RIVERSIDE - Neunkirchen/Saar

06 riverside neunkirchen 06Konzert vom 23.06.2023

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RIVERSIDE

Nach fünf Jahren kam endlich Neues der polnischen Prog-Helden auf den Markt. Zwischen „Wasteland“ und „ID.entity“ waren die Vier dennoch nicht untätig, selbst wenn Corona sie tourtechnisch ausbremste. Mastermind Mariusz Duda stürzte sich zuhause in Soloprojekte, als Band beförderte man Livegitarrist Maciej Meller zum festen Mitglied. Kaum waren wieder Auftritte möglich feierten RIVERSIDE ihr zwanzigjähriges Jubiläum, und nahmen ihren achten Longplayer auf. Mit diesem im Gepäck sind sie fast das ganze Jahr auf Tournee, und machten dabei Station in der Alten Gebläsehalle im saarländischen Neunkirchen. Es ist ihr zweites Gastspiel dort, nachdem sie 2018 das Gloomar Festival geheadlint hatten.

Einen Support Act suchte man um 20 Uhr vergebens, ich hatte in Erinnerung, dass etwas angekündigt war. Doch das Instrumentarium war schon für die große Hoffnung der Prog-Gemeinde, die mit vierhundert Zahlenden ansprechend vertreten war, aufgebaut. Als dann eine halbe Stunde später das Licht ausging machten die sich gleich lautstark bemerkbar. Michal Lapaj war zuerst hinter seinen Tasten und ließ sphärische Töne in der hohen Bühne aufsteigen, welche die Polen besser auszufüllen wussten als noch THRESHOLD ein paar Wochen zuvor. So langsam schälte sich die einzige Nummer von „Love, Fear And The Time Machine“ aus den Klangwolken heraus, während sich der Rest auf den Brettern einfand.

Sofort war man gefangen im Zauber dieser Soundtüftler, die einem zwei Stunden lang einen warmen Mantel umlegten, der aufgrund der Außentemperaturen nicht nötig gewesen wäre, und die auch gut draußen gehalten wurden. Wunderbar zu hören und auch zu sehen, wie man einfach die verschiedenen Motive ineinander gleiten ließ, alles stufenlos vor sich hin mäanderte. Wenn Duda keine Ansagen brachte musste man das Material schon gut kennen, um zu realisieren wo ein Titel anfing und der andere endete.
Dabei agierte die Band bei aller Disziplin sehr leidenschaftlich, fühlte jeden Ton, den sie genau dort platzierten, wo er das Herz der Zuschauer traf. Wunderbare Melodien schwebten durch den Raum, welche der gute Mariusz mit seiner sanften Stimme füllte. Alles war im Schweben inbegriffen, das Publikum schwelgte in den Emotionen mit, kaum eine andere Formation ist in der Lage solche Atmosphäre zu erzeugen. Raum und Zeit verloren sich in den zwei Stunden völlig, in der kaum Platz für rockige Momente war.

Die metallischen Ansätze früherer Alben schauten nur schemenhaft vorbei, was sich auch in den opulenten Songlängen ausdrückte. Dazu jammte die Band mehr als früher, gab sich spacigen Welten hin. Besonders der Singalong-Hammer am Ende wurde endlos gestreckt, wobei die Musiker vor Einfällen nur so strotzten. An knackigen Hits gab es nur an zweiter Stelle die Single des dritten Albums, während das aktuelle im Fokus stand. Darauf befinden sich ebenso ausgemachte Longtracks und bei den früheren Werken pickte man sich ebenso die ausschweifenderen Stücke heraus, wobei das vorherige überhaupt nicht zum Zuge kam.

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Vielleicht, weil Meller da noch kein offizielles Mitglied war und wenig dazu beitrug, während „ID.entity“ schon deutlich seine Handschrift trägt. Sein Spiel ist nicht so klar wie das des viel zu früh verstorbenen Pjotr Grudzinski, er vermochte es nicht einen Ton so herrlich lange stehen zu lassen. Dabei fällt der ähnlich weich aus wie der seines Vorgängers, wobei er sein Feeling aus einem Bluesbackground speist.
Am Ton gefeilt hat auch Pjotr Kodziraski, der wie immer filigran trommelte und ein ums andere Break heraus schob. Dass der Metal-Roots weiter verwischen hat auch mit seinem Drumming zu tun, er drischt nicht mehr so hart drauf, lässt die Toms dadurch voller und weiter klingen. Diesen neuen Sanftmut, diese Lockerheit, wenn er immer die kleinen Becken anschlug wusste er genau in die Landschaften seiner Mitstreiter zu positionieren.

Fast schon wie ein zweiter Frontmann wirkte der große Malermeister dieser Soundarchitekturen, der seine Tasten in L-Form um sich herum aufgebaut hatte. Mit Vorliebe bediente er zwei verschiedene Instrumente, wobei die Synthflächen wunderbar mit der Orgel harmonierten. Ganze vorne am Bühnenrand suchte Lapaj ständig den Kontakt zum Publikum und steuerte Backgroundvocals bei. In Sachen Stageacting legte er sich auch in die ein oder andere Pose und reif Erinnerungen an die großen der Zunft wach. Wie er seine Synthesizer bediente, alle Möglichkeiten, den diese boten, ausschöpfte war ebenfalls sehr interessant anzusehen.

Fast einen Kontrast zu dem schwebenden Spiel seiner Mitmusiker legte Duda mit seinem knarzenden Bassspiel, eine Dissonanz, die man teils von YES gewohnt ist. Doch er trieb die Songs dadurch an und verhinderte, dass sie stehen blieben, sondern zu den Zuschauern transportiert wurden. Was er alleine mit seiner weichen, einschmeichelnden Stimme auch erreicht hätte. Auffällig war sein immer gelösterer Umgang mit seinen Fans, denen er auch ein wenig abverlangte. Seine Mimik, sein Augenrollen wenn ihm der Applaus nicht zusagte war herrlich schräg und kam dennoch sympathisch rüber.

Auch Spielchen wie das leise Schreien oder vor den Singalongs zu konstatieren, das gehöre eigentlich nicht zum Prog hatten ihren Reiz, selbst da gab man sich innovativ. In den Ansagen referierte er darüber, dass „ID.entity“ eher das fröhliche Wesen der Band, nicht die dunklen Seiten zeigen sollte. Zum Ende des regulären Sets war er sich bewusst, dass die Nummer umstritten ist, aber als Progact muss man neue Wege gehen. Der Erfolg gab RIVERSIDE Recht, erntete man doch sehr positive Reaktionen und die meiste Bewegung des Abends. Nach all den Jahren der Unsicherheit haben die Polen ihren Platz gefunden, tief im Progherz, dass bei so viel Schönheit aufging.

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Setlist RIVERSIDE:
#Addicted
O2 Panic Room
Landmine Blast
Big Tech Brother
Left Out
Post-Truth
The Place Where I Belong
Egonist Hedonist
The Depths Of Self-Delusion
Friend Or Foe?
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Self-Aware
Conceiving You

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