Rock MEETS CLASSIC - Nürnberg
Konzert vom 12.04.2025
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ROCK MEETS CLASSIC
Nach einigen internen Querelen, die auch die sonstigen Bandgeschicke der rockmusikalischen Akteure des Abends beeinträchtigt haben, konzentrierte man sich nun wieder komplett auf das Orchesterprojekt. Alex Jansen war schon bei den letzten Ausgaben am Bass und ersetzt Mat Sinner nun auch an anderen Stellen. Dazu ist Alessandro Delvecchio wieder als Backgroundsänger dabei, der auch durch das Programm führte, und auch bei den Damen gab es Wechsel. Leider soll das Event im nächsten Jahr zum letzten Mal stattfinden, was sehr schade ist, aber mit dem Aussterben der Protagonisten verschwindet mit der Zeit auch ein Stück Kultur.
Die Namen hinter den Songs waren diesmal groß, die Hitdichte hoch, doch als Gäste kamen mehrfach Mitglieder der Bands, die nur kurz dabei waren. Was deren Relevanz nicht schmälern soll, schließlich sprangen einige ein, um den Acts das Überleben zu sichern. Dieses Mal verschlug es FFM-ROCK nach Nürnberg in die Arena, wo ich sonst die Jahrhunderthalle bevorzugte. Da verbrachte unser Rezensent glich das ganze Wochenende und wäre mit Sport und Sightseeing ohnehin ausgelastet gewesen. Aber wer auf intensive Erfahrungen steht, der ist bei ROCK MEETS CLASSIC an der richtigen Adresse.
Der Italiener durfte mit den zwei Grazien an seiner Seite zuerst einmal ohne die prominente Unterstützung ran. Wo es früher noch ein rein vom Orchester gespieltes Medley gab, führten nun direkt die Drums von Michael Ehre ein. Was der GAMMA RAY – und THE UNITY-Mann einwarf ließ sofort an einen Künstler denken, der nicht mehr unter uns weilt. Und schon war man mittendrin in der irischen Volksseele von „Over The Hills and Far Away“, dem GARY MOORE-Song, der sich mit seiner Wucht am Besten für eine derartige Bearbeitung anbietet. Mächtig schwoll das Orchester bei den Leads an, erhob sich über die Gitarren und setzte erste Akzente.
Überraschend war auch, dass Mal McNulty die gute Stimmung noch ausbauen konnte. Dabei empfand ich „Mama Weer All Crazee Now“ als eher den schwächsten der SLADE-Hits. Doch das treibend-flirrende Riff eignet sich besser für eine Orchesterversion und der Mann mit der Schiebermütze wusste die Menge anzufeuern. Gerade das blieb im Verlauf des Abends öfter aus, gegenüber dem was ich von Frankfurt gewohnt bin blieb es tief im Frankenland doch sehr verhalten.
Gerade in einigen Passagen später, wo das Klatschen unmittelbar zum Lied gehört, war es zu still für die starke Darbietung. McNulty war auch nur zweimal für je ein Stück auf der Bühne, wobei natürlich später mit dem Achtziger-Schmachtfetzen „My Oh My“ die wirkliche Bewährungsprobe für das Orchester kam. Und die wurde zelebriert, die Untermalung hob noch einmal die Emotionalität der Komposition, die nicht zum einzigen Male den Wasserstand zwischen den Liedern massiv nach oben trieb.
Stimmlich war der kleine Brite noch gut bei Stimme, seine Performance beim Singen eher steif. Was ebenso auf John Elefante zutraf, der sich deutlich kräftiger als früher wenig bewegte, dafür aber auch Kontakt zum Publikum suchte. Obendrein brachte er die Nummern deutlich besser rüber als Steve Walsh, der ja mittlerweile die Rente eingereicht hat. Den guten John dürfte es getroffen haben, dass man ihn nicht gefragt hat, ob er wieder dabei sein möchte. Schon bei „Point Of No Return“ legte er sich gut ins Zeug, musste er auch, denn das wurde natürlich zur Paradenummer für die Streicher.
Anschließend waren die Damen und Herren im Hintergrund bei „Hold On“ ebenso präsent, wenn auch in gedämpftem Tempo. Was verwunderte war, dass es keinen Titel aus der gemeinsamen Zeit mit KANSAS gab, sondern sich auf die absoluten Bandklassiker konzentrierte. Ebenso überraschend auf interessanter Ebene, wie „Dust In The Wind“ beim zweiten Set zwar mit viel Bombast aufgemotzt wurde, aber Alex Beyrodt dessen Solo auf dem Stratocaster spielte. „Carry On Wayward Son“ gab dann jedem genug Auslauf, um sich instrumental einzubringen, aber auch die Backgroundvokalisten lieferten starke Harmonien.
Nun folgte mit Fran Cosmo jemand aus einer der größten Muckerfressmaschinen der Rockgeschichte. Schade, mit dem Talent könnte Tom Scholz bei mehr Kontinuität heute zu den großen Acts zählen. So bleibt der Ruhm des womöglich meistverkauften Debüts der Geschichte, von dem die komplette erste LP-Seite geboten wurde. Der Breitwandsound gerade von „Foreplay“ ist wie gemacht für die Umsetzung mit dem großen Besteck auch wenn der Mastermind stets bei den Aufnahmen darauf verzichtete.
Der Sänger und Gitarrist der 90er - und Nullerjahre musste stimmlich die hohen Klippen ebenfalls umschiffen. Dafür entschädigten, die tollen Harmonien, bei denen die Backgroundstimmen alle Register zogen und ebenso perfekt aufeinander abgestimmt waren wie die Musiker. Beim logischerweise folgenden „Long Time“ streckte Cosmo immer wieder die Hände beschwörend nach oben, schloss die Augen und genoss diese hippieske Hymne einfach.
Wenn der Mann nichts zu singen hatte sprang er mit seiner Gitarre auf der Bühne herum und suchte die Nähe zu Beyrodt und Tom Naumann oder dem Orchester und hatte richtig Spaß bei der Sache. Doch auch hier wenig Reaktionen, ist das Thema BOSTON mittlerweile zu weit weg? Mir persönlich war es indes egal, bei „Peace Of Mind“ hob ich komplett ab, mehr als zwei Drittel meines Lebens musste ich warten das live zu hören.
Immer wieder von Glücksgefühlen übermannt war ein kleiner Pfälzer selig, die Liste der Songs ohne Tränen in den Augen las sich sowieso kürzer an dem Abend. Beim zweiten Stelldichein packte dann noch der gute Alex die Double Neck aus, auf welcher er von der akustischen Strophe zu dem fantastischen Leadfill von „More Than A Feeling“ hin und her switchte, in der Phase jagte ein Welthit den nächsten.
Randall Hall war zu Beginn der Reunion nur Gitarrist bei LYNYRD SKYNYRD, durfte hier aber auch als Sänger ran, wobei sich für den Job sicher auch andere bereit erklärt hätten. Sein raues Timbre passte aber bestens zu den Stücken, überhaupt war sein Auftreten unglaublich authentisch. Mit Cowboyhut und Lederweste fiele er outfittechnisch bei seinem früheren Brötchengeber nicht auf. Obwohl ein Cover gehört „Call Me The Breeze“ zum festen Bestandteil eines Sets der Südstaatenlegende, den J.J. Cale-song hat sich diese schon lange zu Eigen gemacht. Nur hatte hier das Orchester etwas das nachsehen, wie anschließend bei „What´s Your Name“, wenn konnten eher die Blasinstrumente was dazu geben.
Raue bluesige Songs sind nicht unbedingt für eine derartige Bearbeitung geeignet und so rang ihnen der Vortrag wenig Neues ab. Das sollte sich ändern, als Hall fragte, welchen Song das Publikum hören wolle. Natürlich schallte es „Freebird“ aus der Tiefe des Raums und gerade im ersten Part konnten die Streicher famos aufspielen. Wenn dann jedoch drei Gitarren unterwegs sind, hatten diese zu schweigen, dagegen kommt einfach nichts an. Das wäre für mich der bessere Kandidat für das Finale gewesen, doch man entschied sich als der gute Randall am Ende nochmal die Bühne enterte für „Sweet Home Alabama“, wo die Stimmung jedoch in gleicher Weise ausblieb.
Nach ihm und bevor die ersten drei Gäste noch einmal auf die Bühne kommen durften, ging es ohne Pause weiter. Als Intermezzo durfte das Ensemble nochmal ohne prominente Unterstützung agieren und brachte mit „November Rain“ sicher eine der Nummern, bei denen der Zusammenschluss von Rockmusik und klassischem Orchester am besten funktioniert. Ein wunderbarer Himmel voller Geigen erfüllte die ausverkaufte Arena. Mal wieder wartete die Veranstaltung mit einem superben Sound auf, bei dem alle Elemente perfekt ausbalanciert waren und dennoch sehr druckvoll rüberkamen. Ein wahres Klangerlebnis, das einen wirklich überwältigte.
Dann durfte eine der Vorreiterinnen der Frauenbewegung im Rock die Bretter betreten. LITA FORD war noch lange vor allen Stars der Achtziger schon im Geschäft, bereits in den Siebzigern war sie mit anderen späteren Stars bei den RUNAWAYS. Von denen brachte sie dann auch das punkige „Cherry Bomb“ mit, dass auch ohne die darin eingesetzten Pyros heiß gewesen wäre. Gerade die Backgroundvokalisten waren hier viel auf dem Riser von Michael Ehre unterwegs. Zuvor stieg die Dame mit dem schmissigen „Kiss Me Deadly“, einem ihrer größten Hits ins Set ein, bei dem sie eine ungeheure Spielfreude offenbarte.
Es wird immer ein Rätsel bleiben warum sie solange einen Bogen um Deutschland machte. Apropos heiß, für ihre 66 Lenze sah die Grand Dame des Hair Metal noch ausgesprochen gut aus. Der hautenge rote Anzug entstand schon zu Zeiten von „Living On A Runaway“ und steht ihr auch heute noch. Auch vom Auftreten her hat ihr das Alter am wenigsten anhaben können, kein anderer Gaststar war so viel unterwegs, auch wenn das Schuhwerk nicht unbedingt für lange Ausflüge gedacht war. Mit Naumann lieferte sie sich ein paar Duelle und stellte ihre Gitarrenkünste unter Beweis und hatte stets ein erfrischendes Lächeln auf dem Gesicht.
Wie schon vor sechs Jahren mit Ian Gillan gab ein Mitglied von DEEP PURPLE den Headliner des Abends. Wobei Genn Hughes sich in den letzten Jahren viel seinem Output mit dem Hard Rockflaggschiff widmete und im letzten Jahr eine ganze Tournee damit bestritt. Das macht Sinn, weil der Erstgenannte sich stets weigert, diese Nummern auf die Bühne zu bringen. Hughes hätte seinerzeit durchaus auch komplett den Sangesposten übernehmen können. „Stormbringer“ groovte wie die Hölle, konnte das Orchester jedoch nur in der Bridge zur Geltung bringen. Hier konnte sich eher Lisa Müller, die musikalische Direktorin an den Tasten in Szene setzen, speziell bei „Might Just Take Your Life“.
Dann kam die gute Lita noch einmal zurück, und was Alex Beyrodt kann, kann sie schon lange. So schleppte auch sie eine doppelhalsige Axt mit sich, die ihre Sammlung toller Modelle krönt. Hughes erwies sich als perfekter Partner für ihre Ballade „Close My Eyes Forever“, bei dem nun auch das Orchester richtig in Fahrt kam. „TheVoice Of Rock“ gab auf jeden Fall einen guten Ozzy ab, der einst auf „Lita“ das Duett mit ihr lieferte. Er hat ja schon öfter mit Tony Iommi gearbeitet und falls der nach Birmingham weiter Lust auf schwarze Samstage verspürt, könnte man sich diese Konstellation durchaus vorstellen.
Und wieder waren viele im Publikum gerührt, es war einfach eine dieser Nächte, nur sollte Glenn alleine noch einen draufsetzen. Ich würde „Mistreated“ als beste Komposition der altehrwürdigen Formation bezeichnen und war froh, dass auf Mark II – Songs verzichtet wurde, schließlich fehlten noch ein paar von Mark III. Egal von wem, ob RAINBOW oder AXEL RUDI PELL, einfach Gänsehaut pur, schon beim Intro holte Beyrodt alles aus seinen Saiten raus. So gern er Kumpel Tom einige Soli überließ, solche signifikanten Melodien übernahm er selbst, und als seine Strat nach dem ruhigen Mittelpart für uns sang, stellten sich alle Haare am Körper.
Nach so viel großem Emotionskino war es Zeit für einen Partyabschluss, der in Form von „Burn“ über das Auditorium hinwegfegte. Gerade in den Solopassagen von Orgel und Gitarre mit ihrem neoklassischen Background hatten Bläser und Streicher nochmal einen gewaltigen Auftritt, den Hughes mit immer noch beeindruckender Vocalpower unterstrich. Beim bereits erwähnten Finale kamen dann alle wieder auf die Bühne, wobei sich die Southern-Hymne natürlich wunderbar zum Mitsingen eignete, was die Legenden Arm in Arm taten und alle sichtlich Frede daran hatten. Nach zweieinhalb Stunden Hitbombardement in erlesenem musikalischen Rahmen war dann leider Schluss, und auch hier gab sich Nürnberg doch arg leise, im Gegensatz zum Geschehen auf der Bühne zuvor.