VIOLET - Waldbronn
Konzert vom 28.03.2024
Support: DEFENDER
Melodic Rock ist hierzulande im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern etwas in Vergessenheit geraten, auch weil der Nachwuchs fehlt. Ein Umstand, den die Stuttgarter unbedingt ändern wollen, weswegen sie sich trotz ihres jungen Alters voll den Achtzigern verschrieben haben. Aktuell sind sie mit dem zweiten Longplayer „Mysteria“, der VIOLET wieder ein Stück weit nach vorne gebracht hat. Bereits zum dritten Mal unternahmen sie dabei einen Abstecher ins kultige Soundcheck One im badischen Waldbronn. Supportet wurden sie dabei von dem Metallern DEFENDER, welche diese Dekade ebenso wertschätzen wie sie.
DEFENDER
Musikalisch mögen da ein paar Härtegrade dazwischen liegen, aber neben einem freundschaftlichen Verhältnis verbindet beide eben die Liebe zum Metaljahrzehnt. Ein wenig ließen uns die Jungs warten, neben einer Viertelstunde Verspätung verschlissen sie zwei Introtapes, ehe sie auf die Bühne stürmten. Als Erster Drummer Hannes Stengel, der gleich einmal die Gelegenheit nutzte, um das Publikum anzufeuern. Als er auf dem Schemel Platz nahm und begann die Kessel zu rühren sprang die Saitenfraktion auf die Bühne und fortan war Speed Trumpf.
Das Quartett zockte sich in einem berauschenden Tempo durch ihr Set brachte in fünfzig Minuten ein ganzes Dutzend Songs plus Ansagen rüber, selbst für ein Drumsolo war bei „Carry The World“ noch Zeit. Wenn die sechs Saiten im Rhythmusbereich nicht komplett runtergezockt wurden, bewegten sie sich immer noch in sehr flottem Galopp. Flankiert von vielen ebenso schnellen Leads, welche den Titeln einen melodischen Anstrich verliehen. Letztere Zutat erinnerte ein wenig an HELLOWEEN und zeugte von ihrer Power Metal-Seite, sonst war da noch viel klassischer Stoff zwischen IRON MAIDEN und RUNNING WILD zu entdecken.
Der Querverweis zu den Hamburgern verstärkt Christoph Ott, der optisch durchaus an den jungen Weik erinnert. Auf der für das Auge gedachten Showkomponente standen neben der einheitlichen Lederweste die modischen Ehrerbietungen an die Eighties wie Spandex und andere enge Hosen, dazu wahlweise Cowboystiefel oder Basketballstiefel. Um Matten war die Truppe auch nicht verlegen, die auch mehr als reichlich geschwenkt wurden. So energetisch wie ihre Musik fiel auch das Stageacting aus.
Auf der kleinen Bühne hätten sich die Jungs mehrmals beinahe über den Haufen gerannt, dazu wurden ständig Arme, Instrument oder gleich beides in die Höhe gerissen, während sie breitbeinig standen. Gerne reihten sie sich auf und schwenkten ihre Äxte synchron, was sicherlich von einer anderen teutonischen Band beeinflusste wurde. Es war jedoch kein Posingshowdown, sondern sah die Musiker oft im Schulterschluss, als ganz eng miteinander gespielt wurde.
Jenes kompakte Auftreten bewies ein sehr enges Bandgefüge, welches sich auch musikalisch bemerkbar machte. Über fast zehn Jahre gut eingegroovt agierten sie auch musikalisch sehr tight, gerade Ott und Sänger Dennis Bauer, ebenfalls sein Partner an den sechs Saiten ließen einige Twin Leads vom Stapel. Den Solobereich teilten sie sich ebenso, in der Disziplin konnten beide glänzen.
Vom herunterstimmen ihrer Arbeitsgeräte hielten beide nicht gerade viel, lieber schön schnittig voll ins Mett, Bauer passte sein Organ dazu an. Hinten schepperten die Becken von Stengel, der die Nummern damit ordentlich nach vorne brachte, gerade bei „Restless Power“. Wenn DEFENDER das Tempo etwas drosselten, dann nur um danach noch vehementer anzugreifen, bei den Arrangements nutzte man öfter eine Sechzehntelpause für diesen Effekt.
Auf Dauer mag das sich vielleicht etwas abnutzen, aber wer seine Mucke mit so viel Spaß rüberbringt, der macht das locker wieder wett. Die Spielfreude war allen anzusehen, so dass sie die etwas verhaltene Stimmung zu Beginn im Verlauf des Gigs immer weiter steigern konnten. Kein Wunder, songwriterisch war das so schmissig, dass man beim zweiten Refrain mitgrölen konnte. Den Autor erinnerte das an seine Jugend, als diese Musik in genau solchen Clubs abgeliefert wurde.
Was die Vier auszeichnet ist einfach, wie sie es schafften die Titel ihrer ersten Full-Length „Dying To Live“ wie „Survivor“ oder „Granite Heart“ mit diesem Ungestüm der Aufbruchszeit des Genres rüber zu bringen. Dazu gesellten sich noch die Single „Bang Your Head Again“ und Titel der EP, unter anderem die finalen „Defend Till The End“ und „Rise With Power“. An der Attitüde scheitern viele Bands, die zwar stilistisch genau in die Kerbe schlagen, aber eben nicht jene direkte, wilde Attitüde besitzen.
VIOLET
So gut angeheizt war das Soundcheck One bereit für den Hauptact, dem sie direkt einen warmen Empfang bereiteten. Dass sie aber umgehend so gut ankommen und von den ersten Tönen gefeiert wurden lag daran, dass die Formation noch mehr Zug zum Publikum besaß. Allen voran Jamie Beckham, nicht nur weil sie mit hautengen Klamotten und der toupierten Mähne einen außerordentlichen Blickfang gab. Damit hätte es des direkten Kontakts zum Publikum gar nicht bedurft, doch die Gute entdeckte jede Kamera und sang direkt hinein, egal ob sie das Objektiv damit ans Limit brachte.
Ebenso taxierte sie jeden einzelnen Fan in den ersten Reihen mit ihren großen Augen, was einen schon verlegen machen konnte. Doch die Dame wahrte immer Distanz und ließ ich auch von den innigsten Bitten nach bestimmten Songs nicht erweichen. Ihr Stageacting erinnerte öfter an die Tanzvideos der Achtziger, von „Flashdance“ bis „Love Is A Battlefield“, wenn Beckham auf dem Boden kniete und ihre Tuff-Mähne schüttelte. Dazu suchte sie immer den Kontakt zu ihren Mitmusikern, die einen ähnlichen Verbund hatten wie die Vorband.
Auch Bassist Eric Hart war sehr agil, poste mit seinem Langholz in Richtung Zuschauer und turnte im 84er Bryan Adams-Gedächtnis-Look wild herum. Und das geniale mit dem Instrument auf den Knien zum Gitarristen rüber sliden macht leider heute niemand mehr, nicht mal Bruce Springsteen, das aber eher als orthopädischen Gründen. Selbst Filip Kuzanski kam von hinten hervor, wenn nicht gerade seine Tasten gefragt waren. Er war in klassisches schwarz gehüllt wie auch Gitarrist Manuel Heller, welcher eher erhaben poste, Maurice Probst versprühte da mehr Glam-Feeling mit dem weit ausgeschnittenen Bad Co-Shirt.
Gerade an Heller zeigte sich, dass der Headliner mit ähnlicher Power zu Werke ging, aber eine feinere Klinge focht als der extraforsche Support. In seine Soli legte er sehr viel Gefühl, was gerade im Verbund mit den warmen Synthesizern einen Mantel um die Zuschauer legte. Dem guten Eric bot man auch Möglichkeiten zur Entfaltung, die ihn ganz vorne an die Rampe zogen, wo er in typischer Eighties-Manier slappte, da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht. Stark auch Probst, der bei den Arrangements vielfältiger zu Werke ging und sich auch songdienlich zurückzunehmen wusste.
Dabei waren VIOLET druckvoller unterwegs als auf Platte, wo gerade bei „Mysteria“ viel mit Studiotechnik gearbeitet wurde. Wie gut der Fünfer sein Material für die Bühne umsetzen konnte bewies der Mann an den Keyboards, der die eigentlich vom Saxophon intonierten Soli übernahm. Jedoch nicht indem er eines aus der Soundbibliothek zauberte, sondern die Parts auf seinen drei Synthesizern in deren Klangfarben übersetzte. Und wie er da lässig zwischen seinen Teilen stand und diese rechts wie links bediente, offenbarte ebenfalls diese unnachahmliche Achtzigerästhetik.
Ihm kam zugute, dass Hausmischer Wayne es verstand ihn prominent in Szene zu setzen, trotz akustisch nicht optimaler Bedingungen entsteht im Soundcheck One immer ein ausgewogenes Klangbild. Speziell die Harmonien profitierten dadurch, wenn Hart und Heller ihre Frontfrau bei mehrstimmigen Refrains oder auch im Wechselspiel einiger Kompositionen unterstützten. Stilistisch gehen VIOLET ohnehin weiter als die meisten Melodic Rock-Bands und integrieren einigen Synth Pop in ihren Sound, was gerade beim jüngsten Werk Möglichkeiten eröffnete.
Ein Cover von Pin Up-Ikone Samantha Fox ist natürlich schon gewagt, aber Indiz für die eigenen Wege. Bei der Ankündigung konterte die gute Jamie einige Zwischenrufe, ohnehin tat sie sich öfter durch sympathisch freches Auftreten hervor. Natürlich half das um die Fans so richtig mitzunehmen, die die jungen Musiker mächtig abfeierte, sowas siegt immer. Da wurde sehr authentisch eine Lücke gefüllt, der einige Fans hierzulande nachtrauern. Ihre Mischung aus den beiden Alben präsentierte eine junge spielfreudige Combo, die uns in Zukunft hoffentlich noch viel Freude bereiten wird, sowas gehört einfach in Stadien!
Setlist VIOLET:
Mysteria
Bad Dream
Cover Model
That Night
I Don´t Want To Fall In Love
Calling For You/Burning May
Sex in Harmony
Blame It On The Night
Angelina (Talk To Me)
Sophie
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Eighteen In Love
Arms Around
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Do Ya Do Ya (Wanna Please Me)