrand bei Speedgewittern der Kategorie frenetisch Wirbelnde Haarmähnen, einen Moshpit, mitgröhlende Fans und Fäuste fordert, die ihm ein Großteil des anwesenden Publikums nur allzu gerne zuwirft. „Zenith Of The Black Sun“ vom fünften Albumrelease 'Zenith' und „Coming Alive“ brechen zwischendurch aus der Phalanx aus, können gegen das alte Songmaterial zumindest annehmbar bestehen. Am besten zünden allerdings die Heavy Speedraketen der wilden Bandfrühphase „Katana“, „Death By Fire“, „Running in Menace“ oder „Mesmerized By Fire“. Unüberhörbar laut über den Rhein-Herne-Kanal dringende Zugaberufe vor Beeindigung des regulären Sets geben deutlich Signal!
ENFORCER haben ihren Ruf als bärenstarker Live-Act in Gelsenkirchen bestätigt. „Midnight Vice“ vom 'Diamonds'-Zweitling, ein Song, der ihnen erst den Weg zu höheren Weihen ebnete, wird zum Schluß riskanterweise reichlich spät gebracht, völlig zu Recht bekommen ENFORCER bei aller Liebe zur Metal Mania (!) noch rechtzeitig den Stecker gezogen, (Olof's Schlußansage verhallt im Nichts) spielen aber trotzdem weiter, obwohl sie keinen Saft mehr haben, was überhaupt nicht nachvollziehbar ist, weil es Auftrittszeiten anderer Bands unnötig nach hinten (ver)schiebt! Obwohl sich ENFORCER in Gelsenkirchen erwartungs gemäß mal wieder keine Blöße gaben, hinterlässt solches Verhalten gegenüber anderen Bands bei aller Qualität leicht säuerlichen Nachgeschmack. - Uuuuaaaarrrrgggghhhh!
TANKARD
feiern ebenfalls 40. Dienst-Jubiläum und mit den Frankfurter Thrashern zahlreiche Fans im völlig außer Rand und Band geratenten Amphietheater. Gerre's Ansagen und sind sympathisch ehrlich wie von TANKARD nicht anders gewohnt...
Mit dem Auftaktdoppel „Rectifier“, „The Morning After“ geben TANKARD gleich mal richtig viel Gas. „Rules For Fools“, „One Foot In The Grave“ und „Octane Warriors“ untersteichen danach umso mehr, dass TANKARD mehr auf der Pfanne haben als nur 'Bierthrash' zu bringen. Danach geht’s mit gesunder Imagepflege weiter, d. h. zweimal Albumtitelklassikeralarm „Chemical Invasion“ und „Zombie Attack“ - Das Ambiente auf den vorderen und teils hinteren Rängen einschließlich unten rotierender Moshpitblase tobt! „Beerbarians“ lässt nichts anbrennen. „Space Beer“ wird heute nicht ausgeschenkt. Gerre's Ansagen sind über weite Strecken Kult, der Frontmann eilt von einer zur anderen Bühnenseite muss zwischendurch immer mal kräftig verschnaufen. Das einzige was aufgesetzt wirkt sind zahlreiche von dem seit geraumer Zeit zum Trend mutierten Wort „Fuck“ begleitete Ansagen, es wird irgendwann uncool. Bassist Frank Thorwarth und Gitarrist Andreas Gutjahr bilden eine stramme Gitarrenfraktion, letzterer extrem beweglich, rifft und soliert aberwitzig, Olaf Zissel hämmert hinter der Schießbude wie ein Besessener.
Von ihrem Bierthrasherimage kommen TANKARD selbst wenn sie es gern würden, nicht ganz los; dafür haben sie zuviel Songmaterial über Gerstensaftkaltschale im Set. Bestes Beispield dafür gibt...die von Gerre nur allzu gern erzählte Geschichte dieses bestimmten Mädchens namens... „Hey du da, du wirfst mir die ganze Zeit verliebte Blicke und Küsse zu. Sag mal hast du keinen Freund?“ Das riecht glatt nach... „A Girl called... Cerveza!“ steigert exzessiv den ultimativen Partyrausch... Cerveza heißt auf spanisch nichts anderes 'Bier' und alte Liebe rostet bekanntlich nicht, davon wissen TANKARD dieses Liedchen zu singen... und welcher Bierkrug-Bandklassiker gehört als Rausschmeißer unverzichtbar dazu? „Empty Tankard“! Während des Stückes kommt HOLY MOSES Frontfrau Sabina Classen auf die Bühne um Gerre gesanglich Unterstützung zu geben. Danach ist Schicht im Schacht meine Kehle wird allmählich wieder trocken... auch ohne Bier.
TANKARD haben eine wirklich geile Show hingelegt, die umso mehr unterstrich, wie gut alte Säcke thraschen, sofern Publikum, Sound und Ambiente stimmen. 40 Jahre TANKARD na dann mal hoch die Krüge, Flaschen, Becher und Tassen!
Gerre bedankt sich mehrmals beim treu zur Band stehenden Publikum, dass der Bierkrug noch lange nicht leergeschöpft ist, dafür sorgt die druckvoll angeblueste Thrashrakete „Empty Tankard“ am Schluß, um das Amphietheater-Publikum in prächtiger Feierlaune für den Restabend zu entlassen, während eine viel zu kurze Umbaupause den als nächstes der Bühne Hallo sagen müssenden Melancholic-Progstern KATATONIA eine ziemlich ungünstige Ausgangsposition verschafft, von dem TANKARD-Gig sind viele ziemlich platt und nach ihnen spielen MSG als klassischer Hard Rock-Topact zum Festivalfinale auf. Für mich ist ein Spaziergang über Markt und Außengelände zwecks dringender Akkuaufladens fällig...
KATATONIA
von den Schwedischen Progressive-Dark Metallern KATATONIA bekomme ich nur noch fünfzehn
Minuten mit, danach ist finito und es wartet zwecks ZuckerVitaminschub - die nächste Sprite (!?!) um bei Kräften zu bleiben.
MSG
Obwohl die Besucheranzahl sinkt, können MSG den Auftritt als Erfolg verbuchen. „Doctor Doctor“, „Lights Out“ (in London), „Let It Roll“, „Shoot, Shoot“ oder „Armed and Ready“, Knaller bei denen 70er-Hard Rock Fetischisten auf Wolke sieben schweben... und weil die Band als harmonische Einheit wirkt, Michael Schenker seine Eskapaden weglässt, stattdessen sinngemäßer auf der rechten Bühnenseite stehen bleibend mannschafts dienlich Gitarre spielt, Sänger Ronnie Romero der Hardrockfans von RICHIE BLACKMORE'S RAINBOW oder VANDENBERG oder seit dem MSG-Studioalbum 'Immortal' ein sicherer Begriff sein dürfte, meistert sämtliche Hochtonlagen und schafft es mit viel Hingabe und zugehörigem Bühnencharisma das verbliebene Publikum bis zum Ende zu fesseln.
Bei solch Generationsübergreifender 70er Hard Rock-Musik leben DEEP PURPLE, WHITE SNAKE, RAINBOW-, UFO-,SCORPIONS-mögende Fangenerationen auf. Damit feiert das Amphietheater den tollen Abschluß eines phantastischen 3-Tages-Festivals, das jederzeit einen Trip in den Ruhrpott lohnt, zum cremigen Wochende werden lässt. Michael Schenker war auch schon mit dem dem TEMPLE OF ROCK im Amphietheater zu Gast.
Der begnadete Gitarrist hat Spaß am Auftritt, rifft und soliert vom Allerfeinsten und seine Livecrew harmoniert prächtig wodurch der Auftritt sich zum packenden Hard Rockspektakel entwickelt. Beim UFO-Finale Rock Bottom, „Too Hot To Handle“ und „Only You Can Rock Me“ geht nocheinmal der Rock n' Roll-Express ab, danach bleiben die Lichter an. MSG setzten als würdiger Headlining-Act gelungenen Abschluß unter ein phantastisches ROCK HARD-Festival, das wirklich für alle etwas bot. - Prädikat: Gut!
Bilanz: Neben den Tagessiegern TRIPTYKON, SODOM und WUCAN boten viele Bands tolle Gigs, die im Gedächtnis bleiben. BRIAN DOWNEYS ALIVE AND DANGEROUS liessen urigen THIN LIZZY Spirit in reinster Form neu aufleben. HOLY MOSES, gaben ein besonderes in der Form nicht allzu oft zu erlebendes Konzert, VICIOUS RUMORS kehrten zu alter Power Metal-Stärke zurück, ENFORCER demonstrierten trotz Überziehung packende Livequalitäten, KNIFE sorgten bereits am frühen Nachmittag für enorm Aufsehen, IRON FATE verab reichten viel klassisches Heavy Metalflair, gute Thrashgigs brachten LEGION OF THE DAMNED, TESTAMENT und TANKARD (zum 40. Bandjubiläum!) auf die Waage, BENEDICTION sorgten für ein alles plattmachendes Death Metalpfund, NESTOR bildeten völligen Kontrast mit hochmelodischem A.O.R.-Stadion Hard Rock, VOIVOD fielen spacelastigem Prog-Thrash aus dem Rahmen.
Schlusswort:
Ein kräftiges Danke geht von meiner Warte ans gesamte ROCK HARD-Festival-Team einschließlich freundlicher Security, Wegeeinweiser und Serviceteam, für ein cremiges Wochenende in Gelsenkirchen, wo das Amphietheater drei Tage rockte, dass die Mauern im Rund bebten und es laut über den Rhein-Herne-Kanal hinaus erschallte – Von Fans für Fans! Nächstes Jahr 2024 wären eigentlich wenn SODOM und TANKARD kamen, KREATOR und DESTRUCTION an der Reihe... JAG PANZER, RIOT V und wieder wesentlich mehr NWOBHM in Richtung TOKYO BLADE, RAVEN, ANGEL WITCH oder BLITZKRIEG wäre fein und als Headliner eventuell KISS, BLUE ÖYSTER CULT, SAXON oder JUDAS PRIEST bezüglich KISS und JUDAS PRIEST... - ein wenig Träumen darf erlaubt sein...