AHAB - Kassel
Konzert vom 07.03.2024
Support: RANA
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20 Years Of Doom... - sind mehr als gewichtiger Grund für ein Jubiläum tonnen schwerer Zeitlupenmusik und wenn eine Band aus dem extremen Doomsektor solange kontinuierlich ihre eigene Nische gräbt wie der jedem Vergleich sich vollständig beharrlich entziehende (Funeral) Nautic-Doomvierer AHAB, hat sie es redlich verdient! Bevor AHAB kommen, ist ersteinmal Black Metal-Neocrust angesagt. Was heißt das? Es bedeutet, das zuvor Black Metal, Crustcore und (Neo)Post Metal der am Donnerstag Abend überraschend und beachtlicherweise zahlreich anwesenden Doom-Jüngerschaft kräftig arschtretend einheizen darf. Gleich als die erste von mehreren Stationen der laufenden 20 Years of Doom-Jubiläumstour liefen AHAB im Hafen der Goldgrube Kassel (!) ein. Wer weiß, ob und wann eine solche Gelegenheit wenn überhaupt jemals wiederkommt? Trotz ungewöhnlichem Wochentags bedeutete dieser Trip dringenden Pflichtbesuch!
Als RANA gegen 20:00 Uhr die Bühne entern, legt sich eine heftig diffus ihre Stilgrenzen kreuzende Mischung aus gespenstisch weltentrückter Psychedelic-Sphärenstimmung (in etwa so als würden KATATONIA mit NEUROSIS und frühen EMPEROR kollidieren) und Post apokalyptischen Klangsektoren vermengt mit Brutalo-Crustcore-Geballer in den Raum. Dieser völlig bizarre Soundextrakt trifft binnen weniger Minuten den Nerv eines größeren Teils der Anwesenden.
Was die vier Herren plus Dame mit herrlich gepflegten Rastazöpfen (am Bass) auf der Bühne zeigen drückt kompakt heavy, es kommt beim solchermaßen verschachtelte Klangarien mögenden Publikum wie der fette Applaus belegt, sicher an - zumal die Headlinerband auch zu der Sorte Acts gehört, die ihr bunt gemischtes Fanklientel hat, das über weite Strecken extremer Metallerschicht entspringt, wie der Blick auf die in der Goldgrube getragenen Shirts offenbart.Atmosphärisch ruhige Parts wechseln progressiv zu Melancholic-Facette und harrschen Crustcore-Attacken im D-Beat-Geknüppel, wo deren Shouter A.E.B. sich infernalisch seine Stimmbänder wund schreit, brüllt und keift. Zwischendurch in einem Kontrast dazu schaffenden Ruhepohl emotionaler Hingabe versinkend sich zu regenerieren, ehe der nächste alles wegschmetternde Crustcoreausbruch folgt... Nach solch kreuzverquertem Gebräu heißt es raus dringend an die frische Luft und den Kopf frei machen...
Etwa gegen 21:15 Uhr folgen AHAB – die Nautic-Doomer spielen in ihrer völlig und speziell eigenen Liga für sich. Etwa um die 150 Leute nehmen an dieser Nautik-Funeral-Demonstration teil. Neben repräsentabler Songauswahl aus fünf Alben bestechen die durch Nautische Literaturquellen inspirierten Funeral Doomer aus Heidelberg mit konzentriert mächtig alles zermalmender Performance, die mit geballter Präzision auf das Küstenufer im Goldgrubenareal trifft. Atmosphärisch druckvoll, unheimlich beklemmend, teils melancholisch, apathisch, tief in Trance versinkend, trauernd, hoffnungsvoll, depressiv und rasend vor Zorn liefern AHAB den ihrem Jubiläum ausnahmslos gerecht werdenden Livegig. Atmosphärische Naturgewalten u. a. Meeresrauschen, Unterwasserbrodeln, Möwengeschrei, Sturmtosen erzeugende Soundsamples, akustische Gitarren, weltentrückte Sphärendimensionen, druckvolle Midtempo Rhythmen, zentnerfett raumgreifend monolithischen Stromgitarren -Riffs gekoppelt verschmelzen übergangslos, um heroische Stampfbeats und massiv donnernd aus den Verstärkern rollende Nautik- Midtempo-Grooves gebettet in schrittweise zunehmendes Tempo nahtlos in heftig zornerfüllter Raserei übergehend zu verbinden. Opulente Songslaufzeiten gespielt wird das vollständige The Coral Tombs-Album - durchschnittlich auf etwa 7 bis deutlich über 10 Minuten (und mehr) gedehnt, bilden den Rahmen dazu. Ein treues fest auf den Vierer eingeschworenes Publikum feiert das Heidelberger Melancolic-Nautic-Doom-Bollwerk völlig mit Recht bei tief schwermutgetränkten Nautik- Doomwalzen wie "Like Red Foam", „Colossos at the Liquid Graves“, "The Divinity Of Oceans", "Antarctica The Polymorphess „The Sea as a Desert“, oder "The Hunt" verdientermaßen ab. Von soviel tonnenschweren Riffs- und Düster-Melancholie geflasht ergibt sich folgendes Prädikat dieser besonderen Jubiläums-Vorstellung: Konzentriert perfektionierter Nautik-(Funeral)-Doom in Vollendung!
Beindruckender Anblick ist es, wenn Leadgitarrist Daniel Droste sich zunächst in elegischer Hingabe heroischen Klartonsingend hingibt, gefühlvoll sanft seiner Gitarre widmend Ruhekissen erzeugt,ehe abrupt die geballte Urkraft der zunächst geraume Zeit ruhenden See, der bis heute weitgehend unerforschten Ozeane ausbricht, wenn das Quartett plötzlich Majestätisch tonnenschwerer Gitarrenriffs meisterhaft in schrittweise Spannung aufbauender Form zelebriert, bis abrupt in extrem schnelle von tiefergelegten Death-Growls begleitete Attacken umgeschaltet wird.
Bei dem in Goldgruben-Küstenstreifen hineintauchenden Heidelberger Nautik-Doom-Vierer bestehend aus Bassist Stefan Wandernoth, Chris R. Hector (Gitarre), Daniel Droste, Gesang/Gitarre und Schlagzeuger Cornelius Althammer herrscht bis in jede noch so kleinste Ecke kribbelnde Spannung verbunden mit dem immer präsenten Gefühl, in die Tiefen der Meere abzutauchen. Das Stilprägendste Mittel von AHAB liegt in vereint zusammenlaufender Verschmelzung von zermürbend klebriger Funeral Doom-Komponente, beklemmender Finstersphäre und schmerzlich wie schöner Trauerfacetten vereint. Darauf haben sie sich im Laufe der Zeit fixiert, ihren Stil vervolllkommnet, weshalb keine anderen Acts auf dem extremen vor allem nicht im Funderal-Doom-Sektor derartig weit und tief in die Materie dringen. AHAB hauen eine der stärksten weil bis in alle Ritzen durchdringendsten Doom-Pervormances, die ich je erleben durfte, raus. Die Goldgrube Kassel gerät mächtig in Vibrationsalarm. - Funeral Doom meisterhaft auf Top-Level zelebriert.
Das in geheimnsvolle Welten tauchend Geistliche Auge blickt in unerforschte Meereswelten mit grotesken Unterwasserlandschaftspanoramen und abscheulichen in für Menschen kaum erreichbare Tiefen lebende Bizarr-Kreaturen, die beim bloßen Anblick das Fürchten lehren; Professor Arronax und Kapitän Nemo mit seinem U-Boot der Nautilus (aus dem Jules Verne Buch-Klassiker 20.000 Meilen unter dem Meer tauchen in unerforschte Meerestiefen einschließlich deren Abenteuer u. a. der Kampf um Leben und Tod mit einer Riesenkrake nehmen in Gedanken Gestalt an. Nachdem gegen 22:45 Uhr die Verstärker schweigen bleiben alle Anwesenden mit der Gewissheit zurück: 20 Years of Doom, - das war ein durch die Bank (denk)würdiges Jubiläum!
Fotos und Bericht: Michael Toscher