NESTOR - Frankfurt/M.
Konzert vom 31.10.2024
Support: VELVETEEN QUEEN
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NESTOR
VELVETEEN QUEEN
Eine Erfolgsgeschichte wie aus dem Märchen liegt hinter den Schweden, wobei der größte Erfolg ist, sich im ganzen Haufen von Achtziger-Afficinados aus ihrer Heimat zu etablieren. Mit jugendlichem Charme können sie mal nicht punkten, der lag an dem Abend eher bei ihrem Support VELVETEEN QUEEN, dafür aber mit starkem Songwriting. Genau an der Grenze zwischen Reife und Frische bringen sie die großen Melodien auf den Punkt. Damit haben NESTOR ihren Jugendtraum wahr werden lassen und begeben sich nun auf die erste Headlinertour durch den Kontinent. FFM-ROCK ging dem Geheimnis um die Spätzünder im heimatlichen „Bett“ auf die Spur.
VELVETEEN QUEEN
Zuerst einmal enterten die Landsleute aus Göteborg mit ihrem erdiger angelegten Sound die Bretter auf denen sie wenig Platz hatten, um ihre Energie voll zur Entfaltung zu bringen. Das hielt Frontmann Samuel Nilsson nicht davon ab sich wie ein Wilder zu gebärden und sich ständig in alle Posen zu werfen, dabei aber auch immer seine Songs mitzufühlen. Statt ausladender Gesten immer das engumschlungene am Mikrofon oder dem eigenen Körper. Die Mähne fein toupiert glänzte der Eightieslack bei ihnen schon, wenn auch nicht ganz so poliert, dafür sorgten scho die großflächigen Tattoos.
In den Kompositionen schwang immer der Blues mit, sowie der Dreck der Straße, Sleaze nannte man das damals. Die Klamotten eher im Jeans-Bereich angesiedelt, sieht man vom schwarzen Hemd des Sängers ab, war ihr Sound ebenso direkt und trocken. Die Nummer ihres Debüts „Consequence Of The City“ trugen eher Züge von AEROSMITH oder den Übervätern der Spielart, GUNS´N´ROSES, wobei vor dem ein oder anderen modernen Schlenker wie im Opener „Barrel Of A Gun“ nicht halt gemacht wurde. Isac Borg hatte mit seinen Drums ebenso seine Einsätze wie der Tourbassist, gerade wenn es etwa rhythmischer wie in „Kenny´s Blues“ zuging.
Die Gitarrenfront war ebenso aktiv, auch wenn der Seitenwechsel etwas schwer fiel bei den beengten Verhältnissen. Die Haarpracht von Rhythmusklampfer Noah Mardh fiel ebenfalls üppig aus, nur ob die Schminke im Gesicht Halloween oder dem standardmäßigen Bühnenoutfit geschuldet war, konnte der Verfasser nicht in Erfahrung bringen. Jener suchte etwas mehr die Nähe zum Publikum, während Leadgitarrist Lucas Axx sich etwas hinter seiner Sonnenbrille versteckte und sich ähnlich lässig und abgehangen gab wie die Songs. Mit seinem Hut gab er eine gute Mischung aus Coop-Sidekick Tommy Henriksen und Izzy Stradlin ab.
Auch wenn das Material noch etwas ruppig ist, spielerisch passt da schon viel zusammen und hinsichtlich der Attitüde machen VELVETEEN QUEEN alles richtig. Charakter haben ihre Stücke, wie das voran preschende „Trauma“, bei dem sich der gute Lucas auszeichnen kann. Die Energie schwappte schnell auf das Publikum über, das sich schonmal amtlich warm rockte. Mitte des Sets wurde ein E-Piano in der Mitte der Bühne platziert, an dem Nilsson Platz nahm und „Dreamer“ zum Besten gab. Damit zeigten sie, dass sie die gesamte Palette beherrschen und empfahlen sich als geeignete Nachfolger ihrer Helden.
NESTOR
Mit der Prämisse ging auch der Hauptact an den Start, aber das Schicksal sah bekanntlich ein paar Umwege für diesen. Musikalisch kommen sie ihren Helden schon sehr nahe und das Selbstverständnis ist ebenso da. Kein Wunder, dass sie sofort zündeten als sie die Bühne erklommen, ordentlich angeheizt ging die Betriebstemperatur von 0 auf 100. Martin Frejinger zählte mit seinen Tastenriffs ein, die heranstürmenden Kollegen setzten die knalligen Arrangements und ab ging die Zeitreise.
Mit dem Auftauchen von Tobias Gustavsson brachen dann ganz die Dämme, zumal der Mann mit der ersten Handbewegung den ausverkauften Laden im Griff hatte. Ein Fronter der ganz alten Schule, der aus jedem noch so kleinen Club ein Stadion zaubern kann. Mit einem Mann weniger konnte er sich ein bisschen mehr Auslauf gönnen, den er mit seinen raumgreifenden Gesten zu nutzen wusste.
Jene direkt gute Verbindung zum Publikum war auch sein Verdienst, der intime Rahmen ohne Fotograben erlaubte ihm viel Augenkontakt, teilweise ging er in die Knie um den Fans ganz nahe zu sein. Stimmlich war er ebenso in guter Form und brachte die Melodien selbst in den oberen Höhen sicher rüber. Bei den Ansagen verließ er sich auch seinen Charme, referierte über die ungewöhnliche Bandhistorie und die Liebe zum Rock´n´Roll.
Outfittechnisch war wie gehabt viel Achtziger und noch mehr Mut angesagt, so manche Combo ihres Landes bekam für komplett weiße Klamotten in der Vergangenheit Kritik. Einer Hair Metalformation sieht man das eher nach und der viele Goldbehang erinnerte herrlich an den ebenfalls aus Schweden stammenden Yngwie J. Malmsteen. Einfach herrlich, eine Reminiszenz an jenes glorreiche Zeitalter, das im Land der Elche irgendwie jeden Trend überdauert hat. Diesmal traten NESTOR damit auch sehr geschlossen aus, bisher war jeder auf eine andere Weise reichlich farbenfroh aufgetreten, was die Kompaktheit unterstrich.
Bei bestem Klang kam das Material sehr druckvoll rüber, die Axt von Jonny Wemmenstedt schnitt amtlich rein und sorgte für die nötigen Ecken und Kanten. Hervorragend auch wie präsent und wirkungsvoll die Keyboards im Mix heraus gearbeitet wurden, oft genug gehen die live etwas unter. So kamen die Besucher in den Genuss des wunderbar klebrigen Zuckergusses, der sich ohne Vorwarnung in den Gehörgängen verankerte. In letzter Zeit kommt Synthesizern eine vermehrte optische wie akustische Präsentation zu Teil, nicht zum ersten Mal sah der Rezensent zuletzt innenbeleuchtete Träger für jene Geräte.
Natürlich kamen die sechs Saiten nicht zu kurz, wie sein Sänger so hat auch Wemmenstedt ein inniges Verhältnis mit seinem Arbeitsgerät. Doch auch mit den Anhängern, zu denen er ständig den Kontakt suchte, speziell bei seinen feinen melodischen Soli war er ganz vorne an der Rampe zu finden. Marcus Åblad an den dicken Saiten hingegen hielt sich eher im Hintergrund um gemeinsam mit Matthias Carlsson das Fundament zu legen. Bei den mehrstimmigen Chören wusste er wie der gute Jonny seine Stimme angenehm zu dosieren, während sein Rhythmuspartner mit den knalligen Breaks richtig Dampf rein brachte.
Mit denen schob er das Material so richtig an, dass sich auf die zwei bisherigen Alben verteilte, die beide zum großen Teil zum Zuge kommen. Vom Debüt mag der ein oder andere die Ballade „Tomorrow“ vermisst haben, aber man kann nicht jeden Abend Samantha Fox auf die Bühne schleifen. Bei den Open Airs im Sommer stand noch der Erstling im Fokus, mittlerweile sind die neuen Lieder beim Volk angekommen, was die vielen ausverkauften Häuser belegen. In Sachen Qualität stehen die Nummern in Nichts nach, auch wenn der Überraschungseffekt nicht mehr gegeben ist.
Und wenn die so knackig und euphorisch auf die Bühne gebracht werden, dann kann nur Party die Folge sein. Und die tobte, Fäuste und Haare flogen, die Menge hüpfte und war viel in Bewegung, einfach gute Laune, die da verbreitet wurde. Zum Mitsingen musste der gute Tobias nie auffordern, dem kam Frankfurt von ganz alleine nach, auch ein kleiner Club kann richtig laut werden. Klar hob man sich die Hits für die Zugaben nach siebzig Minuten regulärem Set auf, aber sind das nicht alles Hits, die NESTOR im Gepäck haben. Wenn sie das Niveau halten können, dann kann das noch größer werden.
Setlist NESTOR:
We Come Alive
Kids In A Ghost Town
Addicted To Love
Stone Cold Eyes
Last To Know
Perfect 10
The One That Got Away
Unchain My Heart
Signed In Blood
Victorious
Caroline
Firesign
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On The Run
Teenage Rebel
1989